Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 13.1913/1914
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Redaktioneller Teil
DOI article:Koch, Alexander: Kunstzeitschriften
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XIII, Heft 16.
Die Werkstatt der Kunst.
vorragender Kunstzeitschriften betrachtet, dieDeutsch -
land heute hervorbringt.
Ich halte es für einen großen Gewinn, daß
die „Internationale Ausstellung für Buch-
gewerbe und Graphik Leipzig gerade
auf dem Gebiete des Kunstzeitschriftenwesens
eine sinnfällige eindrucksvolleVergleichungs-
möglichkeit der internationalen Produktion
bieten wird. Nicht nur mit Hinblick auf das zu
erwartende gute Bestehen Deutschlands, sondern auch
wegen des Ansporns zur Behauptung des erkämpften
Vorranges, wegen der werbenden Kraft, die eine
solche Vergleichung für die einheimische Produktion
besitzt. Daß dies für uns Herausgeber, die wir
unsere ganze Kraft und Liebe an die Erarbeitung
des deutschen Vorranges auf diesem Gebiete ge-
wandt haben, im Vordergründe des Interesses steht,
wird man begreiflich finden. Zumal jetzt ja auch
in allen Kreisen das Bewußtsein von der Unent-
behrlichkeit der Kunstzeitschriften allmählich durch-
zudringen scheint.
Ls hat sich da in unseren Tagen, vor unseren
Augen eine Wandlung vollzogen, die meines Wissens
noch nie nach Gebühr gewürdigt worden ist.
Begleiter des künstlerischen Schaffens waren
die Kunstzeitschriften von jeher. Aber die
lebhafte Aktivität, die staunenswerte Erweiterung
ihres Aktionsradius, die wir erlebt haben, ist eine
unerhörte Neuerung und in der früheren perio-
dischen Kunstliteratur ohne Beispiel. Die Publi-
zität, die die Kunstzeitschriften dem Künstler bieten,
ist eine gegen früher zehnfach gesteigerte. Die Kunst-
zeitschriften haben der neuen Malerei erst dieses
lebhafte Fortschreiten von Standpunkt zu Standpunkt,
dieses beschleunigte Tempo der Entwicklungen er-
möglicht, das sie auszeichnet. Nicht nur durch die
Anregung der sammlerischen Tätigkeit, sondern
überhaupt durch die immense Vergrößerung der
Berührungsflächen zwischen den Künstlern und dem
Publikum, mit der dem Künstler überhaupt der
größte Dienst geschieht, der ihm zu leisten ist. Das
publizierte bringt den Künstler in jedem Betracht
vorwärts, setzt ihn der Kritik aus, führt ihm Be-
stätigung und Anerkennung zu, treibt ihn voran.
Das Tödliche ist für den Künstler Mangel an
Widerhall. Es ist daher eine ganz zurückgebliebene
Annahme, in den Kunstzeitschriften nur Publikations-
organe zum Dienste der Leser zu erblicken, Stätten
zur Befriedigung der naiven Schaulust. Nein, sie
zählen in ihrer heutigen Ausbildung zu den
wichtigsten Instrumenten der Kunstwirkung
des Kunstschaffens in einem Volke.
Ein Blick auf das junge Kunstgewerbe ist nur
geeignet, die Nichtigkeit dieser Behauptung zur Un-
umstößlichkeit zu erheben. Man kann ruhig sagen:
Ohne unsere neuen Kunstzeitschriften kein
neues Kunstgewerbe! Ein großes, aber keines-
wegs zu gewagtes Wort. Durch Diskussion, Schaffens-
anregung und insbesondere dadurch, daß ihre Ab-
2U
bildungen mit tausendfach verteilter Wirksamkeit die
Augen der Beschauer an die neuen Formen ge-
wöhnten, haben sie zur Abkürzung der notwendigen
Entwicklungsabschnitte Unschätzbares beigetragen.
Wenn Frankreich heute noch auf diesem Gebiete
in den Kinderschuhen steckt, worauf sonst ist dies
zurückzuführen als auf die Gleichgültigkeit der.
Kunstzeitschriften? Denn die künstlerischen Kräfte
sind da, der Wille zur neuen Form desgleichen, das
Publikum der Sache keineswegs feindlicher als es
im Anfang bei uns gewesen. Nur die Sammel-
punkte all dieser Strebungen und Kräfte fehlen,
und erst in den letzten Jahren fangen drüben die
Kunstzeitschriften an, sich auf die ihnen hier gesetzte
Pflicht zu besinnen.
Ls ist, ich wiederhole es, ein großer Gewinn,
daß die „Internationale Ausstellung für Buchgewerbe
und Graphik Leipzig sHsH" in ihrer Zeitschriften-
abteilung das Mühen der Völker um Steigerung
der Kunstwirkung vergleichsweise vorführt. Es
gibt keinen besseren weg als diesen, um dem deut-
schen Volke zum Bewußtsein zu bringen, was in
Deutschland auf diesem Gebiete geleistet
wird.
Aeilungslckau
Der „vossisch en Zeitung" entnehmen wir folgendes:
Hugo van der Goes — eine Nünstlertragödie.
In aller Stille ist am zweiten Weihnachtsfeiertage in
Berlin jenes Meisterwerk des Hugo van der Goes einge-
getroffen, das der Spürsinn und die Beharrlichkeit der
deutschen Runstforschung aus seiner Haft in dem spanischen
Kloster Monforte befreit und der Welt wieder zugänglich
gemacht hat. Binnen kurzem wird es im Kaiser-Friedrich-
Museum zu Berlin aller Welt zugänglich sein, und der
Name des Meisters wird dann auf allen Lippen schweben.
Line seltsame Künstlergestalt ist es, deren Erinnerung
diese prachtvolle jüngste Bereicherung des deutschen Kunst-
besitzes uns vors geistige Auge zaubert. Hugo van der
Goes, dessen genaues Geburtsjahr uns nicht bekannt ist,
war wahrscheinlich ein Genter Kind und entstammte einer
Familie, in der die edle Kunst der Malerei erblich zu
Hause war. vieles an seinen Lebensumständen ist uns
dunkel, auch seinen Lehrmeister kennen wir nicht, aber im
Jahre tH68 war der junge Maler bereits angesehen, und
als damals in Brügge die feierliche Einholung der jungen
Braut Karls des Kühnen Gelegenheit zu einem glänzen-
den Feste gab, da wirkte er an der malerischen Dekoration
der Straßen und Gebäude mit. Auch bei der bald nach-
folgenden Vermählungsfeier des Herzogs mit der Prinzeß
Margaretha von Hork fand Meister Hugo bei der Anferti-
gung ähnlicher „entremet8" Beschäftigung, und er stand
bereits auf dem Höhepunkt seiner Kunst, als er um das
Jahr für den Florentiner Tommaso Portinari, den
Lhef der Brügger Filiale des Bankhauses Medici, jenes
weltberühmte Altarwerk schuf, das für das Hospital der
Kirche S. Maria Novella in Florenz bestimmt war, heute
aber eine der großen Zierden der dortigen Uffizien-Galerie
bildet.
Soweit sind die Nachrichten über den Meister „Hugo
von Antwerpen", wie ihn vasari nennt, spärlich genug,
jedoch ohne besonderen, auffälligen Lharakter. Jetzt aber
beginnt, was wir den Künstlerroman des van der Goes
nennen können, vielleicht spann dieser Roman sich im
Hause des Jacob weytens an der Muyderbrücke zu Gent
an. Dort malte der Künstler über einem Kamin ein
Wandbild in Gelfarben, das die Begegnung der klugen
Die Werkstatt der Kunst.
vorragender Kunstzeitschriften betrachtet, dieDeutsch -
land heute hervorbringt.
Ich halte es für einen großen Gewinn, daß
die „Internationale Ausstellung für Buch-
gewerbe und Graphik Leipzig gerade
auf dem Gebiete des Kunstzeitschriftenwesens
eine sinnfällige eindrucksvolleVergleichungs-
möglichkeit der internationalen Produktion
bieten wird. Nicht nur mit Hinblick auf das zu
erwartende gute Bestehen Deutschlands, sondern auch
wegen des Ansporns zur Behauptung des erkämpften
Vorranges, wegen der werbenden Kraft, die eine
solche Vergleichung für die einheimische Produktion
besitzt. Daß dies für uns Herausgeber, die wir
unsere ganze Kraft und Liebe an die Erarbeitung
des deutschen Vorranges auf diesem Gebiete ge-
wandt haben, im Vordergründe des Interesses steht,
wird man begreiflich finden. Zumal jetzt ja auch
in allen Kreisen das Bewußtsein von der Unent-
behrlichkeit der Kunstzeitschriften allmählich durch-
zudringen scheint.
Ls hat sich da in unseren Tagen, vor unseren
Augen eine Wandlung vollzogen, die meines Wissens
noch nie nach Gebühr gewürdigt worden ist.
Begleiter des künstlerischen Schaffens waren
die Kunstzeitschriften von jeher. Aber die
lebhafte Aktivität, die staunenswerte Erweiterung
ihres Aktionsradius, die wir erlebt haben, ist eine
unerhörte Neuerung und in der früheren perio-
dischen Kunstliteratur ohne Beispiel. Die Publi-
zität, die die Kunstzeitschriften dem Künstler bieten,
ist eine gegen früher zehnfach gesteigerte. Die Kunst-
zeitschriften haben der neuen Malerei erst dieses
lebhafte Fortschreiten von Standpunkt zu Standpunkt,
dieses beschleunigte Tempo der Entwicklungen er-
möglicht, das sie auszeichnet. Nicht nur durch die
Anregung der sammlerischen Tätigkeit, sondern
überhaupt durch die immense Vergrößerung der
Berührungsflächen zwischen den Künstlern und dem
Publikum, mit der dem Künstler überhaupt der
größte Dienst geschieht, der ihm zu leisten ist. Das
publizierte bringt den Künstler in jedem Betracht
vorwärts, setzt ihn der Kritik aus, führt ihm Be-
stätigung und Anerkennung zu, treibt ihn voran.
Das Tödliche ist für den Künstler Mangel an
Widerhall. Es ist daher eine ganz zurückgebliebene
Annahme, in den Kunstzeitschriften nur Publikations-
organe zum Dienste der Leser zu erblicken, Stätten
zur Befriedigung der naiven Schaulust. Nein, sie
zählen in ihrer heutigen Ausbildung zu den
wichtigsten Instrumenten der Kunstwirkung
des Kunstschaffens in einem Volke.
Ein Blick auf das junge Kunstgewerbe ist nur
geeignet, die Nichtigkeit dieser Behauptung zur Un-
umstößlichkeit zu erheben. Man kann ruhig sagen:
Ohne unsere neuen Kunstzeitschriften kein
neues Kunstgewerbe! Ein großes, aber keines-
wegs zu gewagtes Wort. Durch Diskussion, Schaffens-
anregung und insbesondere dadurch, daß ihre Ab-
2U
bildungen mit tausendfach verteilter Wirksamkeit die
Augen der Beschauer an die neuen Formen ge-
wöhnten, haben sie zur Abkürzung der notwendigen
Entwicklungsabschnitte Unschätzbares beigetragen.
Wenn Frankreich heute noch auf diesem Gebiete
in den Kinderschuhen steckt, worauf sonst ist dies
zurückzuführen als auf die Gleichgültigkeit der.
Kunstzeitschriften? Denn die künstlerischen Kräfte
sind da, der Wille zur neuen Form desgleichen, das
Publikum der Sache keineswegs feindlicher als es
im Anfang bei uns gewesen. Nur die Sammel-
punkte all dieser Strebungen und Kräfte fehlen,
und erst in den letzten Jahren fangen drüben die
Kunstzeitschriften an, sich auf die ihnen hier gesetzte
Pflicht zu besinnen.
Ls ist, ich wiederhole es, ein großer Gewinn,
daß die „Internationale Ausstellung für Buchgewerbe
und Graphik Leipzig sHsH" in ihrer Zeitschriften-
abteilung das Mühen der Völker um Steigerung
der Kunstwirkung vergleichsweise vorführt. Es
gibt keinen besseren weg als diesen, um dem deut-
schen Volke zum Bewußtsein zu bringen, was in
Deutschland auf diesem Gebiete geleistet
wird.
Aeilungslckau
Der „vossisch en Zeitung" entnehmen wir folgendes:
Hugo van der Goes — eine Nünstlertragödie.
In aller Stille ist am zweiten Weihnachtsfeiertage in
Berlin jenes Meisterwerk des Hugo van der Goes einge-
getroffen, das der Spürsinn und die Beharrlichkeit der
deutschen Runstforschung aus seiner Haft in dem spanischen
Kloster Monforte befreit und der Welt wieder zugänglich
gemacht hat. Binnen kurzem wird es im Kaiser-Friedrich-
Museum zu Berlin aller Welt zugänglich sein, und der
Name des Meisters wird dann auf allen Lippen schweben.
Line seltsame Künstlergestalt ist es, deren Erinnerung
diese prachtvolle jüngste Bereicherung des deutschen Kunst-
besitzes uns vors geistige Auge zaubert. Hugo van der
Goes, dessen genaues Geburtsjahr uns nicht bekannt ist,
war wahrscheinlich ein Genter Kind und entstammte einer
Familie, in der die edle Kunst der Malerei erblich zu
Hause war. vieles an seinen Lebensumständen ist uns
dunkel, auch seinen Lehrmeister kennen wir nicht, aber im
Jahre tH68 war der junge Maler bereits angesehen, und
als damals in Brügge die feierliche Einholung der jungen
Braut Karls des Kühnen Gelegenheit zu einem glänzen-
den Feste gab, da wirkte er an der malerischen Dekoration
der Straßen und Gebäude mit. Auch bei der bald nach-
folgenden Vermählungsfeier des Herzogs mit der Prinzeß
Margaretha von Hork fand Meister Hugo bei der Anferti-
gung ähnlicher „entremet8" Beschäftigung, und er stand
bereits auf dem Höhepunkt seiner Kunst, als er um das
Jahr für den Florentiner Tommaso Portinari, den
Lhef der Brügger Filiale des Bankhauses Medici, jenes
weltberühmte Altarwerk schuf, das für das Hospital der
Kirche S. Maria Novella in Florenz bestimmt war, heute
aber eine der großen Zierden der dortigen Uffizien-Galerie
bildet.
Soweit sind die Nachrichten über den Meister „Hugo
von Antwerpen", wie ihn vasari nennt, spärlich genug,
jedoch ohne besonderen, auffälligen Lharakter. Jetzt aber
beginnt, was wir den Künstlerroman des van der Goes
nennen können, vielleicht spann dieser Roman sich im
Hause des Jacob weytens an der Muyderbrücke zu Gent
an. Dort malte der Künstler über einem Kamin ein
Wandbild in Gelfarben, das die Begegnung der klugen