Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 13.1913/1914
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DOI Artikel:Kanzow, Karl: Etwas von der Kunst in Preußen
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XIII, heft 6.
Die Werkstatt der Kunst.
ermäßigte Jahreskarte zu ^.50 Mk.:
Gurlitts Kunstsalon, Berlin W 35, Potsdamer Str. ^3
(Eintritt 50 pfg. statt 1 Mk.),
Se cessio ns-Kunstausstellungen, Berlin VV ^5, Kurfürsten-
damm 208/209 (Dauerkarte zu 2 Mk.).
Der Vorstand r
I. A.: Helens Qobeäan, Schriftführerin.
Ver kunä äeutscher unä östei'l'ejchischel' ttünMerinnen-
Vereine
wurde auf Anregung des Münchener Künstlerinnenvereins,
gelegentlich dessen 25jährigen Jubiläums (November ^907)
und auf die Einladung des Vereins der Künstlerinnen und
Kunstfreundinnen zu Berlin im Heim des letzteren im
Juni l908 gegründet. Er ist somit auf Anregung der
beiden ältesten und größten Korporationen künstlerisch
arbeitender Frauen entstanden und stellt die erste allgemeine
Organisation der deutschen Künstlerinnen dar.
Der Zweck des Bundes ist die berufliche Förderung
der Künstlerinnen und die Vertretung ihrer ideellen und
materiellen Interessen, unter denen eine der wichtigsten
die Erreichung der Gleichberechtigung, d. h. der ordentlichen
Mitgliedschaft in allen jenen Künstlerkorporationen ist,
welche diese bis jetzt den Künstlerinnen nicht zugestanden
haben, und in denen sie deshalb von dem Einfluß auf
Vorstand- und Iurywahl ausgeschlossen sind. Die erste
praktische Aufgabe des Bundes bestand in der gegenseitigen
Annäherung der vorher nahezu ohne jede Fühlung stehen-
den Künstlerinnenvereine. Er vermittelte dadurch einen
Ueberblick über die Künstlerinnenschaft. Gerade Künstle-
rinnen, die mit vollem Einsatz ihrer Persönlichkeit arbeiten
müssen, sind wenig zu Vereinsarbeit geneigt. Lange Be-
mühungen waren notwendig, Gemeinsinn und Standes-
bewußtsein zu wecken. Dieser Pionierarbeit hat der Bund
sich unterzogen.
Zur Mitwirkung bei dem Streben nach den als wün-
schenswert erkannten Zielen erscheinen die bodenständigen
Vereine zunächst berufen. Sie kennen die lokalen Kunst-
verhältnisse und haben die Möglichkeit, entsprechenden
Einfluß in ihrem Wirkungskreise zu üben. Die Bundes-
vereine sind grundsätzlich bestrebt, nur ernstes künstlerisches
Arbeiten zu fördern, wollen die im Kunstberuf stehenden
Frauen volle Anerkennung ihrer Arbeit in der Oeffentlich-
kert, so müssen sie dem gefährlich anfchwellenden Dilettan-
tismus in der Kunst durch gemeinsames Bemühen überall
energisch entgegenarbeiten.
Die Bestrebungen des Bundes haben neben ideellen
schon manche praktische Erfolge gezeitigt in bezug auf
Wahl und Betätigung von Künstlerinnen in Vorstand,
Jury und in künstlerischen und wirtschaftlichenKommissionen.
Der Organisation der wirtschaftlichen verbände, welche die
gesamte Künstlerschaft zurzeit beschäftigt, brachte der Bund
von Anfang an werktätiges Interesse entgegen. Nicht zu
vergessen ist, daß die Bundesvereine sich zur Aufgabe
machen, ihren Mitgliedern bei gegenseitiger gastlicher Auf-
nahme mit beruflichen Auskünften und mit Rat beizu-
stehen.
Durch die nunmehr erfolgte gerichtliche Eintragung
in das Vereinsregister (Amtsgericht München) noch mehr
gefestigt, wird der Bund fein wirken im Interesse der
Künstlerinnen fortsetzen, durch das er sich eine bereits an-
erkannte Position erworben hat.
Redaktioneller Teil.
Etwas von cler Kunst in preulZen*)
von Karl Kanzow, M. d. A.
wie hat die Rechtsprechung neuerdings die Inter-
essen der Kunst und der Künstler geschädigt durch die An-
wendung des tz 48H, I des Strafgesetzbuchs, der das ver-
breiten unzüchtiger Schriften oder Abbildungen
unter Strafe stellt? Ls ist zwar zutreffend, daß nicht nur
die gröbliche, sondern daß jede Verletzung des Scham-
und Sittlichkeitsgefühls in geschlechtlicher Beziehung den
objektiven Tatbestand erfüllt, und daß subjektiv der Täter
nur das Bewußtsein davon haben muß. Ls ist ferner
richtig, wenn das Reichsgericht hervorgehoben hat, daß nur
der objektive Inhalt einer Schrift oder Abbildung über
deren unzüchtigen Lharakter entscheidet, nicht aber die rein
subjektive Auffassung, die den Verfertiger oder Verbreiter
beherrscht oder die vom Beschauer herangebracht wird. Zu-
zugeben ist auch, daß der angeführten Strafbestimmung
der Begriff des sog. relativ Unzüchtigen eigentümlich
ist und es von den begleitenden Umständen abhängt, ob
die Schrift oder Abbildung einen unzüchtigen Lharakter
hat oder nicht. Immer wird man aber daran festhalten
müssen, daß unzüchtig nur das sein kann, was das Scham-
und Sittlichkeitsgefühl jedes normal empfindenden Men-
schen verletzt, wie es einmal das Reichsgericht selbst aus-
gesprochen hat, am z. April 1909 („Juristische Wochen-
schrift" 29^). Dementsprechend ist es nicht nur zu billigen,
fondern mit Freude zu begrüßen, wenn die Rechtsprechung
gegen den wirklichen Schmutz in Schrift und Bild mit
Schärfe vorgegangen ist und dadurch z. B. dem verbreiten
der sog. „Aktphotographien nach dem Leben" ein Ende
bereitet hat. Und daß kein Geringerer als Hans Thoma
*) Aus einem in der „Königsberger Hartungschen
Zeitung" erschienenen Aufsatz mit gütiger Genehmigung
des Verfassers abgedruckt.
und eine Reihe anderer Künstler sich im Jahre t906 gegen
die Verfertiger dieser obszönen Photographien als gegen
Jugend- und Volksverderber mit Schärfe geäußert haben,
soll nicht vergessen werden, wir wollen, daß das Sitt-
lichkeitsgefühl der Jugend, zu dessen Schutz die Straf-
bestimmung des ß ^8^ StrGB. mit dienen soll, nicht ge-
fährdet wird, wir wollen aber auch des Wortes gedenken,
das Hans Thoma damals gesprochen hat, daß in der Kunst
das Nackte gerade von unverdorbenen Menschen mit einer
Art von heiliger Scheu angesehen und seine Schönheit
wohl empfunden wird. Auch nackte Menschen gibt ein
echtes Kunstwerk durch die Schönheit der Ausführung, durch
den Ernst der Darstellung, durch die Durchgeistigung des
Stoffes so wieder, daß kein normal gesitteter Mensch bei
dessen Anblick in seinem Sittlichkeitsgefühl verletzt werden
kann, daß er vielmehr lediglich Freude am Schönen emp-
findet. Ebensowenig sind getreue Kopien, die im Kunst-
handel gleichmäßig verbreitet werden, als unzüchtig dem
Tatbestands des tz zu unterstellen. Demgegenüber hat
das Reichsgericht ausgeführt, „daß Postkartenbilder, die auf
der Straße jedem zur Schau und zum Kauf angeboten
würden, schon mit Rücksicht auf diese Art der Verbreitung
den Lharakter des Unzüchtigen annehmen können, möge
auch das Kunstwerk im Museum oder in der Ausstellung
das Schamgefühl nicht verletzen". Diese Ansicht in ihrer
Allgemeinheit ist meines Erachtens viel zu weitgehend.
In Befolgung dieser Auffassung wird jetzt bei uns in
rigoroser weise gegen alle Ansichtskarten vorgegangen, so-
weit sie Abbildungen von Kunstwerken enthalten, die nackte
Menschen darstellen. Mit Rücksicht auf die erwähnte „rela-
tive Unzüchtigkeit" ist es bedenkenfrei, einen Händler, der
vor einer Schule oder auf einem Jugendsxielxlatz Ansichts-
karten nur mit Darstellungen nackter Menschen verbreitet,
Die Werkstatt der Kunst.
ermäßigte Jahreskarte zu ^.50 Mk.:
Gurlitts Kunstsalon, Berlin W 35, Potsdamer Str. ^3
(Eintritt 50 pfg. statt 1 Mk.),
Se cessio ns-Kunstausstellungen, Berlin VV ^5, Kurfürsten-
damm 208/209 (Dauerkarte zu 2 Mk.).
Der Vorstand r
I. A.: Helens Qobeäan, Schriftführerin.
Ver kunä äeutscher unä östei'l'ejchischel' ttünMerinnen-
Vereine
wurde auf Anregung des Münchener Künstlerinnenvereins,
gelegentlich dessen 25jährigen Jubiläums (November ^907)
und auf die Einladung des Vereins der Künstlerinnen und
Kunstfreundinnen zu Berlin im Heim des letzteren im
Juni l908 gegründet. Er ist somit auf Anregung der
beiden ältesten und größten Korporationen künstlerisch
arbeitender Frauen entstanden und stellt die erste allgemeine
Organisation der deutschen Künstlerinnen dar.
Der Zweck des Bundes ist die berufliche Förderung
der Künstlerinnen und die Vertretung ihrer ideellen und
materiellen Interessen, unter denen eine der wichtigsten
die Erreichung der Gleichberechtigung, d. h. der ordentlichen
Mitgliedschaft in allen jenen Künstlerkorporationen ist,
welche diese bis jetzt den Künstlerinnen nicht zugestanden
haben, und in denen sie deshalb von dem Einfluß auf
Vorstand- und Iurywahl ausgeschlossen sind. Die erste
praktische Aufgabe des Bundes bestand in der gegenseitigen
Annäherung der vorher nahezu ohne jede Fühlung stehen-
den Künstlerinnenvereine. Er vermittelte dadurch einen
Ueberblick über die Künstlerinnenschaft. Gerade Künstle-
rinnen, die mit vollem Einsatz ihrer Persönlichkeit arbeiten
müssen, sind wenig zu Vereinsarbeit geneigt. Lange Be-
mühungen waren notwendig, Gemeinsinn und Standes-
bewußtsein zu wecken. Dieser Pionierarbeit hat der Bund
sich unterzogen.
Zur Mitwirkung bei dem Streben nach den als wün-
schenswert erkannten Zielen erscheinen die bodenständigen
Vereine zunächst berufen. Sie kennen die lokalen Kunst-
verhältnisse und haben die Möglichkeit, entsprechenden
Einfluß in ihrem Wirkungskreise zu üben. Die Bundes-
vereine sind grundsätzlich bestrebt, nur ernstes künstlerisches
Arbeiten zu fördern, wollen die im Kunstberuf stehenden
Frauen volle Anerkennung ihrer Arbeit in der Oeffentlich-
kert, so müssen sie dem gefährlich anfchwellenden Dilettan-
tismus in der Kunst durch gemeinsames Bemühen überall
energisch entgegenarbeiten.
Die Bestrebungen des Bundes haben neben ideellen
schon manche praktische Erfolge gezeitigt in bezug auf
Wahl und Betätigung von Künstlerinnen in Vorstand,
Jury und in künstlerischen und wirtschaftlichenKommissionen.
Der Organisation der wirtschaftlichen verbände, welche die
gesamte Künstlerschaft zurzeit beschäftigt, brachte der Bund
von Anfang an werktätiges Interesse entgegen. Nicht zu
vergessen ist, daß die Bundesvereine sich zur Aufgabe
machen, ihren Mitgliedern bei gegenseitiger gastlicher Auf-
nahme mit beruflichen Auskünften und mit Rat beizu-
stehen.
Durch die nunmehr erfolgte gerichtliche Eintragung
in das Vereinsregister (Amtsgericht München) noch mehr
gefestigt, wird der Bund fein wirken im Interesse der
Künstlerinnen fortsetzen, durch das er sich eine bereits an-
erkannte Position erworben hat.
Redaktioneller Teil.
Etwas von cler Kunst in preulZen*)
von Karl Kanzow, M. d. A.
wie hat die Rechtsprechung neuerdings die Inter-
essen der Kunst und der Künstler geschädigt durch die An-
wendung des tz 48H, I des Strafgesetzbuchs, der das ver-
breiten unzüchtiger Schriften oder Abbildungen
unter Strafe stellt? Ls ist zwar zutreffend, daß nicht nur
die gröbliche, sondern daß jede Verletzung des Scham-
und Sittlichkeitsgefühls in geschlechtlicher Beziehung den
objektiven Tatbestand erfüllt, und daß subjektiv der Täter
nur das Bewußtsein davon haben muß. Ls ist ferner
richtig, wenn das Reichsgericht hervorgehoben hat, daß nur
der objektive Inhalt einer Schrift oder Abbildung über
deren unzüchtigen Lharakter entscheidet, nicht aber die rein
subjektive Auffassung, die den Verfertiger oder Verbreiter
beherrscht oder die vom Beschauer herangebracht wird. Zu-
zugeben ist auch, daß der angeführten Strafbestimmung
der Begriff des sog. relativ Unzüchtigen eigentümlich
ist und es von den begleitenden Umständen abhängt, ob
die Schrift oder Abbildung einen unzüchtigen Lharakter
hat oder nicht. Immer wird man aber daran festhalten
müssen, daß unzüchtig nur das sein kann, was das Scham-
und Sittlichkeitsgefühl jedes normal empfindenden Men-
schen verletzt, wie es einmal das Reichsgericht selbst aus-
gesprochen hat, am z. April 1909 („Juristische Wochen-
schrift" 29^). Dementsprechend ist es nicht nur zu billigen,
fondern mit Freude zu begrüßen, wenn die Rechtsprechung
gegen den wirklichen Schmutz in Schrift und Bild mit
Schärfe vorgegangen ist und dadurch z. B. dem verbreiten
der sog. „Aktphotographien nach dem Leben" ein Ende
bereitet hat. Und daß kein Geringerer als Hans Thoma
*) Aus einem in der „Königsberger Hartungschen
Zeitung" erschienenen Aufsatz mit gütiger Genehmigung
des Verfassers abgedruckt.
und eine Reihe anderer Künstler sich im Jahre t906 gegen
die Verfertiger dieser obszönen Photographien als gegen
Jugend- und Volksverderber mit Schärfe geäußert haben,
soll nicht vergessen werden, wir wollen, daß das Sitt-
lichkeitsgefühl der Jugend, zu dessen Schutz die Straf-
bestimmung des ß ^8^ StrGB. mit dienen soll, nicht ge-
fährdet wird, wir wollen aber auch des Wortes gedenken,
das Hans Thoma damals gesprochen hat, daß in der Kunst
das Nackte gerade von unverdorbenen Menschen mit einer
Art von heiliger Scheu angesehen und seine Schönheit
wohl empfunden wird. Auch nackte Menschen gibt ein
echtes Kunstwerk durch die Schönheit der Ausführung, durch
den Ernst der Darstellung, durch die Durchgeistigung des
Stoffes so wieder, daß kein normal gesitteter Mensch bei
dessen Anblick in seinem Sittlichkeitsgefühl verletzt werden
kann, daß er vielmehr lediglich Freude am Schönen emp-
findet. Ebensowenig sind getreue Kopien, die im Kunst-
handel gleichmäßig verbreitet werden, als unzüchtig dem
Tatbestands des tz zu unterstellen. Demgegenüber hat
das Reichsgericht ausgeführt, „daß Postkartenbilder, die auf
der Straße jedem zur Schau und zum Kauf angeboten
würden, schon mit Rücksicht auf diese Art der Verbreitung
den Lharakter des Unzüchtigen annehmen können, möge
auch das Kunstwerk im Museum oder in der Ausstellung
das Schamgefühl nicht verletzen". Diese Ansicht in ihrer
Allgemeinheit ist meines Erachtens viel zu weitgehend.
In Befolgung dieser Auffassung wird jetzt bei uns in
rigoroser weise gegen alle Ansichtskarten vorgegangen, so-
weit sie Abbildungen von Kunstwerken enthalten, die nackte
Menschen darstellen. Mit Rücksicht auf die erwähnte „rela-
tive Unzüchtigkeit" ist es bedenkenfrei, einen Händler, der
vor einer Schule oder auf einem Jugendsxielxlatz Ansichts-
karten nur mit Darstellungen nackter Menschen verbreitet,