Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 13.1913/1914
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Redaktioneller Teil
DOI article:Rosenhagen, Hans: Kunstsnobismus
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^00
Die Werkstatt der Kunst.
xm, Heft 8.
stand dadurch trifft, daß gutes deutsches Geld für ab-
solut wertlose Dinge ins Ausland wandert. Ist es
nicht eine Schande für alle die, die es angeht, daß
ein sehr bekannter Pariser Kunsthändler auf die Frage,
wer ihm denn die miserablen Eozannes abkaufe, die
er in seinem Laden hängen habe, lächelnd antworten
konnte: „O, die nehmen alle die Deutschen!"
Die sinnlose Anbetung der französischen Kunst,
die gegenwärtig in Deutschland herrscht, wird und
muß sich eines Tages bitter rächen, nicht allein an
den Museumsdirektoren, die man der leichtfertigen
Verwendung der ihnen anvertrauten Gelder bezich-
tigen wird, sondern auch an den privaten Sammlern,
die ihr Kapital gut angelegt zu haben glauben, wenn
sie anstatt guter deutscher Bilder Werke von den jetzt
am meisten genannten französischen Malern kaufen
und dabei größeren Wert auf die Namen als auf die
Qualität legen. Oie Franzosen werden sich hüten,
Bilder zurückzunehmen, die um glänzende Preise los-
geworden zu sein sie froh sind, und in Deutschland
wird man hoffentlich nicht mehr lange zögern, ge-
malten Schund Schund zu nennen, auch wenn er aus
Frankreich stammt und der Name eines der von den
Snobs jetzt so hoch gerühmten Künstler darauf steht.
Mögen die Betroffenen später nur darüber klagen,
daß chauvinistische Treibereien ihren Besitz entwertet
haben. Besser, daß man den Deutschen vorwirft,
sie seien plötzlich von einem nationalen Dünkel er-
faßt worden, als daß man von ihnen sagen kann,
ihre Kunst sei vollkommen auf den Hund gekommen,
und darum seien sie dankbar, wenn die Franzosen
ihnen Bilder abließen, die sie selbst nicht mögen. Wollte
der Himmel, daß das nationale Selbstbewußtsein der
Franzosen den Deutschen ebenso vorbildlich und nach-
ahmungswürdig erschiene wie jede tolle Laune der
„Fauves", der Maler, über die man in Paris lacht
und die man in Deutschland für die wahren Träger
der modernen Kunstkultur zu halten scheint.
Oie Erfahrung lehrt, daß alle fratzenhaften Er-
zeugnisse der europäischen Malerei immer nur ein
kurzes Dasein geführt haben. Man würde sie sonst
sicherlich in öffentlichen und privaten Sammlungen
häufiger finden. Am Ende hat sich der gute Geschmack
nämlich stets vom verzerrten, Unwahren, innerlich
und äußerlich Armen in der Kunst abgewendet. Man
erinnere sich nur, wie schnell die Bandwürmer und
Lilien des sogenannten Jugendstils in der Versenkung
verschwunden sind! Oer Schluß auf die traurige
Snobkunst, die heut in den Ausstellungen herrscht
und hier und da schon für museumsreif erklärt wird,
liegt nahe. Damit soll nicht der Stab über die Be-
wegung in der neueren Malerei gebrochen werden.
Sie ist an und für sich durchaus zu verteidigen, nur
fehlen einstweilen die alle Bedenken niederschlagen-
den, überwältigenden Resultate, und ehe die nicht
da sind, hat nicht nur die Kritik zuzuwarten, auch
die Museen dürfen sich nicht engagieren. Denn sie
werden und wurden nicht ins Leben gerufen, um den
Künstlern das Experimentieren zu erleichtern, sondern
um das Beste, das die Besten von ihnen geschaffen,
zu sammeln und auf diese weise in die Zukunft zu
wirken. Und für deutsche Museumsdirektoren, wenig-
stens für die der Provinzialmuseen, sollten bei Er-
werbungen an erster Stelle die Werke deutscher Künstler
in Betracht kommen. Oie deutsche Kunst ist längst
nicht so arm an Meisterschöpfungen, wie die Snobs
und die Verehrer der Franzosen das gebildete Pu-
blikum glauben machen möchten. Man braucht nicht
an nationaler Befangenheit zu leiden, um Künstler
wie Menzel und Leibl, Uhde und Liebermann,
Trübner und Böcklin über so problematische Erschei-
nungen wie Lszanne, van Gogh, Gauguin und Ma-
tisse zu stellen. Es ist ein einfaches Gebot der Ver-
nunft, die eigene Art, die auf heimischem Boden ge-
wachsene Kunst hochzuhalten, schon damit die Fremden
sie nicht gering achten.
verschiedene Anzeichen deuten übrigens darauf
hin, daß die Greco-Periode, die durch Vermittlung
Lozannes eine so unheilvolle Verwirrung in der
deutschen Kunst angerichtet, ihrem Ende entgegen-
geht. So wird von italienischen Kunsthändlern eine
lebhafte Nachfrage aus Deutschland nach Bildern
Alessandro Magnascos, des begabten Schülers von
Abbiati, bemerkt. Ohne Frage steht sie mit irgend-
welchen Überraschungen auf dem Kunstmarkte in Zu-
sammenhang. Offenbar soll wieder ein neuer alter
Meister lanciert werden, und vermutlich arbeitet bereits
ein geeigneter Kunsthistoriker an der Heiligsprechung des
fingerfertigen Barockmalers, damit für dessen Bilder
Preise erzielt werden können, die niemals vorher
dafür gezahlt worden sind. Gegen Magnasco an
sich ist vielleicht nichts zu sagen. Er ist ein brillanter,
allerdings ziemlich oberflächlicher und manierierter
Maler, aber er gehört in keiner Weise zu den Großen,
und darum mögen die Leichtentflammten vorsichtiger
sein, als sie es im Falle Greco waren. Daß er Einfluß
auf die Weiterentwicklung der modernen Malerei aus-
üben wird, ist kaum anzunehmen. Und täte er's,
so wär's kein Schaden; denn über kurz oder lang
wird ja ohnehin das Bild mit Inhalt und Handlung
wieder an der Tagesordnung sein. Auf der andern
Seite fehlen dem temperamentvollen Italiener frei-
lich in etwas die Anomalitäten, die Greco für die
Snobs und ihre Jünger unter den Malern so an-
ziehend machten. Oder sollten die Snobs für die
deutsche Kunst bereits erledigt sein? Ein Glück wär's,
und man würde den Managers des seligen Mag-
nasco danken müssen, wenn sie es zustande brächten,
daß die jungen deutschen Maler aufhörten, jedem
Winke der Leute zu folgen, die jeden Tag ihre Kunst-
überzeugungen wechseln und weder von Natur noch
von Wahrheit, also von keiner ursprünglichen Schön-
heit, etwas wissen wollen.
vertun gslckau
Das „Berliner Tageblatt" schreibt:
„Mehr Ohrfeigen, weniger Aüffe!" Unser römi-
scher Korrespondent schreibt uns: Er lebt, er ist da, es
Die Werkstatt der Kunst.
xm, Heft 8.
stand dadurch trifft, daß gutes deutsches Geld für ab-
solut wertlose Dinge ins Ausland wandert. Ist es
nicht eine Schande für alle die, die es angeht, daß
ein sehr bekannter Pariser Kunsthändler auf die Frage,
wer ihm denn die miserablen Eozannes abkaufe, die
er in seinem Laden hängen habe, lächelnd antworten
konnte: „O, die nehmen alle die Deutschen!"
Die sinnlose Anbetung der französischen Kunst,
die gegenwärtig in Deutschland herrscht, wird und
muß sich eines Tages bitter rächen, nicht allein an
den Museumsdirektoren, die man der leichtfertigen
Verwendung der ihnen anvertrauten Gelder bezich-
tigen wird, sondern auch an den privaten Sammlern,
die ihr Kapital gut angelegt zu haben glauben, wenn
sie anstatt guter deutscher Bilder Werke von den jetzt
am meisten genannten französischen Malern kaufen
und dabei größeren Wert auf die Namen als auf die
Qualität legen. Oie Franzosen werden sich hüten,
Bilder zurückzunehmen, die um glänzende Preise los-
geworden zu sein sie froh sind, und in Deutschland
wird man hoffentlich nicht mehr lange zögern, ge-
malten Schund Schund zu nennen, auch wenn er aus
Frankreich stammt und der Name eines der von den
Snobs jetzt so hoch gerühmten Künstler darauf steht.
Mögen die Betroffenen später nur darüber klagen,
daß chauvinistische Treibereien ihren Besitz entwertet
haben. Besser, daß man den Deutschen vorwirft,
sie seien plötzlich von einem nationalen Dünkel er-
faßt worden, als daß man von ihnen sagen kann,
ihre Kunst sei vollkommen auf den Hund gekommen,
und darum seien sie dankbar, wenn die Franzosen
ihnen Bilder abließen, die sie selbst nicht mögen. Wollte
der Himmel, daß das nationale Selbstbewußtsein der
Franzosen den Deutschen ebenso vorbildlich und nach-
ahmungswürdig erschiene wie jede tolle Laune der
„Fauves", der Maler, über die man in Paris lacht
und die man in Deutschland für die wahren Träger
der modernen Kunstkultur zu halten scheint.
Oie Erfahrung lehrt, daß alle fratzenhaften Er-
zeugnisse der europäischen Malerei immer nur ein
kurzes Dasein geführt haben. Man würde sie sonst
sicherlich in öffentlichen und privaten Sammlungen
häufiger finden. Am Ende hat sich der gute Geschmack
nämlich stets vom verzerrten, Unwahren, innerlich
und äußerlich Armen in der Kunst abgewendet. Man
erinnere sich nur, wie schnell die Bandwürmer und
Lilien des sogenannten Jugendstils in der Versenkung
verschwunden sind! Oer Schluß auf die traurige
Snobkunst, die heut in den Ausstellungen herrscht
und hier und da schon für museumsreif erklärt wird,
liegt nahe. Damit soll nicht der Stab über die Be-
wegung in der neueren Malerei gebrochen werden.
Sie ist an und für sich durchaus zu verteidigen, nur
fehlen einstweilen die alle Bedenken niederschlagen-
den, überwältigenden Resultate, und ehe die nicht
da sind, hat nicht nur die Kritik zuzuwarten, auch
die Museen dürfen sich nicht engagieren. Denn sie
werden und wurden nicht ins Leben gerufen, um den
Künstlern das Experimentieren zu erleichtern, sondern
um das Beste, das die Besten von ihnen geschaffen,
zu sammeln und auf diese weise in die Zukunft zu
wirken. Und für deutsche Museumsdirektoren, wenig-
stens für die der Provinzialmuseen, sollten bei Er-
werbungen an erster Stelle die Werke deutscher Künstler
in Betracht kommen. Oie deutsche Kunst ist längst
nicht so arm an Meisterschöpfungen, wie die Snobs
und die Verehrer der Franzosen das gebildete Pu-
blikum glauben machen möchten. Man braucht nicht
an nationaler Befangenheit zu leiden, um Künstler
wie Menzel und Leibl, Uhde und Liebermann,
Trübner und Böcklin über so problematische Erschei-
nungen wie Lszanne, van Gogh, Gauguin und Ma-
tisse zu stellen. Es ist ein einfaches Gebot der Ver-
nunft, die eigene Art, die auf heimischem Boden ge-
wachsene Kunst hochzuhalten, schon damit die Fremden
sie nicht gering achten.
verschiedene Anzeichen deuten übrigens darauf
hin, daß die Greco-Periode, die durch Vermittlung
Lozannes eine so unheilvolle Verwirrung in der
deutschen Kunst angerichtet, ihrem Ende entgegen-
geht. So wird von italienischen Kunsthändlern eine
lebhafte Nachfrage aus Deutschland nach Bildern
Alessandro Magnascos, des begabten Schülers von
Abbiati, bemerkt. Ohne Frage steht sie mit irgend-
welchen Überraschungen auf dem Kunstmarkte in Zu-
sammenhang. Offenbar soll wieder ein neuer alter
Meister lanciert werden, und vermutlich arbeitet bereits
ein geeigneter Kunsthistoriker an der Heiligsprechung des
fingerfertigen Barockmalers, damit für dessen Bilder
Preise erzielt werden können, die niemals vorher
dafür gezahlt worden sind. Gegen Magnasco an
sich ist vielleicht nichts zu sagen. Er ist ein brillanter,
allerdings ziemlich oberflächlicher und manierierter
Maler, aber er gehört in keiner Weise zu den Großen,
und darum mögen die Leichtentflammten vorsichtiger
sein, als sie es im Falle Greco waren. Daß er Einfluß
auf die Weiterentwicklung der modernen Malerei aus-
üben wird, ist kaum anzunehmen. Und täte er's,
so wär's kein Schaden; denn über kurz oder lang
wird ja ohnehin das Bild mit Inhalt und Handlung
wieder an der Tagesordnung sein. Auf der andern
Seite fehlen dem temperamentvollen Italiener frei-
lich in etwas die Anomalitäten, die Greco für die
Snobs und ihre Jünger unter den Malern so an-
ziehend machten. Oder sollten die Snobs für die
deutsche Kunst bereits erledigt sein? Ein Glück wär's,
und man würde den Managers des seligen Mag-
nasco danken müssen, wenn sie es zustande brächten,
daß die jungen deutschen Maler aufhörten, jedem
Winke der Leute zu folgen, die jeden Tag ihre Kunst-
überzeugungen wechseln und weder von Natur noch
von Wahrheit, also von keiner ursprünglichen Schön-
heit, etwas wissen wollen.
vertun gslckau
Das „Berliner Tageblatt" schreibt:
„Mehr Ohrfeigen, weniger Aüffe!" Unser römi-
scher Korrespondent schreibt uns: Er lebt, er ist da, es