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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 13.1913/​1914

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XIII, Heft I.

Die Werkstatt der Kunst.

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Kunst ist immer eine Kunst zweiten Ranges, eine geringere
Kunst und jede auswärtige bedeutsamer und höher, denn
ein ausländischer Name klingt eben leider dem Deutschen
immer viel eleganter und vornehmer als die guten deut-
schen Lehmann, Schmidt oder Schulze. Das muß um jeden
Preis verhütet werden.
wie kann und wie soll das geschehen? Ls entstehen
mit dem Wachstum unserer Städte immer neue Museen.
Jede mittlere Stadt bemüht sich heute, ein Museum zu
schaffen, und mit vollem Recht. Gerade sür kleinere
Städte, die sonst mit der Kunst gar keine unmittelbare
Berührung haben, ist eine solche Führung zur Kunst durch
ein wenn auch bescheidenes Museum sehr wünschenswert
und sür die Kulturbildung sehr wichtig. Größere Museen,
wie die in Berlin, Dresden, München, Museen in Kunst-
städten, die Rücksichten zu nehmen haben aus die Künstler,
folgen in ihrer Organisation naturgemäß anderen Zielen,
sie stehen nicht allein im Dienste des Publikums. Wohl aber
diese kleineren und mittleren Museen unserer Provinzial-
städte, sie wenden sich ausschließlich an ein Laienpublikum,
und zwar an ein Laienpublikum nicht im Sinne von
Kennern, Sammlern und Liebhabern, sondern von schlichten
Leuten der verschiedensten Bildungsstufen, die sich in diesen
Sälen eine eigenartige Sonntags- und Seelensreude holen
wollen, etwas finden wollen wie eine Art Andacht, nicht im
geschloffenen Raum der Kirchen, sondern angesichts der vom
Menschen nachgebildeten Natur. Aber ein Museum in 9c oder
P ist nicht dazu da, eine Entwicklungsgeschichte moderner
Kunst zu geben. Lin solcher Unterricht kann ja auch
gar nicht mit irgendeinem kleinen Bildchen durchgeführt
werden. Wenn man in einem kleineren Museum einen
Franzosen hat, so kann man an dem nicht die Ent-
wicklungsgeschichte der französischen Kunst demonstrieren,
das sollte selbstverständlich sein. Ls handelt sich viel-
mehr sür die kleineren Museen darum, dem Publikum
gute Bilder zu schaffen, die auch gefallen, an denen es
Genuß finden kann. Und der Museumsdirektor muß ein
Menschenkenner sein, er muß sich sagen: Pier habe ich
Leute vor mir, denen es ganz gleichgültig ist und ganz
gleichgültig sein muß, wer van Gogh, wer Renoir war,
das geht die Leute gar nichts an; die Leute suchen im
Museum etwas anderes, ich muß ihnen Bilder vorführen, die
ihnen durch ihren Gegenstand oder durch ihre seelische Stim-
mung Freude machen. Aber in meinem Gewissen als Kunst-
kenner muß ich mir sagen können: Diese Freude des Beschauers
ist zugleich eine berechtigte, weil neben dem Inhalt
des Bildes sein künstlerischer Wert so bedeutsam
ist, daß hier eben ein fertiges Kunstwerk nach der Seite
des reinen Könnens und nach der Seite des Gedankens
vorhanden ist. Wir denken gar nicht so weit wie Englands
größter Kunstphilosoxh John Ruskin, der von jedem Bilde,
das Kunstbedeutung haben soll, einen sog. moralischen In-
halt verlangt. Das ist die Uebertreibung eines Philo-
sophen. Wir verlanqen nur, daß da? Bild uns, unserer
Seele, unserem Gemüte etwas Erfrischendes und Beleben-
des bietet, daß wir nicht bloß vorbeigehen und denken:
Das mag ja sehr geschickt gemacht sein, aber wir verstehen
das nicht, wir wissen nicht, was die Leinewand sagt, wir
gehen daran vorbei. In einem Museum soll auch nicht
der schlichteste Mann an einem Bilde kühl vorbeigehen.
Das gilt sür kleinere Museen!
Wenn man dieses Ziel verfolgt, wird natürlich die
deutsche Malerei zunächst zu berücksichtigen sein, weil in
ihr Stil und Eharakter des deutschen Malers eben jeden
Deutschen als Deutschen ansieht, selbst wenn der deutsche
Maler sich selbst darüber täuscht, wenn er auch sagt: Mich
interessiert nur das Ganze. In jedem Pinselstrich steckt,
ohne daß der Maler selbst es fühlt, ein Stück feiner Seele.
Wir müssen also zur Hebung der deutschen Kunst zu-
nächst beanspruchen, daß unsere Museumsdirektoren mit
dem jetzigen System, dessen Ursache größtenteils die per-
sönliche Eitelkeit ist, gebrochen wird. Ls hat für kleinere
Museen absolut keinen Sinn, sondern es ist als grober
Unfug zu bezeichnen, wenn man da für 20 oder so000 Mk.

ein kleines Bild irgendeines meinetwegen noch so berühmten
Franzosen kaust, das unbeachtet von diesem Publikum dort
hängen bleibt oder überhaupt erst angesehen wird, wenn
der Herr Direktor das Publikum zusammenklingeln läßt
und nun einen großen Vortrag über das Meisterwerk hält,
das er so glücklich war zu ergattern. Ein Direktor,
ein großer, hat angefangen, Herr v. Tschudi in Berlin,
da wollen sie alle Tfchudis im Kleinen sein. Der hat ein
Bild gekauft, dieser hat ein Bild gekauft, jetzt muß ich
auch eins haben. Ich habe es billiger bekommen, ich war
der Schlauere, kurz und gut, die Herren Museumsdirektoren
sind darauf gekommen, schließlich ihre Museen gar nicht
als Museen für ihr Publikum anzusehen, sondern als einen
Tummelplatz ihres eignen Ehrgeizes, ihrer eignen gegen-
seitigen Eifersüchteleien oder ihrer gegenseitigen Kompli-
mente. Aber die deutsche Kunst ist nicht dazu da, sich um
deswillen in die Ecke drücken zu lassen.
Ein anderes Mittel haben die deutschen Künstler,
wenn sie wollen. Sie haben ja dazu einen Ansatz gemacht.
Die deutschen Künstler sind jetzt auf dem Wege, nach einer
Richtung ihre Streitigkeiten und ihre Richtungskämpfe bei-
feite zu lassen und einen großen verband zur Wahrung
ihrer wirtschaftlichen Interessen zu schaffen. Sie haben
eingesehen, daß es ja recht schön ist, von Idealen zu leben,
daß man aber, wenn man von Idealen leben soll, schließ-
lich dabei verhungert. Sie haben es in unserem Zeitalter
durchaus zweckmäßig gefunden, wie so viele andere Stände
und Berufsklassen eine Einigung nach der wirtschaft-
lichen Seite anzubahnen und durch einen Syndikus oder
dgl. für den geeignete,: Vertrieb ihrer Werke zu sorgen.
An diese gesunde wirtschaftliche Bewegung soll und kann
sich eine andere anschließen, in der die Künstler überhaupt
auch ihr ideales Recht als deutsche Künstler vor der Oeffent-
lichkeit zur Gelrung bringen. Die Künstler sprechen nie.
Das ist nicht richtig. Heutzutage muß jeder den Mund
auftun und sich rühren, der ein wichtiges Lebensinteresse
in dem großen Menschengedränge unserer Tage zu vertreten
hat. Die deutschen Künstler haben die Aufgabe, sich
in ihiem eigenen Interesse mehr zu rühren als früher.
Aber das deutsche Publikum hat auch endlich einmal eine
Aufgabe zu erfüllen und zu sagen: Geradeso wie wir stolz
sind auf das Wachstum unserer Industrie, auf die Blüte
und die internationale Verbreitung unseres Pandels, ge-
radeso müssen wir stolz werden auf öie Blüte unserer Kunst.
Das ist der weg, wie die deutsche Kunst, von den Deut-
schen hochgehalten und hochgehoben, als deutsche Kunst im
Auslande Achtung erringt und auf diesem Wege international
wird. Das ist der richtige weg einer internationalen Kunst,
wie ich sie verstehe.
Das deutsche Publikum und die deutschen Zeitungen
namentlich bemühen sich heute, Fremdwörter aus der deut-
schen Sprache auszutilgen; alle möglichen Vorschriften, gute
und schlechte, praktische und unpraktische werden gemacht,
und das mit Recht, um uns zum Bewußtsein zu bringen,
daß wir eine starke große Nation sind, die inmitten aller
anderen europäischen Nationen berufen ist, eine große Rolle
zu spielen. Und dazu ist, wie jede deutsche Arbeit^ auch
die auf dem Gebiete der deutschen Kunst berufen, wir
haben die Pflicht, wenn wir überhaupt das Deutschtum
fördern wollen, vor allem auch die deutsche Kunst zu
fördern.
Gerkarctl-^eier m Rom
Neber den Verlauf der schon in Nr. H6 der „W. d. K."
erwähnten Feier des neunzigsten Geburtstages des
Professors Gerhardt in Rom erhalten wir von einem
Festteilnehmer noch einige Mitteilungen, die sür die vielen
Freunde und Verehrer des Altmeisters gewiß von Interesse
sein werden.
Als würdige Stätte für die Feier hatte man das kleine
Sommerheim gewählt, das sich der Künstler in der Nähe
von Glevano am Fuß der Serpentara, des von Erinne-
rungen geweihten deutschen Eichenhains, geschaffen hat.
 
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