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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 13.1913/​1914

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XIII, Heft §6.

Die Werkstatt der Kunst.

589

Wir wollen unsere Kultur auf das Heute gründen
und nicht auf das Gestern, wenn wir uns erst
durchgehaut haben durch ein Netz von verrat und
Ränken, wie keins je gesponnen wurde, seit die
Welt steht. Ls soll keiner mehr sagen dürfen, daß
es eine deutsche Kunst nicht geben kann, ohne daß
ihm die anständigen Leute gründlich übers Rlaul
fahren. Ich sage die „Anständigen", nicht bloß
die vernünftigen! Denn wohlgemerkt: Diese ganze
Frage der Französelei und Ausländerci überhaupt
ist eine sittliche und keine ästhetische! Der schmäh-
liche Nest von Bediententum, der noch in unserer
Nation steckt von früher her und sich zeigt in dem
läppischen Wohlgefallen an allem fremdländischen
Wesen, der ist's, der im Verein mit skrupelloser
Habgier an allen jenen Wirrungen schuld ist. Ganz
besonders, was die Kunstschreiberei angeht. Die
Vorzüge der wenigen Künstler, die wirklich was
wert sind, unter den „großen Franzosen" der letzten
Rlode sind so absolut artistischer Art und für den
Laien so schwer zugänglich, daß der Unterrichtete
alle die feuilletonistischen Verzuckungen derer, die
modern schreiben wollten um jeden Preis, doch
wohl nur mit Rkitleid ansehen konnte. Ulan durfte
ihnen jahrelang alles vorsetzen — wenn es von
gewisser Seite abgestempelt war, so war's ihre
Offenbarung. Line gewisse Sorte „deutscher Frauen"
siel seit Jahren prompt herein auf jede ausgefallene
Ulodenarrheit, die pariser Fabrikanten in unver-
schämtem Geschäftssinn auf den Ularkt brachten,
Sachen, die keine geschmackvolle Pariserin je ge-
tragen hatte, nur drüben vielleicht die Dirnen und
bei uns die Lmporkömmlerinnen, die „mondän" sein
wollten. Und so fielen Aestheten und solche, die es
sein wollten, Museumsleiter, ein Teil der Kunst-
händler und ein Teil -er zahlungsfähigen Parve-
nüs auf alle ^rticles 6e ?ari8 herein, auf den
Atelierkehricht der guten Maler, den diese nie als
ihr Werk anerkannt haben würden, wie auf die
Fabrikate der Schwindler, die lachend auf die deutsche
Urteilslosigkeit spekulierten. Das wird anders werden.
Die Leute, die jetzt wissen, daß sie für schweres
Geld wertlose Schwarten an ihre wände gehängt
haben, sind gestraft genug!
Als in diesen, trotz aller Not so herrlichen
Sturmtagen unser deutsches Nationalgefühl wie
ein Vulkan aufflammte angesichts der Niedertracht
unserer verbündeten Feinde, da besann man sich
plötzlich überall darauf, welche Schmach die Vor-
liebe fürs Ausland der ganzen Nation bedeutete.
Die Buchstaben der französischen und englischen
Firmenschilder prasselten aufs Pflaster nieder. Jeder
fühlte, daß es eine Schande sei, unter solcher Flagge
Geschäfte machen zu wollen. Ls war aber nicht
erst seit der Kriegserklärung eine Schande, es war
immer eine Schande gewesen. Spät genug sah
man's ein!
So muß es auch werden in der Kunst, auf
allen Gebieten der Kultur! weg mit den auslän-

dischen Etiketten! Und vor allem weg mit der Ver-
logenheit und mit der Phrase in künstlerischen
Dingen! In dieser Zeit der ungeheuerlichsten Lügen
und verrätereien ist der Lhrenschild deutscher Wahr-
haftigkeit blank geblieben. Sie soll auch fürder
unser kostbarster Schatz sein und bleiben, in der
Kunst, wie im ganzen Leben der Nation, was
gut ist an fremder Kunst, wollen wir verstehen
lernen, nützen für uns und wollen ihm alle ver-
diente Lhre lassen. Aber nachäffen wollen wir's
nicht mehr, besonders wenn es unserem Wesen
fremd ist. Dafür wollen wir in diesen großen un-
ernsten Stunden der Selbsteinkehr ergründen, wie
dies, unser Wesen, wirklich aussieht. Und dann
wollen wir daraus eine deutsche Kunst machen,
wir, die Nation der Dürer, Holbein und Grüne-
wald, der Lrwin von Steinbach und Peter Vischer
und so vieler anderer, die groß waren im Lande,
ehe Französisch Trumpf war!
2eilung§sckau
In den „Münchener Neuesten Nachrichten"
lesen wir:
Vie bildenden Künstler und der Krieg.
Mitten in die Hochsaison der Kunstausstellungen hinein,
mitten in die Zeit, da der Künstler durch verkauf seiner
Arbeiten den Gewinn eines Jahres zu erhalten pflegt, hat
der Krieg jäh allen Hoffnungen auf eine gute Saison ein
Ende gemacht. Schon seit Jahren hat der Bilderabsatz
unter der wirtschaftlichen Depression gelitten. Dennoch
setzte die Saison in den Ausstellungen nicht schlecht ein;
ganz abgeschnitten aber war jeder verkauf mit dem Aus-
bruch des Krieges. Damit ist speziell den weniger gut-
situierten Künstlern für das heurige Jahr jeder Verdienst
verloren gegangen. In mancher Künstlerfamilie ist arge
Not eingezogen.
Die Münchener Künstler, soweit sie über größere Ein-
kommen verfügen, dann auch verschiedene Künstlerkorpo-
rationen, haben mit Freuden für das Rote Kreuz gespendet.
Nun ist die gesamte Münchener Künstlerschaft,
vertreten durch ihre Korporationen sowohl durch die künst-
lerischen wie wirtschaftlichen und charitativen, aber auch
darangegangen, um eine große Hilfsaktion für ihre
durch den Krieg in Not geratene Kollegen einzu-
leiten. Ls haben bereits Beratungen stattgefunden, und
verschiedene namhafte Summen wurden von den einzelnen
verbänden zur Verfügung gestellt. Auch hat sich ein
lverbeausschuß gebildet, der weitere Mittel zur Unter-
stützung aufbringen soll. Außerdem wurde eine Sammel-
stelle im Glaspalast eröffnet.
Die Selbsthilfe der Künstlerschaft ist hocherfreulich,
daneben aber fordert es das Ansehen Münchens als Kunst-
stadt, daß die Stadtvertretung und auch die Kunstfreunde
in diesen schweren Prüfungstagen der Kunst und ihrer
Vertreter, die für das Aufblühen Münchens so viel getan
haben, nicht ganz vergessen.
Die „Münchener Neuesten Nachrichten" berichten:
Der Bayerische Kunstgewerbe-Verein hat in
seiner Gesamtausschußsitzung vom ;z. August beschlossen,
dem Wohlfahrtsausschuß der Stadt München die zu Ehrun-
gen in Aussicht genommene Summe von 2000 Mark zur
Verfügung zu stellen. Gleichzeitig wurde beschlossen, einen
Betrag von weiteren 2000 Mark für den Ankauf von Roh-
materialien zu verwenden, die zu Bedarfsgegenständen für
den Frauenverein zum Roten Kreuz verarbeitet werden
sollen. Der Bayerische Kunstgewerbe-Verein stellt diesem
Unternehmen sein gesamtes Hallenpersonal und die Fest.
 
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