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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 13.1913/​1914

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Redaktioneller Teil
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XIII, Heft 3 s.

Die Werkstatt der Kunst.

^07

Redaktioneller Teil.
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Die „Tägliche Rundschau" teilt mit:
Kunst und Natur.
(Lin Mahnwort Rodins.)
Der greise Meister Rodin wird nicht müde, den jungen
Künstlern in immer neuer Form die Rückkehr zur Natur
zu predigen, die er als die letzte Wahrheit aller Erfahrung
seiner langen Künstlerlaufbahn betrachtet.
„Mein ganzes Leben war eine Art Studium," so sagt
er in einem Aufsatze in den „^.imales". „Mein Ziel war
niemals, Aufträge zu bekommen, sondern zu studieren:
dies erklärt, warum die Ausführung mancher Werke so
lange gedauert hat. was mich leitet, ist vor allem die
große Liebe zur Natur; man muß sie lieben und ständig
mit ihr leben. Sie ist in Wahrheit die große Stumme, die
endlich doch redet, einen begeistert und ihre Geheimnisse
ausliefert. Die Natur ist die einzige Wahrheit, die man
sehen lernen muß. Man kann es nicht, wenn man jung
ist, verschwendet man sich. Dann hat man im Kopf einen
Haufen von Phantasien, Träumen und fertigen Ideen.
Man sucht die Dinge im Kopf, man muß aber die Augen
aufmachen lernen. Das ist schwer. Ich selbst habe die
Hälfte meines Lebens damit verbracht, die Kunstgriffe zu
vergessen und mich von dem zu befreien, was man mich
gelehrt hatte." Dann geht Rodin darauf ein, wie ihm
das Zeichnen bei der Bildhauerei zustatten kommt: „Immer
und immer habe ich die Natur in ihrer Naivetät nach-
gebildet, und durch Uebertreibung der Bewegung erhalte
ich zuweilen eine Geschmeidigkeit, die sich der Wahrheit
nähert. Dies ist in einem Worte das, was die Alten
taten: die erweiterten die Natur. Die Griechen waren
reine Idealisten. Die Venus von Melos ist die Nach-
bildung eines weiblichen Körpers nach dem Leben. Man
mag sie Venus nennen oder wie man will, es ist ein wirk-
liches Weib, und darum ist sie schön. Die großen Künstler
des Altertums sahen die Natur mit einfältigen Augen an.
Sie sahen gut, die bildeten gut nach, und so wurde man
von ihren Werken bewegt: in ihnen ist eine Sekunde oder
eine Minute des veränderlichen Geheimnisses festgehalten."
weiter kommt Rodin auf die Schönheit des
menschlichen Körpers zu sprechen: „Seit den 50 Jahren,
in denen ich ihn studiere, entdecke ich täglich neue Seiten,
die ich noch nicht kannte. Meine Modelle enthüllen mir
häufig seine Schönheit, wenn sie ihre Pose aufgeben. Ich
ordne nie eine bestimmte Bewegung an, sondern sage dem
Modell: sei zornig, träume, bete, weine, tanze! An mir
liegt es dann, die Linie herauszugreifen und festzuhalten,
die ich für wahr halte. Ls ist mit diesen Stellungen und
Bewegungen wie mit den Wellen des Meeres; ihre Mannig-
faltigkeit ist unendlich, und die ganze Schönheit des Men-
schen ist in der Proteusfabel enthalten . . . Im Anfänge
meiner Laufbahn fragte ich jedes Modell nach den Werk-
stätten, in denen es Modell gestanden hatte, und wenn es
aus der Lcole kam, merkte ich es nur zu bald; sobald es
auf den Tisch gestiegen war, nahm das Modell eine der
Bewegungen an, die sie dort lernen, und immer waren
diese Bewegungen falsch. Soll man sich darüber wundern?
Was lehrt man denn dort? Die Komposition, eine Theater-
wissenschaft, die Wissenschaft der Lüge. Man muß auf
die Natur hören; sie ist die ewige Wissenschaft und die

unerschöpfliche Euelle, durch sie können wir die Wahrheit
kennen lernen, durch sie unser erworbenes Gut unaufhör-
lich bereichern. Sich auf die Phantasie zu verlassen heißt,
seine Ohnmacht eingestehen, was ist denn die Phantasie
anders als die Fähigkeit, Erinnerungen zusammenzustellen?
Unsere Erinnerungen aber sind beschränkt und die Phantasie
hat ihre Grenzen, während die unendliche Natur unauf-
hörlich einen unerschöpflichen Vorrat bereithält, dessen un-
endliche Fülle der Eindrücke uns anzieht."
Im „Berliner Tageblatt" lesen wir:
Das neue bayerische Zünfmarkstück. Unsere
deutschen Geldmünzen, da hilft aller Patriotismus nichts,
sind künstlerisch ziemlich schwer zu ertragen, und das
Schicksal handelt nur rücksichtsvoll, wenn es gerade die
ästhetisch besonders empfindlichen Bürger dieses Landes
nicht zu sehr mit dieser Ware belästigt. Die Münzen der
Antike sind oft ganz hervorragende kleine Kunstwerke, und
solch ein geprägtes Goldscheibchen enthält in nuce die
ganze Kunst seiner Zeit, wenn man von unsern deutschen
Geldstücken einen Rückschluß auf die Herrlichkeit unserer
Kunst machen wollte — von dem Stande unseres Kunst-
gewerbes, von dem darin überall waltenden Stilgefühl
verraten sie jedenfalls nichts. Unsere neuesten Münzen
mit dem uniformierten Brustbild des Kaisers zeigen einen
Tiefstand der Medaillenkunst, über den ein Kenner unseres
Kunstgewerbes nur staunen kann. Und doch wäre es sehr
zu wünschen, daß das deutsche Geld nicht nur unseren
materiellen, sondern auch unseren künstlerischen Aufschwung
ein wenig ausprägte.
Da ist es denn recht erfreulich, die Fünfmarkstücke zu
sehen, die der neue Bayernkönig hat schlagen lassen. Die
Arbeit wurde einem Künstler übertragen, der besonders
auf dem Gebiete der Porträtplastik recht bemerkbare
Leistungen ausweisen kann, dem Münchener Bildhauer
Bernhard Bleeker. Er hat in dieser Münze gezeigt,
daß er nicht nur ein feiner Porträtist ist, sondern auch ein
klares ornamentales Gefühl besitzt. Der Kopf Ludwigs III.
ist von höchst lebendiger Lharakteristik, die bei allem
Realismus doch ganz ohne Kleinlichkeit ist und durch ihre
Großzügigkeit den bürgerlichen Ausdruck dieses Königs
ohne stilistische Ouälerei zu schlichter würde und Majestät
erhebt. Bewundernswert ist vor allem die ornamentale
Ruhe und ungezwungene Architektonik der Linien, die sich
besonders in der vertikalen Gehaltenheit der Profillinie
und des Halses zeigt und den Kopf vorzüglich in die
Fläche setzt. Die umkränzende Schrift ist charakteristisch,
wirkungsvoll, geschlossen und von verständigem Maß-
verhältnis zum Raum. Die Münze zeigt, daß sich auch
innerhalb der traditionellen Form etwas Geschmackvolles
und Eigenartiges schaffen läßt, wenn nicht ein Schablonen-
stecher, sondern ein echter Künstler damit beauftragt wird.

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Kat folgenden lubalt: Linopia. Kiu Kapitel über
verlorene Karben. Von K. L. (Zcbluss.) — ^u
Ooetbes Karbenlebre. Von Oeor^ Lncbner-lVlün-
cben. —Vorn Restaurieren und Krbalten alter Wand-
malereien. Von Lbr. lVlanAold. (Lcbluss.) — Oie
neuen Oeertarben.

Vermischter Nachrichtenteil.

Geranie KusfteUungen

Berlin. (Abteilung dekorativer Plastik auf der
Großen Berliner Kunstausstellung.) Die diesjährige
Berliner Kunstausstellung wird in einer besonderen Ab-
teilung monumentaler Plastik bezeichnende Proben dekora-

tiver Arbeiten der Berliner Bildhauerkunst zur Vorführung
bringen. Es soll da ein Bild der Entwicklung dieses
Zwerges der Plastik geboten werden, der in den letzten
zehn Jahren mit der Baukunst sich gleichfalls gewandelt
hat. Bedeutet doch die dekorative Plastik, in der die
Aenderung des Stilemxfindens der Architekten und Bild-
hauer klar zum Ausdruck kommt, einen nicht zu unter-
 
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