296 Die Werkstatt der Kunst.XIII, heft 22.
Redaktioneller Teil.
Teitungslctiau
Die „Tägliche Rundschau" schreibt:
Lin Juwel Berliner Rokokokunst.
Der Ankauf des sog. „Lrmelerschen Hauses" durch
die Stadt Berlin sichert die Erhaltung eines der schönsten
Patrizierhäuser des Rokoko, das nun auch weiterhin der
Nachwelt das ganz einzigartige Bild einer großen Ver-
gangenheit im schönsten Rahmen darbieten wird. Die
meisten der prachtvollen Baudenkmäler, die das berühmte
Rokoko Friedrichs des Großen in Berlin entstehen ließ,
sind ja in dem zerstörenden Drängen der Großstadt ge-
fallen, und so hat der vornehme Bau in der Breiten
Straße kaum seinesgleichen mehr.
Der Erbauer war der „Hoflieferant und Goldsticker"
Peter Friedrich Damm, der dem alten Fritz nicht nur die
Stickerei für Litzen und Treffen, sondern auch Lederzeug
und Monturen für die Armee lieferte. Das Innere des
Hauses wurde mit allem Luxus und Komfort der Zeit
ausgestattet und zeigt die Wohnungskultur des Rokoko
auf ihrer höhe : die Anordnung des Grundrisses, die Zu-
führung von Luft und Licht, die großartige und doch dis-
krete Dekoration der Räume — all das ist unübertrefflich.
Die ganze Geschicklichkeit und Anmut, die in der Kunst
und dem Kunsthandwerk des deutschen Rokokos sich in so
glänzendem Lichte offenbaren, wurden aufgerufen, um das
heim dieses bescheidenen Bürgers zu schmücken. Die far-
bigen Marmorkamine, die zart geschwungenen goldbronzenen
Türschlösser, die feingeschnitzten lackierten Türen und Wand-
täfelungen, das zierliche Muschel- und Rankenwerk der
Hohlkehlen und Decken — das alles atmet den köstlichen
Duft und den verführerischen Zauber dieser heute wieder
hochgeschätzten Kunst. Zu einem besonderen Glanzgebilde
des triumphierenden Rokokos aber wird die Innendeko-
ration dieses Hauses durch die reiche Wandmalerei, die
schon im Treppenflur, wo pausbäckige Puppen krausverzierte
Laternen (jetzt mit elektrischem Licht) halten, in bunten
Farben grüßen. Kostbare Szenen Alt-Berliner Kultur von
höchstem geschichtlichem Reiz sind hier festgehalten, so in
der Schilderung der Dammschen Familie, die ihr Gut
Dammsmühle besucht; Landschaften dehnen sich aus und
malerische Ruinen in der verträumten und gefühlvollen
Grazie jener Zeit; das lustige mythologische Spiel der
Venus und ihres rosigen Puppengefolges lächelt verliebt
von der Decke des großen Saales, der überhaupt ein Muster
der reizvollsten Innendekoration darstellt. Die Virtuosität
des flinken Pinsels gefällt sich in phantastischen Schein-
architekturen, in allerhand Kunststückchen der Perspektive;
ein weißer Seidensxitz hütet den Eingang, und man meint,
er werde zu bellen anfangen, bis man merkt, daß er ge-
malt ist. Ueber den Besen, der unvorsichtig gegen die
Treppe gestellt zu sein scheint, könnte man stolpern, wär's
nicht auch nur ein keckes Stückchen Malerei.
Der Schöpfer dieser bunten und lustigen Wunderwelt,
die aus dem Dammschen Haus ein wahres Juwel der
Rokokokunst macht, war Karl Friedrich Fechhelm d. Ae.,
ein weitgereister „Königlicher Theater-Mahler", der nach
dem Adres-Lalender „in der Breiten Straße wohnt, in des
Schneiders Schulzen Hause", also Damms Nachbar war.
Die Damms durften sich in diesem Schmuckkästchen
eines vollen und langen Glückes freuen, tsoq kaufte dann
Johann Friedrich Neumann das Haus von den Damm-
schen Erben und baute rückwärts eine Tabakfabrik an;
übernahm dann Haus und Fabrik Wilhelm Lrmeler,
der schon vorher das gleiche Geschäft mit großem Glück
betrieben hatte und dem „Lrmelerschen Tabak" eine ge-
wisse Berühmtheit in deutschen Landen verschaffte. Damals
sind einzelne Züge des Empire und des Biedermeiertums
dem Werk des Rokoko zugesetzt worden, ohne aber den
reinen und harmonischen Eindruck zu stören. Das „Er-
melersche Haus", wie es nunmehr hieß, ward bis in unsere
Tage pietätvoll und feinsinnig erhalten und wurde so zu
jenem heute einzig dastehenden unvergleichlichen Denkmal
Alt-Berliner Kulturblüte, das nun ein glücklicher Stern
auch der Nachwelt in seiner entzückenden Schöne treu be-
wahren wird.
Der „Neuen preußischen (Kreuz-) Zeitung"
entnehmen wir:
Der Wettlauf der Millionen auf dem
Runftmarkte.
2 800 000 Mk. sind für die sogenannte Lowper-Ma-
donna Raffaels bezahlt worden, und damit ist wieder ein
neuer Rekord auf dem Kunstmarkte geschaffen. Bisher
stellten die 2 Millionen Mark, die Mr. Widener im Jahre
für Rembrandts vielbesprochene „Mühle" bezahlt
halte, den Gipfelpunkt der Preisbewegung für alte Kunst-
werke dar, — und jetzt, nach kaum drei Jahren, ist auch
diese Riesensumme bereits wesentlich überholt.
Lin Preis, wie für die Lowper-Madonna ist bereits
einmal für ein Kunstwerk geboten, aber nicht bezahlt
worden. Es handelte sich damals um Tizians weltbe-
rühmtes Gemälde „Irdische und himmlische Liebe", das
bekanntlich das Glanzstück der Borghese-Galerie zu Rom
bildet. Als es sich um den verkauf dieser Sammlung
handelte, bot ein unbekannter Kunstfreund 2^ Millionen
Mark für Tizians Meisterwerk: allein sein Gebot wurde
abgelehnt und um denselben Preis, den der Unbekannte
für das einzige Bild des Venezianers hatte erlegen wollen,
ging die ganze Sammlung Borghese in den Besitz des
italienischen Staates über. Um nun auf die Lowper-
Madonna zurückzukommen, so ist es lehrreich, sich daran
zu erinnern, daß vor etwa 20 Jahren, nämlich im Jahre
t885, eine prachtvolle Madonna Raffaels von großem
Formate, nämlich die Ansidei-Madonna, von der National-
galerie in London genau um die Hälfte des Preises,
nämlich um t^ooooo Mk. erworben worden ist — und
dieser Preis erweckte damals, wie begreiflich, bereits un-
geheueres Aufsehen. In der Zwischenzeit ist er wieder-
holt übertroffen worden. So kostete Holbeins Meisterbild
der Herzogin von Mailand dieselbe Galerie im Jahre t9O8
bereits nahezu Millionen Mark; und im selben Jahre
erwarb der amerikanische Sammler Mr. Huntington ein
Porträt des Herzogs Glioares von der Hand des vales-
quez um den Preis von ^sooooo Mk., während noch drei
Jahre vorher die berühmte sogenannte Rokeby-Venus des
spanischen Meisters um den Preis von „nur" 800 000 Mk.
in den Besitz der Nationalgalerie hatte übergehen können.
Ebensoviel hat bekanntlich dem Berliner Kaiser-Friedrich-
Museum jetzt die „Anbetung der Könige" des Hugo van
der Goes gekostet, und um denselben Preis ist im Jahre
tylo Rembrandts „Bathseba" nach Amerika gewandert.
Kaum 25 Jahre vorher betrug der Rekordpreis für ein
Werk Rembrandts 200000 Mk.; soviel hatte das Berliner
Museum damals an das Gemälde „Potiphar und Joseph"
gewagt, das, käme es heute auf den Kunstmarkt, zweifels-
ohne das Zehnfache dieses Preises erreichen würde, vom
Standpunkte der heutigen Preise des Kunstmarktes be-
trachtet, sind die 350000 Mk., die die Berliner Galerie
im Jahre für Dürers köstliches Holzschuher-Bildnis
bezahlt hat, geradezu als Bagatelle zu bezeichnen; man
wagt es kaum auszudenken, welchen Preis dies Wunder-
werk etwa erzielen möchte, wenn es heute zum verkaufe
stände; und selbst die 500000 Mk., die der Herzog
von Aumale für die „Drei Grazien" von Raffael bezahlt
hat, müssen als billiger Preis bezeichnet werden, obgleich
es sich freilich in diesem Falle nur um ein kleines, fast
miniaturartig ausgeführtes Werk handelt. Charakteristisch
für den Wettlauf der Millionen auf dem modernen Kunst-
markte ist das Schicksal der Preise von Werken des Franz
Redaktioneller Teil.
Teitungslctiau
Die „Tägliche Rundschau" schreibt:
Lin Juwel Berliner Rokokokunst.
Der Ankauf des sog. „Lrmelerschen Hauses" durch
die Stadt Berlin sichert die Erhaltung eines der schönsten
Patrizierhäuser des Rokoko, das nun auch weiterhin der
Nachwelt das ganz einzigartige Bild einer großen Ver-
gangenheit im schönsten Rahmen darbieten wird. Die
meisten der prachtvollen Baudenkmäler, die das berühmte
Rokoko Friedrichs des Großen in Berlin entstehen ließ,
sind ja in dem zerstörenden Drängen der Großstadt ge-
fallen, und so hat der vornehme Bau in der Breiten
Straße kaum seinesgleichen mehr.
Der Erbauer war der „Hoflieferant und Goldsticker"
Peter Friedrich Damm, der dem alten Fritz nicht nur die
Stickerei für Litzen und Treffen, sondern auch Lederzeug
und Monturen für die Armee lieferte. Das Innere des
Hauses wurde mit allem Luxus und Komfort der Zeit
ausgestattet und zeigt die Wohnungskultur des Rokoko
auf ihrer höhe : die Anordnung des Grundrisses, die Zu-
führung von Luft und Licht, die großartige und doch dis-
krete Dekoration der Räume — all das ist unübertrefflich.
Die ganze Geschicklichkeit und Anmut, die in der Kunst
und dem Kunsthandwerk des deutschen Rokokos sich in so
glänzendem Lichte offenbaren, wurden aufgerufen, um das
heim dieses bescheidenen Bürgers zu schmücken. Die far-
bigen Marmorkamine, die zart geschwungenen goldbronzenen
Türschlösser, die feingeschnitzten lackierten Türen und Wand-
täfelungen, das zierliche Muschel- und Rankenwerk der
Hohlkehlen und Decken — das alles atmet den köstlichen
Duft und den verführerischen Zauber dieser heute wieder
hochgeschätzten Kunst. Zu einem besonderen Glanzgebilde
des triumphierenden Rokokos aber wird die Innendeko-
ration dieses Hauses durch die reiche Wandmalerei, die
schon im Treppenflur, wo pausbäckige Puppen krausverzierte
Laternen (jetzt mit elektrischem Licht) halten, in bunten
Farben grüßen. Kostbare Szenen Alt-Berliner Kultur von
höchstem geschichtlichem Reiz sind hier festgehalten, so in
der Schilderung der Dammschen Familie, die ihr Gut
Dammsmühle besucht; Landschaften dehnen sich aus und
malerische Ruinen in der verträumten und gefühlvollen
Grazie jener Zeit; das lustige mythologische Spiel der
Venus und ihres rosigen Puppengefolges lächelt verliebt
von der Decke des großen Saales, der überhaupt ein Muster
der reizvollsten Innendekoration darstellt. Die Virtuosität
des flinken Pinsels gefällt sich in phantastischen Schein-
architekturen, in allerhand Kunststückchen der Perspektive;
ein weißer Seidensxitz hütet den Eingang, und man meint,
er werde zu bellen anfangen, bis man merkt, daß er ge-
malt ist. Ueber den Besen, der unvorsichtig gegen die
Treppe gestellt zu sein scheint, könnte man stolpern, wär's
nicht auch nur ein keckes Stückchen Malerei.
Der Schöpfer dieser bunten und lustigen Wunderwelt,
die aus dem Dammschen Haus ein wahres Juwel der
Rokokokunst macht, war Karl Friedrich Fechhelm d. Ae.,
ein weitgereister „Königlicher Theater-Mahler", der nach
dem Adres-Lalender „in der Breiten Straße wohnt, in des
Schneiders Schulzen Hause", also Damms Nachbar war.
Die Damms durften sich in diesem Schmuckkästchen
eines vollen und langen Glückes freuen, tsoq kaufte dann
Johann Friedrich Neumann das Haus von den Damm-
schen Erben und baute rückwärts eine Tabakfabrik an;
übernahm dann Haus und Fabrik Wilhelm Lrmeler,
der schon vorher das gleiche Geschäft mit großem Glück
betrieben hatte und dem „Lrmelerschen Tabak" eine ge-
wisse Berühmtheit in deutschen Landen verschaffte. Damals
sind einzelne Züge des Empire und des Biedermeiertums
dem Werk des Rokoko zugesetzt worden, ohne aber den
reinen und harmonischen Eindruck zu stören. Das „Er-
melersche Haus", wie es nunmehr hieß, ward bis in unsere
Tage pietätvoll und feinsinnig erhalten und wurde so zu
jenem heute einzig dastehenden unvergleichlichen Denkmal
Alt-Berliner Kulturblüte, das nun ein glücklicher Stern
auch der Nachwelt in seiner entzückenden Schöne treu be-
wahren wird.
Der „Neuen preußischen (Kreuz-) Zeitung"
entnehmen wir:
Der Wettlauf der Millionen auf dem
Runftmarkte.
2 800 000 Mk. sind für die sogenannte Lowper-Ma-
donna Raffaels bezahlt worden, und damit ist wieder ein
neuer Rekord auf dem Kunstmarkte geschaffen. Bisher
stellten die 2 Millionen Mark, die Mr. Widener im Jahre
für Rembrandts vielbesprochene „Mühle" bezahlt
halte, den Gipfelpunkt der Preisbewegung für alte Kunst-
werke dar, — und jetzt, nach kaum drei Jahren, ist auch
diese Riesensumme bereits wesentlich überholt.
Lin Preis, wie für die Lowper-Madonna ist bereits
einmal für ein Kunstwerk geboten, aber nicht bezahlt
worden. Es handelte sich damals um Tizians weltbe-
rühmtes Gemälde „Irdische und himmlische Liebe", das
bekanntlich das Glanzstück der Borghese-Galerie zu Rom
bildet. Als es sich um den verkauf dieser Sammlung
handelte, bot ein unbekannter Kunstfreund 2^ Millionen
Mark für Tizians Meisterwerk: allein sein Gebot wurde
abgelehnt und um denselben Preis, den der Unbekannte
für das einzige Bild des Venezianers hatte erlegen wollen,
ging die ganze Sammlung Borghese in den Besitz des
italienischen Staates über. Um nun auf die Lowper-
Madonna zurückzukommen, so ist es lehrreich, sich daran
zu erinnern, daß vor etwa 20 Jahren, nämlich im Jahre
t885, eine prachtvolle Madonna Raffaels von großem
Formate, nämlich die Ansidei-Madonna, von der National-
galerie in London genau um die Hälfte des Preises,
nämlich um t^ooooo Mk. erworben worden ist — und
dieser Preis erweckte damals, wie begreiflich, bereits un-
geheueres Aufsehen. In der Zwischenzeit ist er wieder-
holt übertroffen worden. So kostete Holbeins Meisterbild
der Herzogin von Mailand dieselbe Galerie im Jahre t9O8
bereits nahezu Millionen Mark; und im selben Jahre
erwarb der amerikanische Sammler Mr. Huntington ein
Porträt des Herzogs Glioares von der Hand des vales-
quez um den Preis von ^sooooo Mk., während noch drei
Jahre vorher die berühmte sogenannte Rokeby-Venus des
spanischen Meisters um den Preis von „nur" 800 000 Mk.
in den Besitz der Nationalgalerie hatte übergehen können.
Ebensoviel hat bekanntlich dem Berliner Kaiser-Friedrich-
Museum jetzt die „Anbetung der Könige" des Hugo van
der Goes gekostet, und um denselben Preis ist im Jahre
tylo Rembrandts „Bathseba" nach Amerika gewandert.
Kaum 25 Jahre vorher betrug der Rekordpreis für ein
Werk Rembrandts 200000 Mk.; soviel hatte das Berliner
Museum damals an das Gemälde „Potiphar und Joseph"
gewagt, das, käme es heute auf den Kunstmarkt, zweifels-
ohne das Zehnfache dieses Preises erreichen würde, vom
Standpunkte der heutigen Preise des Kunstmarktes be-
trachtet, sind die 350000 Mk., die die Berliner Galerie
im Jahre für Dürers köstliches Holzschuher-Bildnis
bezahlt hat, geradezu als Bagatelle zu bezeichnen; man
wagt es kaum auszudenken, welchen Preis dies Wunder-
werk etwa erzielen möchte, wenn es heute zum verkaufe
stände; und selbst die 500000 Mk., die der Herzog
von Aumale für die „Drei Grazien" von Raffael bezahlt
hat, müssen als billiger Preis bezeichnet werden, obgleich
es sich freilich in diesem Falle nur um ein kleines, fast
miniaturartig ausgeführtes Werk handelt. Charakteristisch
für den Wettlauf der Millionen auf dem modernen Kunst-
markte ist das Schicksal der Preise von Werken des Franz