XIII, Heft 19.
Die Werkstatt der Rrmst.
257
Im „Berliner Tageblatt" lesen wir:
Die Künstler gegen die Polizei.
Endlich! Die Allgemeine Deutsche Kunstgenossenschaft
will eine Protestbewegung gegen die von Berlin aus syste-
matisch betriebenen Verfolgungen von Abbildungen aller
nackten Kunstwerke in die Wege leiten.
Es hat lange gedauert, bis die öffentlichen Aufforde-
rungen zu einem solchen Schritt gewirkt haben. Zu lange.
Der Polizeirat und der Staatsanwalt, die in enger Ge-
meinschaft diese Verfolgung durch das ganze Deutsche Reich
hin betreiben, haben Zeit.gehabt, Formeln zu finden, die
Richter der beteiligter! Kammer für ihre Prinzipien zu ge-
winnen, die Meffentlichkeit an Dinge zu gewöhnen, die
noch vor wenigen Jahren als ganz unmöglich und uner-
träglich erschienen wären. Die Verleger und Händler haben
sich gewehrt, so gut sie konnten. Aber Prozesse sind teuer.
Und schließlich haben viele lieber die kleine Strafe gezahlt,
als die Kosten der höchsten Instanz riskiert. Die presse
hat nie nachgelassen, diese ganze Tätigkeit zu bekämpfen.
Aber gerade die ideell beteiligten Kreise, die Museums-
direktoren, deren Kunstwerke gebrandmarkt, die Künstler,
deren Genossen als Schöpfer objektiv unzüchtiger Werke
hingestellt wurden, haben geschwiegen oder nicht eindring-
lich genug gesprochen.
Nur wer die Dinge, die jetzt verfolgt werden, mit
eigenen Augen gesehen hat, kann die letzte Tendenz des
ganzen vorgehens verstehen. Ls handelt sich um nicht
weniger als jede Darstellung eines nackten Körpers in der
Nachbildung unmöglich zu machen, selbst die kühlste und
unfinnlichfte. Man braucht nicht zu sagen, daß juristisch
alles in schönster Ordnung vor sich geht. Ls ist ein Sach-
verständiger gefunden, der den Standpunkt des Staats-
anwaltes teilt und begutachtet, daß solche Bilder im Schau-
fenster das Schamgefühl verletzen. Der Gerichtshof urteilt
aus derselben Meinung heraus.
Ls ist notwendig, die andere auf das stärkste zu be-
tonen. wir alle wollen, daß die Jugend vor Schmutz und
Schund bewahrt wird. Der aber, in Heimlichkeit hergestellt
und verbreitet, wird gar nicht getroffen. Getroffen werden
fast ausschließlich Werke ohne jede unsaubere Intention,
vielleicht können auch sie gemißbraucht werden. Dagegen
gibt es keine Sicherheit. Im ganzen sind sie jedenfalls ge-
eignet, den Sinn für die Schönheit des gesunden Körpers
zu wecken, und also für wichtige Tendenzen der modernen
Kultur zu wirken, die den Leib nicht verachten, sondern
pflegen und entwickeln will. Gerade das Großstadtkind,
das so viel stärkere Dinge zu sehen bekommt, das ins
Freibad mitgenommen wird und in engen Kammern sieht,
was gewiß den Staatsanwalt überraschen würde, kann
durch solche Bilder nicht verdorben, sondern nur gehoben
werden.
Die Kunstgenoffenschaft sollte sich nicht auf einen
Protest der Künstler beschränken, nicht einmal auf einen
der Kunstmenschen. Die ganze kultivierte Gesellschaft
Deutschlands muß hinter einer deutlichen Erklärung dieses
Standpunktes stehen, wenn durch sie eine Aenderung der
Rechtsprechung erreicht werden soll.
In der „Täglichen Rundschau" liest man:
Menzel und Lichtwark. Der verstorbene Prof.
Alfred Lichtwark, der hochverdiente Leiter der Ham-
burger Kunsthalle, erzählte einmal eine hübsche Anek-
dote, die ihm als jungem Beflissenen der Kunstgeschichte
widerfahren ist. In Berlin Schüler Hermann Grimms,
wollte Lichtwark auch Adolf Menzel seine Aufwartung
machen. Die kleine Exzellenz, damals übrigens noch nicht
Exzellenz, war auch recht freundlich und erkundigte sich
nach den Arbeitsplänen des jungen Lichtwark. Der wollte
damals etwas über Dürer schreiben, ein Buch, das übrigens
später nicht zustande gekommen ist. Menzel gab ihm da-
für den guten Rat: „Ja, da haben Sie recht, über Dürer
zu arbeiten. Endlich können Sie dabei mal den Leuten
zeigen, daß der Kerl nicht zeichnen konnte." woraus her-
vorgeht, daß der alternde Menzel vom Zeichnen eine ganz
andere Meinung hatte als der größte Zeichner unserer
alten Kunst.
Unsere tieuligö ösilsge, ilie Motum klmtteciin. Mle? Kk. 10
Kat kol^einäen InliLlt: bieder Nittel uncl XVeZe,
einen scdücilicden lbinlluss ckes Zinkweiss unt clie
lücdtecdtdeit cler ^.^ULrelltLrden un82N8cd3lten.
Von Or. Lrn8t 1'üuder. Oie klludLtrnuIerei di8
idrer dentiZen OntvziedlunA. Von Ld. NanZoIcl.
(Ledlu88.) — lidu, eine neue Oenedttarde.
vermischter Nachrichtenteil.
- Geplante Ausstellungen -
Berlin. Die Große Berliner Kunstausstellung t 9 lH
findet im Landesausstellungsgebäude vom l. Mai bis
2 7. September statt. Zugelaffen zur Ausstellung werden
Werke lebender Künstler aus dem Gebiete der Malerei,
Bildhauerei und Baukunst, der zeichnenden und verviel-
fältigenden Künste, die der Aufnahmeprüfung unterliegen.
Auch Werke verstorbener Künstler können Aufnahme finden,
falls der Tod in dem dem Ausstellungsjahr vorhergehenden
Kalenderjahr erfolgt ist. Sämtliche Werke müssen von den
Urhebern selbst oder mit deren ausdrücklicher schriftlicher
Erlaubnis, bei verstorbenen von deren Rechtsnachfolgern
eingesandt werden. Ausgeschlossen sind Werke, die bereits,
auf einer der Großen Berliner Kunstausstellungen oder
vom Oktober t9l3 ab anderweitig in Groß-Berlin
öffentlich ausgestellt waren, sowie namenlose Arbeiten und
Nachbildungen. Gemälde, Zeichnungen usw. sind gerahmt
einzusenden. Ungeeignete Rahmen können durch die Jury
beanstandet werden. Die Anmeldung ist bis zum 7. März
in zwei gleichlautenden Formularen für jede Art von
Kunstwerken (siehe tz H), vorschriftsmäßig ausgefüllt und
mit der Unterschrift des Einsenders versehen (vgl. tz 3,
Absatz 2), an die Große Berliner Kunstausstellung, Berlin
AVZ HO, zu richten, durch welche auch Programm und An-
meldeformulare zu beziehen sind. Sämtliche auszustellen-
den Kunstwerke sind zwischen dem 9. und t8. März an
der Linlieferungsstelle, Berlin NW, Invalidenstr. 63/78,
abzuliefern. Jeder Linsender hat eine Einschreibgebühr
von 2 Mk. zu entrichten, die bei der Einlieferung der Werke
erhoben wird.— ar. (Line große Munch-Ausstellung
in Berlin.) Als Nachfeier zum 50. Geburtstage Edv a rd
Munchs, des norwegischen Meisters, dessen monumentale
Arbeiten für die Universität in Kristiania auf der letzten
Herbstausstellung im Berliner Secessionshause so großes
Aufsehen erregten, wird für den kommenden Februar bei
Fritz Gurlitt in Berlin eine umfassende Ausstellung
seiner Werke geplant. Die Ausstellung wird mit Bildnissen
und anderen weniger umfangreichen Arbeiten Munchs etwa
so Werke umfassen.
Damburg. (Die Ausstellung der Vereinigung nord-
westdeutscher Künstler in Hamburg) findet Ende
Februar in der Galerie Lommeter statt. Die kürzlich ge-
wesene Jahresversammlung wurde, wie schon berichtet, in
Lübeck, unter reger Teilnahme hauptsächlich aus Lübeck,
Hamburg und Schleswig-Holstein abgehalten. Zu den
Vorsitzenden wurden Prof. w. Otto-Lübeck und Prof.
Ulrich Hübner Travemünde, zu Schriftführern Or. Schaefer-
Lübeck und Burmester-Kaffel, zum Kaffenführer Reg.-Rat
Or. Linde-Lübeck ernannt. Die Jury besteht aus den
Herren Prof. Schmarje-Lübeck, E. Eitner-Hamburg, A. Illies-
Hamburg, Prof. Ulrich Hübner-Travemünde, H. Vogeler-
Die Werkstatt der Rrmst.
257
Im „Berliner Tageblatt" lesen wir:
Die Künstler gegen die Polizei.
Endlich! Die Allgemeine Deutsche Kunstgenossenschaft
will eine Protestbewegung gegen die von Berlin aus syste-
matisch betriebenen Verfolgungen von Abbildungen aller
nackten Kunstwerke in die Wege leiten.
Es hat lange gedauert, bis die öffentlichen Aufforde-
rungen zu einem solchen Schritt gewirkt haben. Zu lange.
Der Polizeirat und der Staatsanwalt, die in enger Ge-
meinschaft diese Verfolgung durch das ganze Deutsche Reich
hin betreiben, haben Zeit.gehabt, Formeln zu finden, die
Richter der beteiligter! Kammer für ihre Prinzipien zu ge-
winnen, die Meffentlichkeit an Dinge zu gewöhnen, die
noch vor wenigen Jahren als ganz unmöglich und uner-
träglich erschienen wären. Die Verleger und Händler haben
sich gewehrt, so gut sie konnten. Aber Prozesse sind teuer.
Und schließlich haben viele lieber die kleine Strafe gezahlt,
als die Kosten der höchsten Instanz riskiert. Die presse
hat nie nachgelassen, diese ganze Tätigkeit zu bekämpfen.
Aber gerade die ideell beteiligten Kreise, die Museums-
direktoren, deren Kunstwerke gebrandmarkt, die Künstler,
deren Genossen als Schöpfer objektiv unzüchtiger Werke
hingestellt wurden, haben geschwiegen oder nicht eindring-
lich genug gesprochen.
Nur wer die Dinge, die jetzt verfolgt werden, mit
eigenen Augen gesehen hat, kann die letzte Tendenz des
ganzen vorgehens verstehen. Ls handelt sich um nicht
weniger als jede Darstellung eines nackten Körpers in der
Nachbildung unmöglich zu machen, selbst die kühlste und
unfinnlichfte. Man braucht nicht zu sagen, daß juristisch
alles in schönster Ordnung vor sich geht. Ls ist ein Sach-
verständiger gefunden, der den Standpunkt des Staats-
anwaltes teilt und begutachtet, daß solche Bilder im Schau-
fenster das Schamgefühl verletzen. Der Gerichtshof urteilt
aus derselben Meinung heraus.
Ls ist notwendig, die andere auf das stärkste zu be-
tonen. wir alle wollen, daß die Jugend vor Schmutz und
Schund bewahrt wird. Der aber, in Heimlichkeit hergestellt
und verbreitet, wird gar nicht getroffen. Getroffen werden
fast ausschließlich Werke ohne jede unsaubere Intention,
vielleicht können auch sie gemißbraucht werden. Dagegen
gibt es keine Sicherheit. Im ganzen sind sie jedenfalls ge-
eignet, den Sinn für die Schönheit des gesunden Körpers
zu wecken, und also für wichtige Tendenzen der modernen
Kultur zu wirken, die den Leib nicht verachten, sondern
pflegen und entwickeln will. Gerade das Großstadtkind,
das so viel stärkere Dinge zu sehen bekommt, das ins
Freibad mitgenommen wird und in engen Kammern sieht,
was gewiß den Staatsanwalt überraschen würde, kann
durch solche Bilder nicht verdorben, sondern nur gehoben
werden.
Die Kunstgenoffenschaft sollte sich nicht auf einen
Protest der Künstler beschränken, nicht einmal auf einen
der Kunstmenschen. Die ganze kultivierte Gesellschaft
Deutschlands muß hinter einer deutlichen Erklärung dieses
Standpunktes stehen, wenn durch sie eine Aenderung der
Rechtsprechung erreicht werden soll.
In der „Täglichen Rundschau" liest man:
Menzel und Lichtwark. Der verstorbene Prof.
Alfred Lichtwark, der hochverdiente Leiter der Ham-
burger Kunsthalle, erzählte einmal eine hübsche Anek-
dote, die ihm als jungem Beflissenen der Kunstgeschichte
widerfahren ist. In Berlin Schüler Hermann Grimms,
wollte Lichtwark auch Adolf Menzel seine Aufwartung
machen. Die kleine Exzellenz, damals übrigens noch nicht
Exzellenz, war auch recht freundlich und erkundigte sich
nach den Arbeitsplänen des jungen Lichtwark. Der wollte
damals etwas über Dürer schreiben, ein Buch, das übrigens
später nicht zustande gekommen ist. Menzel gab ihm da-
für den guten Rat: „Ja, da haben Sie recht, über Dürer
zu arbeiten. Endlich können Sie dabei mal den Leuten
zeigen, daß der Kerl nicht zeichnen konnte." woraus her-
vorgeht, daß der alternde Menzel vom Zeichnen eine ganz
andere Meinung hatte als der größte Zeichner unserer
alten Kunst.
Unsere tieuligö ösilsge, ilie Motum klmtteciin. Mle? Kk. 10
Kat kol^einäen InliLlt: bieder Nittel uncl XVeZe,
einen scdücilicden lbinlluss ckes Zinkweiss unt clie
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Von Or. Lrn8t 1'üuder. Oie klludLtrnuIerei di8
idrer dentiZen OntvziedlunA. Von Ld. NanZoIcl.
(Ledlu88.) — lidu, eine neue Oenedttarde.
vermischter Nachrichtenteil.
- Geplante Ausstellungen -
Berlin. Die Große Berliner Kunstausstellung t 9 lH
findet im Landesausstellungsgebäude vom l. Mai bis
2 7. September statt. Zugelaffen zur Ausstellung werden
Werke lebender Künstler aus dem Gebiete der Malerei,
Bildhauerei und Baukunst, der zeichnenden und verviel-
fältigenden Künste, die der Aufnahmeprüfung unterliegen.
Auch Werke verstorbener Künstler können Aufnahme finden,
falls der Tod in dem dem Ausstellungsjahr vorhergehenden
Kalenderjahr erfolgt ist. Sämtliche Werke müssen von den
Urhebern selbst oder mit deren ausdrücklicher schriftlicher
Erlaubnis, bei verstorbenen von deren Rechtsnachfolgern
eingesandt werden. Ausgeschlossen sind Werke, die bereits,
auf einer der Großen Berliner Kunstausstellungen oder
vom Oktober t9l3 ab anderweitig in Groß-Berlin
öffentlich ausgestellt waren, sowie namenlose Arbeiten und
Nachbildungen. Gemälde, Zeichnungen usw. sind gerahmt
einzusenden. Ungeeignete Rahmen können durch die Jury
beanstandet werden. Die Anmeldung ist bis zum 7. März
in zwei gleichlautenden Formularen für jede Art von
Kunstwerken (siehe tz H), vorschriftsmäßig ausgefüllt und
mit der Unterschrift des Einsenders versehen (vgl. tz 3,
Absatz 2), an die Große Berliner Kunstausstellung, Berlin
AVZ HO, zu richten, durch welche auch Programm und An-
meldeformulare zu beziehen sind. Sämtliche auszustellen-
den Kunstwerke sind zwischen dem 9. und t8. März an
der Linlieferungsstelle, Berlin NW, Invalidenstr. 63/78,
abzuliefern. Jeder Linsender hat eine Einschreibgebühr
von 2 Mk. zu entrichten, die bei der Einlieferung der Werke
erhoben wird.— ar. (Line große Munch-Ausstellung
in Berlin.) Als Nachfeier zum 50. Geburtstage Edv a rd
Munchs, des norwegischen Meisters, dessen monumentale
Arbeiten für die Universität in Kristiania auf der letzten
Herbstausstellung im Berliner Secessionshause so großes
Aufsehen erregten, wird für den kommenden Februar bei
Fritz Gurlitt in Berlin eine umfassende Ausstellung
seiner Werke geplant. Die Ausstellung wird mit Bildnissen
und anderen weniger umfangreichen Arbeiten Munchs etwa
so Werke umfassen.
Damburg. (Die Ausstellung der Vereinigung nord-
westdeutscher Künstler in Hamburg) findet Ende
Februar in der Galerie Lommeter statt. Die kürzlich ge-
wesene Jahresversammlung wurde, wie schon berichtet, in
Lübeck, unter reger Teilnahme hauptsächlich aus Lübeck,
Hamburg und Schleswig-Holstein abgehalten. Zu den
Vorsitzenden wurden Prof. w. Otto-Lübeck und Prof.
Ulrich Hübner Travemünde, zu Schriftführern Or. Schaefer-
Lübeck und Burmester-Kaffel, zum Kaffenführer Reg.-Rat
Or. Linde-Lübeck ernannt. Die Jury besteht aus den
Herren Prof. Schmarje-Lübeck, E. Eitner-Hamburg, A. Illies-
Hamburg, Prof. Ulrich Hübner-Travemünde, H. Vogeler-