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Erstes Kapitel.
Die altchristlichen Bilderzyklen Roms.

§ 1. Bilderzyklen aus dem 4. Jahrhundert eine Seltenheit in den Provinzen.

ie Sitte, Kirchen und sonstige Kultgebäude mit religiösen Darstellungen auszuschmücken,
war in den römischen Provinzen noch um die Wende des 4. zum 5. Jahrhundert Verhältnis-

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mäßig wenig verbreitet. Diese auffallende Tatsache möchte auf den ersten Blick als eine Nach-
wirkung des 36. Kanons des Konzils von Elvira erscheinen, welcher die Anbringung von heiligen
Bildern in Kirchen verbot1. Da sie aber eine für ein Provinzialkonzil viel zu große Verbreitung
hatte, sich bis in den Orient hinein erstreckte, so mag ihr das gleiche Bedenken wie dem
Kanon selbst zu Grunde liegen, nämlich die in den Provinzen damals noch allenthalben
herrschende Abneigung vor den religiösen Bildern. Die Tatsache an sich wird durch das
Zeugnis des hl. Paulin von Nola bestätigt, welcher die kirchlichen Bilderzyklen als „selten"
bezeichnet2. Das Wort des Heiligen fällt um so schwerer in die Wagschale, als er ein viel-
gereister Mann war und sich persönlich an dem Ausbau der religiösen Kunst beteiligte:
er errichtete oder restaurierte Kirchen und schmückte sie mit religiösen Darstellungen aus,
deren Gegenstände zumeist der Bibel entlehnt waren, und die er durch selbstverfaßte In-
schriften, tituli, erklärte. Bei der großen Seltenheit von solchen Bilderzyklen begreifen wir,
wie Sulpicius Severus in seiner Verlegenheit um geeignete Gegenstände für die Ausschmückung
eines neuerbauten Baptisteriums sich an Paulin wendet und ihn um dessen Porträt bittet,
um es zusammen mit dem des hl. Martin von Tours darin anzubringen3. Für den Orient
sodann ist sehr bezeichnend, was der hl. Nilus (f um 430) in seinem Briefe an den Präfekten
Olympiodor über den Kirchenschmuck seiner Zeit schreibt. Hiernach war es Brauch, in den
Gotteshäusern Jagd- und Fischereiszenen, erhabene Stuckverzierungen und zahllose Kreuze
abzubilden. Infolge der fast gänzlichen Zerstörung der ursprünglichen Dekoration der ältesten

1 Das Konzil wurde um das Jahr 300 abgehalten. DerKanon36 in Kirchengeschichtliche Abhandlungen und Untersuchungen

lautet: „Placuit picturas in ecclesia esse non debere, ne quod I 346—352.

colitur et adoratur, in parietibus depingatur." Bei Hefele, Kon- 2 Poem. XXVII (natal. carm. IX) v. 543 f: Migne, PL6\, 660:

ziliengeschichte I 170. Über die verschiedene Auslegung, die „ ... pingere sanctas raro more domos animantibus adsimulatis".
der Kanon erfahren hat, vgl. Funk, Der Kanon 36 von Elvira, 3 Paulin. Nol., Ep. 32, 2f: Migne, PL 61, 331 f.

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