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Viertes Kapitel. Nimbus. 113

gegenüber den Engeln und Heiligen wird im ersten Drittel des 4. Jahrhunderts der kleine
Nimbus eingeführt; und als man ihn nach einigen Jahrzehnten auch auf die Engel und etwas
später auf die Heiligen ausdehnt, da kommt um die Mitte des 5. Jahrhunderts als die letzte
wesentliche Veränderung der Kreuznimbus auf, welcher seit der Mitte des 7. Jahrhunderts stets
das Haupt des Erlösers umgibt. Wir sehen also, daß der Nimbus von seiner Einführung bis
in das 6. Jahrhundert hinein in einer fortwährenden Entwicklung begriffen ist. Daß die
einzelnen Arten desselben nicht überall sofort in dem gleichen Maße zum Gebrauch gelangen,
ist leicht erklärlich: Neuerungen benötigen stets eine gewisse Zeit, bis sie sich eingebürgert
haben. Sobald die Entwicklung am Höhepunkt angelangt ist, erfolgt die Verwendung des
Attributs mit der schönsten Regelmäßigkeit.

Diese organische Entwicklung setzt Einheit in der Tätigkeit und diese hinwiederum
eine ununterbrochene Vererbung der Kunsttraditionen von Geschlecht zu Geschlecht voraus,
wie sie nur in Rom möglich war und wirklich statthatte. Fremde Einflüsse für den Nimbus
anzunehmen, ist überflüssig. Tatsächlich kann man keine Provinzialkunst vorführen, in welcher
das Auftreten desselben wie in derjenigen der Reichshauptstadt sich bis in das 2. Jahr-
hundert hinauf verfolgen ließe und die eine so fest gegliederte Kette von Denkmälern mit
diesem Attribut besäße. Man hat zwar behauptet, daß der christliche Nimbus ein Produkt
des Orients sei, hat aber den Beweis nicht erbringen können, auch nicht für den kreuz-
förmigen; denn das eine der beiden in Frage kommenden Denkmäler, das Berliner Sarkophag-
fragment mit der Darstellung Christi, stammt nicht aus „konstantinischer Zeit", sondern
wohl erst aus der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts, weil die Apostel Bücher statt der
antiken Rolle haben; und das andere, die Londoner Costantinus-Schale, ist eine Fälschung.
Es liegt also auch für den Kreuznimbus keine Notwendigkeit vor, ihn aus seinem Verband
mit der Monumentalkunst Roms zu reißen, um ihn zu der orientalischen zu schlagen, nach-
dem alle übrigen Arten des Attributs ebenfalls auf Rom als die gemeinsame Quelle hinweisen.

Wilpert, Mosaiken und Malereien. 1. Band.
 
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