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NACHAHMUNG DER GRIECHISCHEN WERKE

Raffael in dem Lande selbst, wo er sich gebildet. Man
weiß, daß er junge Leute nach Griechenland schickte,
die Überbleibsel des Altertums für ihn zu zeichnen.
Eine Bildsäule von einer alten römischen Hand
wird sich gegen ein griechisches Urbild allemal ver-
halten wie Virgils Dido, in ihrem Gefolge mit der
Diana unter ihren Oreaden verglichen, sich gegen
Homers Nausikaa verhält, welche jener nachzuah-
men gesucht hat.

Laokoon war den Künstlern im alten Rom eben das,
was er uns ist; des Polyklets Regel; eine vollkom-
mene Regel der Kunst.

Ich habe nicht nötig anzuführen, daß sich in den
berühmtesten Werken der griechischen Künstler ge-
wisse Nachlässigkeiten finden: der Delphin, welcher
der Mediceischen Venus zugegeben ist, nebst den
spielenden Kindern; die Arbeit des Dioskorides außer
der Hauptfigur in seinem geschnittenen Diomedes
mit dem Palladio, sind Beispiele davon. Man weiß,
daß die Arbeit der Rückseite auf den schönsten Mün-
zen der ägyptischen und syrischen Könige den Köp-
fen dieser Könige selten beikommt. Große Künstler
sind auch in ihren Nachlässigkeiten weise, sie kön-
nen nicht fehlen, ohne zugleich zu unterrichten. Man
betrachte ihre Werke, wie Lucian den Jupiter des
Phidias will betrachtet haben; den Jupiter selbst, nicht
den Schemel seiner Füße.

Die Kenner und Nachahmer der griechischen Wer-
ke finden in ihren Meisterstücken nicht allein die
schönste Natur, sondern noch mehr als Natur, das
ist, gewisse idealische Schönheiten derselben, die, wie

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