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WIN C KEIM ANNS KLEINE SCHRIFTEN

die Muster der höchsten weiblichen Schönheit, haben
den letzten Platz in seiner Ordnung. Ich überführte
ihn seiner irrigen Rangordnung, und seine Entschul-
digung war, daß er in jungen Jahren die Werke der
alten Kunst in Gesellschaft zweier noch lebender
Künstler jenseit der Gebirge gesehen, auf deren Ur-
teil das seinige sich bisher gegründet habe. Es wur-
den verschiedene Briefe zwischen uns gewechselt
über ein rundes Werk in der Villa Pamphili, mit
erhobenen Figuren, welches er für das allerälteste
Denkmal der griechischen Kunst hielt, und ich hin-
gegen für eins der spätesten unter den Kaisern. Was
für Grund hatte dessen Meinung? Man hatte das
Schlechteste für das Älteste angesehen.

Diese Fähigkeit wird durch gute Erziehung er-
weckt, reifer gemacht und meldet sich eher, als in
vernachlässigter Erziehung, welche sie aber nicht
ersticken kann, wie ich hier an meinem Teile weiß.
Es wickelt sich dieselbe aber eher an großen als kleinen
Orten aus, und im Umgange mehr, als durch Gelehr-
samkeit. Denn das viele Wissen, sagen die Griechen,
erweckt keinen gesunden Verstand, und die sich durch
bloße Gelehrsamkeit in den Altertümern bekannt ge-
macht haben, sind auch derselben weiter nicht kun-
dig worden. In gebornen Römern, wo dieses Gefühl
vor andern zeitiger und reifer werden könnte, bleibt
dasselbe in der Erziehung sinnlos und bildet sich
nicht, weil die Menschen der Henne gleich sind,
die über das Korn, welches vor ihr liegt, hingeht,
um das entferntere zu nehmen. Was wir täglich vor

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