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Winckelmann, Johann Joachim; Uhde-Bernays, Hermann [Editor]
J. J. Winckelmanns kleine Schriften und Briefe (Band 1): Kleine Schriften zur Geschichte der Kunst des Altertums — Leipzig, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.6830#0249
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WINCKELMANNS KLEINE SCHRIFTEN

was man schreiben kann: in einem mündlichen Vor-
trage aber kann man, wie ich glaube, einige Nach-
sicht fordern, wenn man sich über Kleinigkeiten er-
hebt und nicht mit einem Kalender in der Hand
seinem Helden von Tag zu Tag, von Schritt zu Schritt
folget. Ja man muß es verzeihen, wenn man in Ent-
werfung von Taten einiger Helden (ich rede nur von
der neuern Geschichte) ihre Siegeszeichen nur in ein
schwaches Licht und in den entfernteren Grund ihres
Gemäldes setzet.

Es ist nicht zu leugnen, die großen Tage, wo Helden
ihre Lorbeeren gesammelt, geben einer Geschichte
keinen geringem Glanz, als dem Krieger selbst, und
das menschliche Herz hat einmal die Verderbnis,
es höret mit Vergnügen von großen Niederlagen und
Blutvergießen; die Kinder sind aufmerksam auf die
Erzählung solcher Fabeln, wovor ihnen die Haut
schaudert. Die Toten selbst sind, wie Horaz sagt,
nicht klüger geworden. Sie gönnen den Gedichten
der Sappho und des Alcäus ein geneigtes Gehör, aber
ihre Entzückung ist viel größer über die des letzten,
der nichts als Kriege und Schlachten besungen. Man
siehet freilich den größten Mann unter allen Griechen
nirgend größer als bei Leuctra und Mantinea. Der
Überwinder Hannibals erscheint in dem Gefilde bei
Zama in seinem größten Glanz.
Aber es führen uns zwei Feldherrn auf diese berühm-
ten Walplätze; sie führen uns wie die Minerva des
Homers, und wir sehen nichts als Gegenstände von
Verwunderung. Dort ist es Xenophon, ein Schüler
und Freund des Sokrates, das Haupt von zehntausend

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