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Winckelmann, Johann Joachim; Balensiefen, Lilian; Borbein, Adolf Heinrich [Hrsg.]; Kunze, Max [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Hrsg.]; Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Winckelmann-Gesellschaft [Hrsg.]
Schriften und Nachlaß (Band 4,5): Statuenbeschreibungen, Materialien zur "Geschichte der Kunst des Alterthums", Rezensionen — [Mainz am Rhein]: Verlag Philipp von Zabern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.58927#0052
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Statuen im Belvedere-Hof

des Rückens der Lenden bis auf das heilige Bein. Die gantze Masse des Thorax ist groß und erscheint
daraus daß das gantze Gebau des Leibes zur Stercke erschaffen war <und erscheinet daraus>[.] Indem
der Thorax ewigerweise der Kastro der noblesten Theile der Intestine ist, als Lunge und Hertz, welche
an allen starken Bewegungen theil haben. Der Künstler hat nach der höchsten Idee der Kunst gearbeitet,
nemlich daß er am stercksten die nothwendigsten Theile angezeiget bis endlich auf die allergeringsten 5
Kleinigkeiten. Denn so wie er in der gantzen Haupt-Gestalt die Hauptmaße der Gebeine bezeichnet
so hat er auch von denen Muskeln die nothwendigsten am stercksten angedeutet. Man siehet am mer-
cklichsten die Lenden[-]Muskeln und am vorderen Leib die 2 gerade Muskeln, <nach diesen folgen
die> welche die Haupt-Bewegungen des Menschlichen Körpers verursachen, als nemlich das vor und
hinterbeugen. Nach diesen siehet man die 2 sehr weite Muskeln so dem Leib die Zwerg-Action geben. 10
Nach diesen [die] Mönschsf-]Kappen[-]Muskeln, so den Kopf und die Schulftern] regieren. Schade
daß man nicht auch die Brust [-] Muskeln in gantzem siehet, wiewohl das kleine Stück so noch übrig,
wunderschön und eben die mächtige Art angedeutet wie das übrige. Die Sägenförmige Muskeln sind
486 herrlich angedeutet doch nicht mit einer starcken Andeutung wie die am Laocoon: es ist auch billig,
wegen der großen expression so in jener Figur ist, da diese vil ruhiger; vielleicht hat der Künstler auch 15
diese Muskeln mit Sparsamkeit anzeigen wollen, weil diese zu einem g[ant]zen Menschlichen Amte,
nemlich zum Athemhohlen dienen, [p. 35/158] Man findet insgemein fast auf allen vergötterten Figuren
dieselbe schwach angedeutet. Dahingegen an Ringern und anderen dergl. Menschen dieselben gantz
abgesondert und deutlich zu sehen seyn.
Der Bauch ist nicht dick sondern eingezogen, aus obgesagten wird man leicht die Ursach ersehen 20
können.
Nach den Rippen wird der Leib etwas dünn. Die Hüften sind mit einer großen Art aber nicht groß
vorgestellet. Der Anfang der Hüften mit den Schenkeln ist wunderwürdig schön, indem man wircHich
den Raum zwischen dem Hüft[-]Bein und dem großen Umdrehe[r] siehet, in diesem Stücke siehet man
den großen Verstand dieses Künstlers. Der ob er schon die Großheit und Stärke zu seinem Ziel gehabt, 25
dennoch die Wahrheit und Leichtigkeit nicht vergeßen, welches ein Fehler gewesen wäre, in welchen
auch große Leute gefallen seyn, wie der Kenner so Michael Angelo Wercke mit wahrer Einsicht zu be-
schauen weiß, ersehen kan. Denn Michael Angelo hat auch große und mächtige Körper vorgestellet, aber
auf eine solche Weise daß wenn sie auch das Leben annehmen könnten so würden sie sich dennoch nicht
regen können; weil ihre Glieder und Gebeine dermaßen mit feisten Muskeln erfüllet, daß sie scheinen 30
nur zu der einzigen Action erschaffen zu seyn. Deswegen hätte Μ. Angelo wohl einen Herkules machen
können, der so starck geschienen wie dieser, aber er würde nie einen Gott bedeutet haben. Er hätte wohl
den Herkules vorgestellet, der den Himmels Cirkel tragen sollen, aber nicht zu gleicher Zeit den Hirsch
mit Hörnern von Ertz im Laufen einholen können.
Wenn man den Unterschied also von Μ. Angelo und den Torso v. Belveder bedenket, so bleibet der 35
457 Farnesische Herkules in der Mitte zwischen beyden. Er hat nicht die Leichte dieses Torso und auch nicht
die Schwere des Michael Angelo. Hingegen mehr Härte als alle beyde. [p. 37/156] Die Proportion so in

2 daraus nachgetragen 15 Figur Rehm liest: Eigen 16 g [ant] zen Rehm liest großen
 
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