Trattato premiliare [vorläufige Abhandlung] · Kommentar
161
Ausschmückung von Springbrunnen dienten; übrigens ist an der Statue in der erwähnten Villa nur der Rumpf alt. So wie nun bey
diesen Statuen das für eine Schlange gehaltene Armband die Ursache ihrer Benennung gewesen: eben so hat man auch eine kleine
bis unter den Gürtel nackte Diana von Erz im Museum des Collegium Romanum, welche sich, wie von der Jagd ermüdet, aufeine
ihrer Nymphen lehnt, für eben diese Aegyptische Königin gehalten, weil Patin in dem Bogen, den sie in der Hand hält, eine Schlange
erkennen wollte.
eschnittene Steine des Dioscorides.
$. 171. Unzweydeutige Denkmale der Kunst aus der Zeit, von welcher wir handeln, sind einige von den geschnittenen Steinen, die
den Namen des Dioscorides zeigen; denn die andern sind nicht alle ächt und unverfälscht, wenigstens in Ansehung des Namens. Es ist
bekannt, daßDioscorides die Köpfe des Augustus schnitt, mit welchen dieser und nach ihm andere Kayser zu siegeln [219]pflegten,
den Galba ausgenommen. Ein solcher Stein mit dem Bildnisse des Augustus und mit dem Namen des Dioscorides befand sich im
Hause Maffimi zu Rom; da man denselben aber in Gold fassen wollte, zerbrach er in drey Stücke. Ein Ansatz von Bart, welcher
an diesem Kopfe das Kinn und die Wangen des Augustus bekleidet, und sich an andern Köpfen desselben nicht findet, könnte auf
die Zeit der Niederlage der drey Legionen unter dem Befehle des Varus in Teutschland deuten, da wir wissen, daß Augustus zum
Zeichen seiner großen Betrübniß über diesen Verlust sich den Bart wachsen ließ. Mit einem ähnlichen Barte sieht man in der Villa
Sr. Eminenz des Herrn Alexander Albani einen Kopf des Kaysers Otho, an welchem derselbe nicht weniger als am Augustus etwas
ungewöhnliches ist; auch Caligula ließ sich bisweilen den Bart wachsen.
$. 172. Unter den vom Dioscorides geschnittenen Steinen verdient auch ein Karniol in dem Museum des Fürsten von Piombino
bekannt gemacht zu werden; weder der auf demselben bezeichnete Name des Künstlers, noch die Arbeit des Kopfes können uns
verdächtig seyn, wenn wir den Stein selbst betrachten. Ein Zeitgenosse des Dioscorides scheint Solon, ebenfalls ein Künstler im
Steinschneiden, gewesen zu seyn; er ist berühmt durch seine Werke, von wel- [220] chen ich nur eine alte Paste aus dem Stoschischen
Museum mit dem Bildnisse einer Bacchantin anführe.
Von den alten Gemählden aus dieser Zeit und von dem Verfall der Mahlerey.
$. 173. Um ein richtiges Urtheil über die Kunst dieser und der folgenden Zeiten zu fällen, muß man die öffentlichen Denkmale
von den durch Privatpersonen veranstalteten Werken unterscheiden und auch bemerken, daß die Bildhauerey sich in einem gro-
ßem Glanze erhielt als die Mahlerey, welche auch von Freygelassenen geübt wurde, die im Dienste vornehmer und reicher Römer
standen; dieses erfährt man unter andern Denkmalen aus der in den Trümmern des alten Antium gefundenen Marmortafel,
die jetzt im Capitolinischen Museum ist und in dem Verzeichnisse von Kayserlichen Bedienten den Namen eines freygelassenen
Mahlers enthält. In der Stadt Antium war ebenfalls eine Säulenhalle, wo ein freygelassener Mahler des Nero Klopffechter in allen
nur denkbaren Stellungen gemahlt hatte. Solche Freygelassene wurden von den Römern gebraucht, die Palläste und Villen aus-
zumahlen; daher kann man den größten Theil der Gemählde, die aus den Trümmern der von der Asche und der Lava des Vesuvs
bedeckten Städte hervorgezogen sind, Mahlern von diesem Stande zuschreiben. Diese Erniedrigung war eine von den Ursachen
des Verfalls der Kunst, so daß Petronius sich beklagt, es finde sich in den [221] Gemählden seinerzeit nicht die mindeste Spur der
ehemaligen Meisterhafiigkeit. Durch diese Bemerkung geleitet, betrachte man verschiedene andere noch erhaltene alte Gemählde
von mittelmäßigem Verdienste; und vorausgesetzt, daß das Grabmal der Nasonen zu den Zeiten des Augustus ausgemahlt worden, so
ist der Oedipus mit der Sphinx in der Villa Altieri, das einzige noch übrige der von Sante Bartoli in Kupfer gestochenen Gemählde
dieses Grabmals, sehr plump gezeichnet, und eben so schlecht colorirt; indessen verdient es angemerkt zu werden, da man insgemein
glaubt, daß alle Gemählde jenes Grabmals vernichtet seyen. Wiewohl man aus diesen Gemählden sich nicht ein ganz sicheres und
festes Urtheil über den damaligen Zustand der Mahlerey im Allgemeinen bilden kann: so wird es doch immer ein Beweis von dem
Verfalle dieser Kunst seyn. Bey den alten Griechen, welche die Ausübung der Kunst der Zeichnung nur Personen von fireyer Geburt
erlaubten, weigerten sich die berühmtesten Meister nicht, Grabmale auszumahlen, wie wir aus dem Pausanias wissen, welcher eines
Grabmals gedenkt, das mit Gemählden des Nicias, eines der berühmtesten Mahler, ausgeziert war.
$. 174. Einen andern Beweis vom Verfall der Mahlerey zu den Zeiten des Augustus kann man aus der Nachricht des Plinius über
einen damaligen Mahler, [222] namsens Ludius, entlehnen. Dieser verzierte zuerst die Wände der Häuser mit Landschaften und
Aussichten, in welchen Häfen, Waldungen, Fischteiche und andere leblose Gegenstände das Auge ergötzten. Hieraus folgt, daß die
Mahlerey vor dem Ludius zur Verschönerung der Wände und Zimmer Vorstellungen aus dem menschlichen Leben entlehnten, und
nach Art der Dichter Bilder verfertigten, die für den Beschauer lehrreich waren und, anstatt ihn mit leeren Vorstellungen zu belusti-
gen, mehr seinen Geist und Verstand bildeten, als sein Auge durch die Zusammenstellung von hunderterley zwar anmuthigen aber
unbedeutenden Dingen ergötzten.
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Ausschmückung von Springbrunnen dienten; übrigens ist an der Statue in der erwähnten Villa nur der Rumpf alt. So wie nun bey
diesen Statuen das für eine Schlange gehaltene Armband die Ursache ihrer Benennung gewesen: eben so hat man auch eine kleine
bis unter den Gürtel nackte Diana von Erz im Museum des Collegium Romanum, welche sich, wie von der Jagd ermüdet, aufeine
ihrer Nymphen lehnt, für eben diese Aegyptische Königin gehalten, weil Patin in dem Bogen, den sie in der Hand hält, eine Schlange
erkennen wollte.
eschnittene Steine des Dioscorides.
$. 171. Unzweydeutige Denkmale der Kunst aus der Zeit, von welcher wir handeln, sind einige von den geschnittenen Steinen, die
den Namen des Dioscorides zeigen; denn die andern sind nicht alle ächt und unverfälscht, wenigstens in Ansehung des Namens. Es ist
bekannt, daßDioscorides die Köpfe des Augustus schnitt, mit welchen dieser und nach ihm andere Kayser zu siegeln [219]pflegten,
den Galba ausgenommen. Ein solcher Stein mit dem Bildnisse des Augustus und mit dem Namen des Dioscorides befand sich im
Hause Maffimi zu Rom; da man denselben aber in Gold fassen wollte, zerbrach er in drey Stücke. Ein Ansatz von Bart, welcher
an diesem Kopfe das Kinn und die Wangen des Augustus bekleidet, und sich an andern Köpfen desselben nicht findet, könnte auf
die Zeit der Niederlage der drey Legionen unter dem Befehle des Varus in Teutschland deuten, da wir wissen, daß Augustus zum
Zeichen seiner großen Betrübniß über diesen Verlust sich den Bart wachsen ließ. Mit einem ähnlichen Barte sieht man in der Villa
Sr. Eminenz des Herrn Alexander Albani einen Kopf des Kaysers Otho, an welchem derselbe nicht weniger als am Augustus etwas
ungewöhnliches ist; auch Caligula ließ sich bisweilen den Bart wachsen.
$. 172. Unter den vom Dioscorides geschnittenen Steinen verdient auch ein Karniol in dem Museum des Fürsten von Piombino
bekannt gemacht zu werden; weder der auf demselben bezeichnete Name des Künstlers, noch die Arbeit des Kopfes können uns
verdächtig seyn, wenn wir den Stein selbst betrachten. Ein Zeitgenosse des Dioscorides scheint Solon, ebenfalls ein Künstler im
Steinschneiden, gewesen zu seyn; er ist berühmt durch seine Werke, von wel- [220] chen ich nur eine alte Paste aus dem Stoschischen
Museum mit dem Bildnisse einer Bacchantin anführe.
Von den alten Gemählden aus dieser Zeit und von dem Verfall der Mahlerey.
$. 173. Um ein richtiges Urtheil über die Kunst dieser und der folgenden Zeiten zu fällen, muß man die öffentlichen Denkmale
von den durch Privatpersonen veranstalteten Werken unterscheiden und auch bemerken, daß die Bildhauerey sich in einem gro-
ßem Glanze erhielt als die Mahlerey, welche auch von Freygelassenen geübt wurde, die im Dienste vornehmer und reicher Römer
standen; dieses erfährt man unter andern Denkmalen aus der in den Trümmern des alten Antium gefundenen Marmortafel,
die jetzt im Capitolinischen Museum ist und in dem Verzeichnisse von Kayserlichen Bedienten den Namen eines freygelassenen
Mahlers enthält. In der Stadt Antium war ebenfalls eine Säulenhalle, wo ein freygelassener Mahler des Nero Klopffechter in allen
nur denkbaren Stellungen gemahlt hatte. Solche Freygelassene wurden von den Römern gebraucht, die Palläste und Villen aus-
zumahlen; daher kann man den größten Theil der Gemählde, die aus den Trümmern der von der Asche und der Lava des Vesuvs
bedeckten Städte hervorgezogen sind, Mahlern von diesem Stande zuschreiben. Diese Erniedrigung war eine von den Ursachen
des Verfalls der Kunst, so daß Petronius sich beklagt, es finde sich in den [221] Gemählden seinerzeit nicht die mindeste Spur der
ehemaligen Meisterhafiigkeit. Durch diese Bemerkung geleitet, betrachte man verschiedene andere noch erhaltene alte Gemählde
von mittelmäßigem Verdienste; und vorausgesetzt, daß das Grabmal der Nasonen zu den Zeiten des Augustus ausgemahlt worden, so
ist der Oedipus mit der Sphinx in der Villa Altieri, das einzige noch übrige der von Sante Bartoli in Kupfer gestochenen Gemählde
dieses Grabmals, sehr plump gezeichnet, und eben so schlecht colorirt; indessen verdient es angemerkt zu werden, da man insgemein
glaubt, daß alle Gemählde jenes Grabmals vernichtet seyen. Wiewohl man aus diesen Gemählden sich nicht ein ganz sicheres und
festes Urtheil über den damaligen Zustand der Mahlerey im Allgemeinen bilden kann: so wird es doch immer ein Beweis von dem
Verfalle dieser Kunst seyn. Bey den alten Griechen, welche die Ausübung der Kunst der Zeichnung nur Personen von fireyer Geburt
erlaubten, weigerten sich die berühmtesten Meister nicht, Grabmale auszumahlen, wie wir aus dem Pausanias wissen, welcher eines
Grabmals gedenkt, das mit Gemählden des Nicias, eines der berühmtesten Mahler, ausgeziert war.
$. 174. Einen andern Beweis vom Verfall der Mahlerey zu den Zeiten des Augustus kann man aus der Nachricht des Plinius über
einen damaligen Mahler, [222] namsens Ludius, entlehnen. Dieser verzierte zuerst die Wände der Häuser mit Landschaften und
Aussichten, in welchen Häfen, Waldungen, Fischteiche und andere leblose Gegenstände das Auge ergötzten. Hieraus folgt, daß die
Mahlerey vor dem Ludius zur Verschönerung der Wände und Zimmer Vorstellungen aus dem menschlichen Leben entlehnten, und
nach Art der Dichter Bilder verfertigten, die für den Beschauer lehrreich waren und, anstatt ihn mit leeren Vorstellungen zu belusti-
gen, mehr seinen Geist und Verstand bildeten, als sein Auge durch die Zusammenstellung von hunderterley zwar anmuthigen aber
unbedeutenden Dingen ergötzten.