Parte Prima [:] Della Mitologia sacra Sezione II. Della Deitä in particolare · Kommentar
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II. An dem Kopfe in dem Museo capitolino, den ich, wie ich oben gesagt, für die Leucothea halte, und unter Nr. 55. beybringe, scheint
es, daß der Bildhauer das habe ausdrücken wollen, was der alte Scholiast des Hesiodus (In Hesiod, theog. p. 234. B. I. 2.) durch das
BeywortEXiKoßXicpapop hat andeuten wollen. Dieses Wort erklärt man nemlich durch Augen, deren Augbraunen einen Kreis bilden,
der auf gewisse Art den Weinranken "Ελικες ähnlich ist. Andere Gräcisten nehmen dieses Wort im weitern Sinne und halten es mit
Καλλιβλέφαρος, mit schönen Augbraunen, für gleichbedeutend. Die von mir angegebene Etymologie scheint von Denen hergenom-
men zu seyn, bey welchen der Rand der Augbraunen etwas wellenförmig ist, wie an dem gegenwärtigen Kopfe der Leucothea. Die
Augbraunen sind übrigens bey einem jeden Menschen unvermerkt schlängelnd geformt; welches man ganz genau an den schönsten
antiken Köpfen, besonders beym Apollo und bey der Niobe, ausgedrückt sieht. Noch weit unterscheidender zeigt sich dieses bey colos-
salischen Figuren, wie z. B. bey der Juno in der Villa Ludovisi und bey dem Antinous in der Villa Mondragone zu Frascati.
III. Nachdem ich die eigentliche Form der königlichen Hauptbinde, die eine weibliche Statue haben muß, wenn man sie für eine
Leucothea halten will, und die notwendige Lage derselben bestimmt und zugleich bemerkt habe, daß sie die Einzige unter den
Gottheiten sey, die man an diesem Unterscheidungszeichen erkennt; so halte ich dafür, daß auch in einer Figur, von beynahe natürlicher
Größe, die auf einem Basrelief in der Villa des Kard. Alex. Albani erhaben gearbeitet und unter Nr. 56. zu sehen ist, die nemliche
Göttin vorgestellt sey, da sie eine breite Binde um den Kopf hat.
Ich gestehe es, ehe ich die Stelle in dem oben erwähnten H. Clemens fand, wußte ich den Inhalt der auf dem Marmorwerke befind-
lichen Vorstellung nicht zu erklären. Ich erblickte in der weiblichen Figur zwar eine Göttin, wegen des Fußschemels, welcher immer
einen über die menschliche Natur erhabenen Stand bedeutet, wie ich hernach beym dem Sarcophag, der die Vermählung des Peleus
und der Thetis vorstellt, beweisen werde: Allein ich wußte doch immer noch nicht, was für eine Göttin es seyn könnte. Ohne diese
Aufklärung würde daher dieses Kunstwerk in diesem Werke bloß wegen seines Styls und seiner Zeichnung Platz gefunden haben, indem
man darin noch den Anfang der Kunst entdeckt. Man kann daher gar nicht zweifeln, daß diese Arbeit aus den allerältesten Zeiten
der griechischen, oder vielmehr der etruscischen, Bildhauerkunst sey, wie ich schon in meiner vorläufigen Abhandlung gezeigt habe.
Außerdem nun, daß ich in diesem Marmorwerke Eins der ersten Werke der Bildhauerkunst gezeigt habe, könnte ich auch noch
bemerken, daß, wenn das Haar der Nymphen mit einer bloßen Binde, die so schmal und rund wie eine Schnur ist, umwunden ist,
wir dagegen sehen, daß bey der Ino oder Leucothea dieselbe in einem breiten Diademe bestehet: Dieses ist aber von einer so sonder-
baren Art, wie man es bisher noch auf keinem einzigen andern Kunstwerke gesehen hat, nemlich beynahe drey Finger breit und so
lang als die Stirn breit ist. Gebunden ist es mit zweyen Bändern, die an beyden Seiten desselben befestigt sind und die bis an den
hintern Theil des Kopfes gehen; so daß das Diadem beynahe einer Schleuder gleicht. Ich mögte daher fast glauben, daß dieses eben die
Binde sey, welche Aristophanes (Poll. Onom. L. 5. segm. 96.) Σφενδόνη, eine Schleuder, nennt. Dadurch wäre also nicht nur dieser
Schriftsteller, sondern auch alle Uebrigen (Eustath. ad Dionys. Perieg. v. 7.), die einer ähnlichen Binde Erwähnung thun, erläutert.
Leucothea hält mit ihren beyden Händen den kleinen Bacchus, der aufgerichtet auf ihrem Schooße steht. Die Erste von den
Nymphen, welche ihn aufzogen, hat eine kleine Schnur in der Hand, welche hinten an den Schultern des Bacchus durch zwey Bänder,
die sich aufder Brust durchkreuzen, angebunden ist und wahrscheinlich dazu gedient hat, um das Kind auf echt zu erhalten und es
gehen zu lehren, wie dies noch jetzt bey uns der Gebrauch ist.
Aufden Thron der Leucothea in unserm Marmorwerke kann man das Bey wort "Ευόρονος anwenden, das Pindar (Vit. Apoll.
L. 1. c. 19. p. 29.) den Töchtern des Cadmus, welche Leucothea, Semele, Autonoe und Agave heißen, beylegt; besonders da das Wort
Έυθρονος, im metaphorischen Sinne genommen, um damit die gedachten Töchter des Cadmus zu ehren, im eigentlichen Sinne den
Thron bedeuten kann, auf welchem man sie, und insbesondere die Leucothea, sitzend vorzustellen pflegte.
Uebrigens scheint es auch bey den ersten Künstlern immer der Gebrauch gewesen zu seyn, die Göttinnen sitzend vorzustellen: Denn
in dem Tempel der Juno zu Elis waren auch sogar die Statuen der Horen, die daselbst von Doryclidas, einem Schüler des Dipönus und
Scillis, der ältesten griechischen Bildhauer, die uns bekannt sind, erhaben gearbeitet waren, sitzend vorgestellt.
Aber wieder aufunser Marmorwerk zu kommen; so ist die Erste Nymphe um so viel größer als die beyden Andern, daß man sie, ehe
man den Inhalt kannte, für die Mutter der Uebrigen gehalten hat. Endlich bestätigt noch der Gottesdienst, den der Dictator Furius
Camillus nach der Einnahme der Stadt Veji zu Rom in den ersten Zeiten der Republik der Leucothea unter dem Namen der Matuta
anordnete, meine Meinung, daß dieses Werk nemlich eine etruscische Arbeit sey, indem es bekannt ist, daß die Römer [51] in jenen
Zeiten, wo sie noch in gar keinem Verkehr mit den Griechen standen, sich etruscischer Künstler bedienten.
239,24 La statua alNum. 54 esistente nella villa ... Albani: MI TextS. 238 Abb. 54; Statue der Eirene des Kephisodot
(,Leukothea‘), München, Glyptothek Inv. 219, ehemals Rom, Villa Albani (GK DenkmälerUr. 426). W. erkennt anhand des
Stils, daß es sich bei der Statue um ein griech. Werk handelt, und schließt daraus, daß nur eine griech., nicht die röm. Göttin
Rumina dargestellt sein könne. Von der ergänzten und heute entfernten Kanne in der Hand des Kindes ausgehend, deutet
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II. An dem Kopfe in dem Museo capitolino, den ich, wie ich oben gesagt, für die Leucothea halte, und unter Nr. 55. beybringe, scheint
es, daß der Bildhauer das habe ausdrücken wollen, was der alte Scholiast des Hesiodus (In Hesiod, theog. p. 234. B. I. 2.) durch das
BeywortEXiKoßXicpapop hat andeuten wollen. Dieses Wort erklärt man nemlich durch Augen, deren Augbraunen einen Kreis bilden,
der auf gewisse Art den Weinranken "Ελικες ähnlich ist. Andere Gräcisten nehmen dieses Wort im weitern Sinne und halten es mit
Καλλιβλέφαρος, mit schönen Augbraunen, für gleichbedeutend. Die von mir angegebene Etymologie scheint von Denen hergenom-
men zu seyn, bey welchen der Rand der Augbraunen etwas wellenförmig ist, wie an dem gegenwärtigen Kopfe der Leucothea. Die
Augbraunen sind übrigens bey einem jeden Menschen unvermerkt schlängelnd geformt; welches man ganz genau an den schönsten
antiken Köpfen, besonders beym Apollo und bey der Niobe, ausgedrückt sieht. Noch weit unterscheidender zeigt sich dieses bey colos-
salischen Figuren, wie z. B. bey der Juno in der Villa Ludovisi und bey dem Antinous in der Villa Mondragone zu Frascati.
III. Nachdem ich die eigentliche Form der königlichen Hauptbinde, die eine weibliche Statue haben muß, wenn man sie für eine
Leucothea halten will, und die notwendige Lage derselben bestimmt und zugleich bemerkt habe, daß sie die Einzige unter den
Gottheiten sey, die man an diesem Unterscheidungszeichen erkennt; so halte ich dafür, daß auch in einer Figur, von beynahe natürlicher
Größe, die auf einem Basrelief in der Villa des Kard. Alex. Albani erhaben gearbeitet und unter Nr. 56. zu sehen ist, die nemliche
Göttin vorgestellt sey, da sie eine breite Binde um den Kopf hat.
Ich gestehe es, ehe ich die Stelle in dem oben erwähnten H. Clemens fand, wußte ich den Inhalt der auf dem Marmorwerke befind-
lichen Vorstellung nicht zu erklären. Ich erblickte in der weiblichen Figur zwar eine Göttin, wegen des Fußschemels, welcher immer
einen über die menschliche Natur erhabenen Stand bedeutet, wie ich hernach beym dem Sarcophag, der die Vermählung des Peleus
und der Thetis vorstellt, beweisen werde: Allein ich wußte doch immer noch nicht, was für eine Göttin es seyn könnte. Ohne diese
Aufklärung würde daher dieses Kunstwerk in diesem Werke bloß wegen seines Styls und seiner Zeichnung Platz gefunden haben, indem
man darin noch den Anfang der Kunst entdeckt. Man kann daher gar nicht zweifeln, daß diese Arbeit aus den allerältesten Zeiten
der griechischen, oder vielmehr der etruscischen, Bildhauerkunst sey, wie ich schon in meiner vorläufigen Abhandlung gezeigt habe.
Außerdem nun, daß ich in diesem Marmorwerke Eins der ersten Werke der Bildhauerkunst gezeigt habe, könnte ich auch noch
bemerken, daß, wenn das Haar der Nymphen mit einer bloßen Binde, die so schmal und rund wie eine Schnur ist, umwunden ist,
wir dagegen sehen, daß bey der Ino oder Leucothea dieselbe in einem breiten Diademe bestehet: Dieses ist aber von einer so sonder-
baren Art, wie man es bisher noch auf keinem einzigen andern Kunstwerke gesehen hat, nemlich beynahe drey Finger breit und so
lang als die Stirn breit ist. Gebunden ist es mit zweyen Bändern, die an beyden Seiten desselben befestigt sind und die bis an den
hintern Theil des Kopfes gehen; so daß das Diadem beynahe einer Schleuder gleicht. Ich mögte daher fast glauben, daß dieses eben die
Binde sey, welche Aristophanes (Poll. Onom. L. 5. segm. 96.) Σφενδόνη, eine Schleuder, nennt. Dadurch wäre also nicht nur dieser
Schriftsteller, sondern auch alle Uebrigen (Eustath. ad Dionys. Perieg. v. 7.), die einer ähnlichen Binde Erwähnung thun, erläutert.
Leucothea hält mit ihren beyden Händen den kleinen Bacchus, der aufgerichtet auf ihrem Schooße steht. Die Erste von den
Nymphen, welche ihn aufzogen, hat eine kleine Schnur in der Hand, welche hinten an den Schultern des Bacchus durch zwey Bänder,
die sich aufder Brust durchkreuzen, angebunden ist und wahrscheinlich dazu gedient hat, um das Kind auf echt zu erhalten und es
gehen zu lehren, wie dies noch jetzt bey uns der Gebrauch ist.
Aufden Thron der Leucothea in unserm Marmorwerke kann man das Bey wort "Ευόρονος anwenden, das Pindar (Vit. Apoll.
L. 1. c. 19. p. 29.) den Töchtern des Cadmus, welche Leucothea, Semele, Autonoe und Agave heißen, beylegt; besonders da das Wort
Έυθρονος, im metaphorischen Sinne genommen, um damit die gedachten Töchter des Cadmus zu ehren, im eigentlichen Sinne den
Thron bedeuten kann, auf welchem man sie, und insbesondere die Leucothea, sitzend vorzustellen pflegte.
Uebrigens scheint es auch bey den ersten Künstlern immer der Gebrauch gewesen zu seyn, die Göttinnen sitzend vorzustellen: Denn
in dem Tempel der Juno zu Elis waren auch sogar die Statuen der Horen, die daselbst von Doryclidas, einem Schüler des Dipönus und
Scillis, der ältesten griechischen Bildhauer, die uns bekannt sind, erhaben gearbeitet waren, sitzend vorgestellt.
Aber wieder aufunser Marmorwerk zu kommen; so ist die Erste Nymphe um so viel größer als die beyden Andern, daß man sie, ehe
man den Inhalt kannte, für die Mutter der Uebrigen gehalten hat. Endlich bestätigt noch der Gottesdienst, den der Dictator Furius
Camillus nach der Einnahme der Stadt Veji zu Rom in den ersten Zeiten der Republik der Leucothea unter dem Namen der Matuta
anordnete, meine Meinung, daß dieses Werk nemlich eine etruscische Arbeit sey, indem es bekannt ist, daß die Römer [51] in jenen
Zeiten, wo sie noch in gar keinem Verkehr mit den Griechen standen, sich etruscischer Künstler bedienten.
239,24 La statua alNum. 54 esistente nella villa ... Albani: MI TextS. 238 Abb. 54; Statue der Eirene des Kephisodot
(,Leukothea‘), München, Glyptothek Inv. 219, ehemals Rom, Villa Albani (GK DenkmälerUr. 426). W. erkennt anhand des
Stils, daß es sich bei der Statue um ein griech. Werk handelt, und schließt daraus, daß nur eine griech., nicht die röm. Göttin
Rumina dargestellt sein könne. Von der ergänzten und heute entfernten Kanne in der Hand des Kindes ausgehend, deutet