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Winckelmann, Johann Joachim; Borbein, Adolf Heinrich [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Hrsg.]; Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Winckelmann-Gesellschaft [Hrsg.]; Balensiefen, Lilian [Mitarb.]
Schriften und Nachlaß (Band 6,2): Monumenti antichi inediti spiegati ed illustrati: Roma 1767; Kommentar — [Darmstadt]: von Zabern, 2014

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Volume Secondo: Parte seconda Mitologia storica. Sezione I. del Seculo anterirore alla Guerra di Troja. Kommentar
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https://doi.org/10.11588/diglit.58930#0433
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Parte seconda [:] Mitologia storica Sezione I. Del Seculo anteriore alla Guerra di Troja · Kommentar

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die bejahrte Frau angetroffen zu haben. Die betrübnißvolle Miene derselben, die sich für Jemanden, der Theil an seinem Schicksale
nahm, sehr gut schickt, macht es um so wahrscheinlicher, daß es die Säugamme der Alope sey und daß sie ihm das Geheimniß seiner
Geburt entdecke. Die Aufmerksamkeit des Hippothous aufihre Worte und sein alter Gefährte, der mit thränenden Augen nach dem
Quell, in welchen Alope verwandelt worden war, hinblickt, geben meiner Vermuthung noch mehr Grund.
Ich kann nicht umhin, den Irrthum zu bemerken, der sich in dem Scholiasten des Aristophanes in Betreff des Hippothoon
(Aristophan. Av. v. 560.) findet und wahrscheinlich sich von Unwissenheit der Abschreiber herschreibt, bis jetzt aber noch von keinem
einzigen Commentator desselben bemerkt worden ist. In dem verderbten Texte dieses alten Auslegers heißt es: Hippothoon, der Sohn
des Neuptunus, habe mit der Alope, der Tochter des Cercyon, zu thun gehabt. Ich aber verbessere ihn auf diese Art: ’Αλόπη Κερκύονος
Βυγατήρ, ή Ποσειδών σννήν, καί έγέννησεν εξ αυτήν παΐδα Ίππόθοον, Alope, Tochter des Cercyon, mit welcher Neptunus zu thun
hatte, und von ihr einen Sohn bekam, der Hippothoos hieß. [16] Wenn man nun Begers Auslegung mit der Meinigen zusammen-
hält; so wird die Richtigkeit dieser und die Unrichtigkeit jener desto deutlicher erhellen. Das von ihm angegebene Sujet ist Folgendes.
Cephalus, der Procris Gatte, wurde von Auroren geliebt und en führt. Allein sie konnte ihn nicht dahin bringen, die eheliche Treue
zu verletzten. Da es ihr also nicht geglückt war, ihre Wünsche zu befriedigen; so gab sie ihn seiner Gattin wieder; rieth im jedoch, ihre
Treue durch viele und große Geschenke aufdie Probe zu stellen, die er ihr selbst anbieten und zu welchem Ende er seine Kleidung und
seine ganze Gestalt verändern sollte. Der von der Aurora ausgedachte Streich fiel nicht nach Wunsch aus. Procris, durch die Geschenke
gelockt, ergab sich dem Willen ihres verkannten Gatten, und flöhe, als sie ihren Irrthum einsahe, nach Creta, wo sie von der Diana
einen Jagdspieß und einen Hund, die nie fehlten, zum Geschenke erhielt. Mit diesen kehrte sie zu ihrem Manne zurück, stellte auch
seine Treue auf die Probe und war so glücklich, sie ebenfalls wankend zu machen, worauf sie sich mit einander wieder aussöhnten. Da
ihr indessen noch einige Funken von Eifersucht im Herzen übrig geblieben waren; so argwohnte sie, Cephalus mögte, da er täglich so
frühe auf die Jagd ging, in irgend eine Nymphe verliebt seyn. Sie schlich ihm also einst nach und verbarg sich hinter dem Gebüsche,
um die Wahrheit zu erfahren. Cephalus, von der Jagd ermüdet, rief die Luft (Aura) an, ihn ein wenig zu erquicken. Procris, welche
den Namen der von ihrem Gatten geliebten Nymphe zu hören glaubte, bewegte sich bey diesen Worten und sprang aus dem Gebüsche
hervor. Cephalus aber, der sie in dem ersten Augenblicke für ein aus dem Dickicht hervorspringendes Wild hielt, verwundete sie mit
dem Jagdspieße, das sie ihm selbst gegeben hatte, tödtlich. Der Irrthum ward entdeckt, indem Procris noch in dem letzten Athemzuge,
der ihr Leben endigte, den Cephalus bat, doch nicht die Aura zu heirathen.
Beger hat also geglaubt, daß Cephalus auf dem Throne sitze und der Procris, für welche er die neben dem Könige stehende weib-
liche Figur hält, die eheliche Treue schwöre. Ferner ist ihm zufolge der oben halb nackende Held Cephalus in veränderter Gestalt,
wie ihn Procris, durch die Geschenke verführt, in ihr Bett aufnimmt. Für eben diesen Cephalus hält er auch den Jüngling mit dem
Jagdspieße, wiewohl er auf seiner Zeichnung einen starken Bart hat. In der in einem Quell verwandelten Alope sieht er die Aura und
die bejahrte Frau ist ihm die im Rasen verborgene Procris. Doch wir wollen Begers Auslegung bey Seite setzen und nur bemerken,
daß unser Marmorwerk alle Schriftsteller, welche der Fabel von der Alope erwähnen, und besonders den Harpocration mit seinen
Commentatoren, erklären kann.
Von andern Fabeln, welche mit der von der Alope Aehnlichkeit haben, sind keine vollständige Nachrichten auf uns gekommen.
Es giebt indessen Einige dergleichen, wie z.B. die Verwandlung der Merope, der Tochter Eines von den Titanen, in einen Hirsch.
Euripides ist der einzige Schriftsteller, der dieser Verwandlung Erwähnung thut (Helen, v. 388.).
Indem ich durch meine Gründe gesucht habe, ein Factum aus dem heroischen Zeitalter, das bey nahe erloschen ist, zu ergänzen; so
wird es hier nicht am unrechten Orte angebracht seyn, wenn ich noch ein Anderes, wiewohl ohne Figuren, hinzusetze. Da uns die
Erzählung davon ohne Einen der Hauptumstände überliefert worden ist; so scheint es mir, daß man denselben aus einem gewissen
Winke hernehmen könne, den Plutarchus in dem Gastmahle der sieben Weisen Griechenlands giebt und den man bis jetzt nicht
verstanden hat (Conv. VII. Sap. p .284.).
Man glaubte, daß, als Cypselus, der Vater des Periander, Tyrannen von Corinth, als Kind von seiner Mutter in einen Kasten einge-
schlossen und so ins Meer geworfen worden sey, um ihn vordem Tode zu schützen, den die Bacchiaden, eine sehr mächtige Parthey in
dieser Stadt, ihm zugedacht hatten, vom Neptunus wunderbarer weise sey erhalten worden. Nun läßt Plutarchus in dem erwähnten
Gastmahle bey der Gelegenheit, wo er den Pittacus auf der einen und den Periander, Tyrannen von Corinth, Einen der sieben Weisen
und Sohn des Cypselus, auf der andern Seite redend einführt, den Pittacus zum Periander sagen: Es ist mir schon mehrmals eingefallen,
wenn von dem Chersias (dies war ein Dichter, der bey der Unterredung zugegen war) des Kastens des Cypselus erwähnt wurde, Dich
zuftagen, was denn wohl die am Fuße eines Palmenbaumes darauf geschnitzten Frösche bedeuten könnten, oder welche Beziehung
sie entweder auf die Gottheit (Neptunus), oder auf den dem Tode entronnenen Cypselus selbst haben. Da hierauf Periander antwortet,
er verweise ihn wegen der verlangten Erklärung auf den Chersias; sagt dieser lachend: Ich werde die Erklärung nicht geben, ehe ich
nicht von diesen (nemlich den versammelten Weisen) die Auslegung des Spruchs: Ne quid nimis, gehört haben werde. Pittacus fängt
hierauf an, mit dem Aesopus über diesen und andere Sprüche der Weisen zu sprechen, und ihre Unterredung endigt sich so, daß weder
 
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