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Winckelmann, Johann Joachim; Borbein, Adolf Heinrich [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Hrsg.]; Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Winckelmann-Gesellschaft [Hrsg.]; Balensiefen, Lilian [Mitarb.]
Schriften und Nachlaß (Band 6,2): Monumenti antichi inediti spiegati ed illustrati: Roma 1767; Kommentar — [Darmstadt]: von Zabern, 2014

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Volume Secondo: Parte quarta Ritti, Costumi ed Arti. Kommentar
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https://doi.org/10.11588/diglit.58930#0678
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676

Kommentare zu S. 489-549

Ich mögte daher wohl behaupten, daß, daAristophanes der berühmteste Schriftsteller im komischen Fache gewesen ist, er auch in
mehrern Stellen seiner Lustspiele von sich selbst gesagt hat, daß er einen kahlen Kopfhabe, gerade so, wie die gegenwärtige Maske ist
(Aristoph. Pac v. 767. Nab. v. 545. 552. Equit. v. 1288.) und man überdem auch weiß, daß eine Büste oder Statue von ihm gleich-
falls mit Epheu umkränzt war (Anthol. Lib. I. cap. 67. p. 93. I. 23.), der Künstler eben ihn auf diesem geschnittenen Steine habe
vorstellen wollen. Diesem Epheu wird in dem unten angeführten Epigramme das Prädikat des Akarnaischen [richtig: acharnischen]
(Κισσός Άχαρνενς) beygelegt, weil man glaubte, daß Bacchus in dieser Gegend des atheniensischen Gebietes den ersten Epheustrauch
habe hervorwachsen lassen (Pausan. Lib. I. p. 78. I. 17.). Da nunAristophanesausAkarnanien [richtig: Acharnai] gebürtig war; so
konnte man vielleicht annehmen, der Künstler habe eben aus diesem Grunde die Maske mit Epheu umwunden, um sein Vaterland
dadurch anzudeuten. Doch könnte er auch vielmehr durch den Epheu diesen Comiker haben verspotten wollen, dem man Schuld
gab, er habe nie anders ein Lustspiel verfertigt, als wenn er vom Weine benebelt und erhitzt gewesen sey (Athen. Deipn. Lib. X. p.
429. I. 2.). Aus diesen Gründen scheint es, daß der Epheukranz keinem andern Comiker als dem Aristophanes zukommen könne.
Meine Vermuthung wird auch noch um so wahrscheinlicher, da man auch aufandern geschnittenen Steinen ähnliche Köpfe findet,
welche man gleichfalls nicht für eine eigensinnige Idee der Künstler erklären muß, sondern die vielmehr, wie ich glaube, absichtlich
gemacht worden sind, um Einen der berühmtesten Comiker, dergleichen Aristophanes war, vorzustellen.
Die Biene könnte übrigens als ein Sinnbild der Beredsamkeit dieses Schriftstellers betrachtet werden, so wie die süßen Lieder der
Dichter von den Flügeln der Bienen Musen, von den honigreichen [115] Flügeln, Μέλεα μελιηπτερωτα Μονσαν, genannt worden
sind (Id. Lib. XIV. p. 633. A.). Es ist bekannt, daß man erzählt, daß, als Pindarus einst in seiner Jugend auf dem Felde eingeschlafen
sey, die Bienen Honig auf seine Lippen gebracht hätten (Pausan. Lib. IX. p. 754. I. 35. Anthol. Lib. III. cap. 25. p. 272. I. 31. Lib.
IV. cap. 27. p. 367. I. 9.). Es ist daher leicht möglich, daß der Verfertiger unseres geschnittenen Steines dem Aristophanes durch die
Biene, die sich seinen Lippen nähert, dieselbe Ehre habe beylegen wollen: so wie ein ungenannter Dichter dieselbe dem Menander,
einem berühmten Comiker nach dem Aristophanes, beylegte (Antholog. Lib. 1. cap. 57. p. 93. I. 29.).
Allein, allen diesen Gründen, die ich angeführt habe, um zu beweisen, daß durch die aufunserm geschnittenen Steine befindliche
Maske Aristophanes vorgestellt sey, könnte man einen marmornen Kopf entgegenstellen, welchen Achilles Statius, Bellori und nach
ihnen Jakob Gronoviusfür den Kopf des Aristophanes ausgegeben haben, und den man in der Villa Medici mit dem Namen dieses
Comikers findet, der aber von dem hier befindlichen sehr verschieden ist. Dieser Ein wurf läßt sich aber leicht widerlegen. Man hat
ohne Zweifel eine Herma ohne Kopf mit dem Namen Aristophanes gefunden. Daher steht derjenige, den man neu darauf gesetzt
hat, sehr übel darauf, theils wegen der Ritzen, die man bey der Zusammenfügung sieht, theils wegen des Mißverhältnisses, so daß der
Eine mit dem Andern nichts zu thun hat. Fulvio Orsini, der dieses bemerkte, wagte es daher nicht, bey der Bekanntmachung des
Kupferstichs diesen Kopf für einen Aristophanes auszugeben. Dessen würde sich gewiß auch, um des Statius und Bellori nicht weiter
zu erwähnen, Gronovius enthalten haben (Thesaur. antiquitat. graecar. Tom. II. tab. 68.), wenn er das Original gesehen hätte; ich
sage, wenn er das Original gesehen hätte; denn er erzählt, daß es ihm sonderbar geschienen habe, daß man unter den von Orsini
bekannt gemachten Bildnissen [nur] die Herma allein ohne den Kopfsehe; der Grund davon ist doch wohl kein Anderer, als weil
derjenige, den man darauf gesetzt hat, nicht dazu gehörte.
C. Der angebliche Seneca im Bade in der Villa Borghese giebt mir Veranlassung, unter Nr. 193. eine kleine marmorne Figur auf-
zuführen, die sich in der Villa des Kardinals Alexander Albani befindet. Sie stellt ohne allen Zweifel einen Sklaven aus der Comödie
vor, der mit dem Handkorbe in der linken Hand aufden Markt geschickt worden ist, um Etwas für den Tisch einzukaufen, wie der
Sosias derAndria im Terentius. Eine andere, dieser ähnliche, Figur von der nemlichen Größe, aber ohne Maske, findet man gleichfalls
in der genannten Villa. Beyde gleichen sehr einer Statue in der Villa Pamfili von natürlicher Größe, welche, bis auf den Marmor,
dem oben erwähnten fälschlich sogenannten Seneca so sehr gleichen, daß die eine Statue eine Copie der Andern zu seyn scheint. Der
Marmor derjenigen in der Villa Borghese ist aschgrau, der der Andern aber in der Villa Pamfili weiß. Aus dieser Vergleichung nun,
glaube ich, läßt sich schließen, daß auch jener angebliche Seneca einen Sklaven vorstelle. Die Benennung, unter welcher diese Statue
bis dahin bekannt gewesen ist, kann keinen andern Grund haben, als den nach vorn zu gebeugten Körper und einige, wiewohl
entfernte, Aehnlichkeit mit den Köpfen, welche unter dem Namen dieses Philosophen bekannt sind. Nach dieser Voraussetzung hat
man sich nun auch beym Ergänzen gerichtet, indem man statt der fehlenden Füße ein Gefäß von afrikanischem Marmor verfertigte,
in welches diese Statue nun hineingesetzt wurde, um so eine Badewanne herauszubringen: Außerdem sind aber auch noch die Arme
neu angesetzt. Die Aehnlichkeit des Kopfes dieser Statue mit denen des Seneca ist indessen keine Andere, als Diejenige, welche ein
runzelichtes Gesicht, von welcher Art es sey, mit andern runzlichten Gesichtern haben kann. Ich will damit sagen, daß, wenn dieselbe
nicht größer ist, sich viele Schwierigkeiten dabey einfinden, besonders in Ansehung der Haare, welche die Stirn dieses Philosophen
bedecken, da hingegen bey beyden Statuen die Stirn kahl ist.
 
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