Parte quarta [:] Riti, Costumi ed Arti · Kommentar
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Wie groß die Wahrscheinlichkeit sey, worauf diese Meinung sich gründet, überlasse ich Denen zu beurtheilen, welche in Italien
oder anderswo die Höhe dieser Einfassungen, die gewiß nicht mehr als eine Spanne beträgt, mit Aufmerksamkeit betrachtet haben.
Nahe an den Städten oder in niedrigen Gegenden waren die Landstraßen zur Bequemlichkeit der Reisenden, mit kleinen Mauern
eingefaßt, die aus viereckigten Steinen von einer Art Lava bestanden. Es ist aus dem Plutarchus bekannt, daß Cajus Grachus Blöcke
dahin setzen ließ, um die Straßen sowohl für Diejenigen, welche ritten, als für die Fußgänger bequemer zu machen: Wenn indessen
die Bequemlichkeit dazu dienen sollte, um leichter aufs Pferd steigen zu können; so war dieselbe nicht bloß nahe an den Städten,
sondern in der ganzen Ausdehnung der Landstraßen, nothwendig. Pratilli, von Bergier aufgemuntert, behauptet im Vertrauen auf
die Leichtgläubigkeit seiner Leser kühnlich, daß diese Blöcke immer von zwanzig zu zwanzig Schritten aufgestellt gewesen seyen (De
via Appia, Lib. I. cap. 7. p. 39.); aber aus einer andern Stelle seines Buches erhellt offenbar, daß er die Randsteine für das nimmt,
was er anfänglich Blöcke nennt.
Wir wollen indessen alle diese Geburten der Einbildungskraft verlassen und unser Kunstwerk näher betrachten. Daß die Alten
wirklich auf irgend eine Bequemlichkeit gedacht haben, um mit Leichtigkeit aufs Pferd zu steigen, sieht man aus dem geschnittenen
Steine im stoschischen Kabinette, den ich hier unter Nr. 202. aujführe. Man erblickt darauf einen Krieger, der mit der rechten Hand
den Zügel eines Pferdes und zugleich die Lanze hält, welche an die rechte Schulter desselben gelehnt ist, und den rechten Fuß aufein
Stück Eisen setzt, welches an dem untern Theile der Stange der Lanze horizontal hervorragt. Dieselbe Bequemlichkeit ist auf einer
alten Paste eben dieses Kabinets vorgestellt und wird auch noch durch den Abdruck eines geschnittenen Steines bestätigt, der sich in
der großen Sammlung der vom verstorbenen Baron von Stosch gemachten Abdrücke befindet.
Die Bequemlichkeit, sich mit Hülfe des Spießes aufs Pferd zu schwingen, läßt sich auch noch aus einer Stelle des Xenophon erwei-
sen, die bis jetzt noch von keinem Ausleger verstanden worden ist, und die ich in meiner Beschreibung der geschnittenen Steine des
stoschischen Kabinets angeführt und erklärt habe (p. 171.). Dieser Schriftsteller bedient sich in der Abhandlung von der Reutkunst
in der Stelle, wo er von der Art, geschickt aufs Pferd zu steigen, spricht, der Redensart: Άπό δόρατος αναπηδάν, vom Spieß oder mit
Hülfe des Spießes aufs Pferd steigen (Xenoph. equit. cap. 7. §. 1.). Diese Art zeigt nun unser geschnittener Stein, so wie er auch die
Stelle im Xenophon erläutert. Diejenigen, welche in der griechischen Sprache bewandert sind, werden das Άπό δόρατος welches sagen
will vom Spieße, von dem militärischen Ausdruck: Έπί Sopv oder Έκ δόρατος welches bedeutet, von der Seite des Spießes, d. h. zur
rechten Hand, als in welcher man den Spieß hielt, unterscheiden; so wie der Ausdruck: Έ,π άσπίδος, von der Seite des Schildes, die
linke Hand bedeutet, an deren Arm der Schild befestigt war.
525,8 mit Anm. 1-2 IlNaudeo... asserisce il contrario... autoritä di Polluce: W. verweist auf den Bibliothekar des Kardinals
und Ministers Jules Mazarin (1602-1662), den frz. Gelehrten Gabriel Naude (1600-1653). In dessen Schrift „Syntagma
de Studio militari” (Roma 1637 S. 223) findet sich eine längere Abhandlung zu der Frage, ob man in der Antike Steigbügel
kannte. Naude wundert sich, daß bislang ein Passus bei Pollux (Poll. 1,215; ed. Bethe I S. 67-68) übersehen worden sei, aus
dem hervorgehe, daß es in der Antike Steigbügel gegeben habe. Diese hätten jedoch nicht dazu gedient, beim Aufsteigen auf
das Pferd behilflich zu sein, sondern dazu, stehend zu reiten. Er bietet folgende Übersetzung des betreffenden Satzes im Text
des Pollux, die mit derjenigen der auch von W. benutzten Pollux-Edition identisch ist (Julii Pollucis Onomasticum. Graece
et Latine. [...] emendatum, suppletum et illustratum [...] accedit commentarius doctissimus Gothofredi Jungermanni [...]
Joachimi Kühnii [...] omnia contulerunt Joh. Henricus Lederlinus [...] et Tiberius Hemsterhuis [...], Amstelaedami 1706
S. 130): stapedes enim magis standum quam insidendum parati sunt. („Steigbügel sind nämlich mehr zum Stehen als zum
Sitzen da.“) Der Text des Pollux, in dem davon die Rede ist, daß der Reiter auf dem Pferd mehr die Haltung eines Stehenden
als eines Sitzenden einzunehmen habe, lautet jedoch in allen Editionen: καί γάρ ή ισχύς πλέον έπί των έστηκότων ή έπί των
έγκαθεζομένων. „Die Kraft ist nämlich mehr bei den Stehenden als bei den Sitzenden“. Dafür, daß ισχύς („Kraft“) auch die
Bedeutung „Steigbügel“ haben konnte, gibt es keine Belege.
525,10 mit Anm. 3 glossario del Du Gange: W. verweist auf das berühmte Wörterbuch des frz. Philologen, Historikers und
Juristen Charles du Fresne (sieur du Gange, 1610-1688): Glossarium ad scriptores mediae et infimae latinitatis I—III, Paris
1678. Es erfuhr zahlreiche Neuaufl. und Überarbeitungen und ist bis heute in Gebrauch. In den meisten Ausgabe findet sich
das von W. genannte Lemma ,Bistapia‘ nicht. W. benutzte offenbar die Ausgabe Parisiis 1733 Bd. I Sp. 1184-1185.
525,12-13 mit Anm. 4 Αναβολείς: Der άναβολεύς („der, der aufs Pferd hilft“) ist 1t. Suda s. v. Άναβολεύς (ed. Adler IS. 162)
demjenigen behilflich, der ein Pferd besteigt, und wird insbesondere vom König herbeigerufen, wenn dieser schnell aufsteigen
will. Άναβολεύς war aber auch der Terminus für „Steigbügel“; s. LSJ s. v. άναβολεύς. In der SHA Aelius Spartianus, Carac.
7,2 (Scriptores Historiae Augustae edidit Ernestus Hohl, editio stereotypa correctior, addenda et corrigenda adiecerunt Ch.
Samberger et W. Seyfarth, Leipzig 1965 Bd. IS. 188) wird geschildert, wie Kaiser Caracalla von seinem ,strator‘ („Reitknecht“)
umgebracht wird. Wie in der kommentierten Ausgabe Historiae Augustae Scriptores VI cum intergris notis Isaaci Casauboni,
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Wie groß die Wahrscheinlichkeit sey, worauf diese Meinung sich gründet, überlasse ich Denen zu beurtheilen, welche in Italien
oder anderswo die Höhe dieser Einfassungen, die gewiß nicht mehr als eine Spanne beträgt, mit Aufmerksamkeit betrachtet haben.
Nahe an den Städten oder in niedrigen Gegenden waren die Landstraßen zur Bequemlichkeit der Reisenden, mit kleinen Mauern
eingefaßt, die aus viereckigten Steinen von einer Art Lava bestanden. Es ist aus dem Plutarchus bekannt, daß Cajus Grachus Blöcke
dahin setzen ließ, um die Straßen sowohl für Diejenigen, welche ritten, als für die Fußgänger bequemer zu machen: Wenn indessen
die Bequemlichkeit dazu dienen sollte, um leichter aufs Pferd steigen zu können; so war dieselbe nicht bloß nahe an den Städten,
sondern in der ganzen Ausdehnung der Landstraßen, nothwendig. Pratilli, von Bergier aufgemuntert, behauptet im Vertrauen auf
die Leichtgläubigkeit seiner Leser kühnlich, daß diese Blöcke immer von zwanzig zu zwanzig Schritten aufgestellt gewesen seyen (De
via Appia, Lib. I. cap. 7. p. 39.); aber aus einer andern Stelle seines Buches erhellt offenbar, daß er die Randsteine für das nimmt,
was er anfänglich Blöcke nennt.
Wir wollen indessen alle diese Geburten der Einbildungskraft verlassen und unser Kunstwerk näher betrachten. Daß die Alten
wirklich auf irgend eine Bequemlichkeit gedacht haben, um mit Leichtigkeit aufs Pferd zu steigen, sieht man aus dem geschnittenen
Steine im stoschischen Kabinette, den ich hier unter Nr. 202. aujführe. Man erblickt darauf einen Krieger, der mit der rechten Hand
den Zügel eines Pferdes und zugleich die Lanze hält, welche an die rechte Schulter desselben gelehnt ist, und den rechten Fuß aufein
Stück Eisen setzt, welches an dem untern Theile der Stange der Lanze horizontal hervorragt. Dieselbe Bequemlichkeit ist auf einer
alten Paste eben dieses Kabinets vorgestellt und wird auch noch durch den Abdruck eines geschnittenen Steines bestätigt, der sich in
der großen Sammlung der vom verstorbenen Baron von Stosch gemachten Abdrücke befindet.
Die Bequemlichkeit, sich mit Hülfe des Spießes aufs Pferd zu schwingen, läßt sich auch noch aus einer Stelle des Xenophon erwei-
sen, die bis jetzt noch von keinem Ausleger verstanden worden ist, und die ich in meiner Beschreibung der geschnittenen Steine des
stoschischen Kabinets angeführt und erklärt habe (p. 171.). Dieser Schriftsteller bedient sich in der Abhandlung von der Reutkunst
in der Stelle, wo er von der Art, geschickt aufs Pferd zu steigen, spricht, der Redensart: Άπό δόρατος αναπηδάν, vom Spieß oder mit
Hülfe des Spießes aufs Pferd steigen (Xenoph. equit. cap. 7. §. 1.). Diese Art zeigt nun unser geschnittener Stein, so wie er auch die
Stelle im Xenophon erläutert. Diejenigen, welche in der griechischen Sprache bewandert sind, werden das Άπό δόρατος welches sagen
will vom Spieße, von dem militärischen Ausdruck: Έπί Sopv oder Έκ δόρατος welches bedeutet, von der Seite des Spießes, d. h. zur
rechten Hand, als in welcher man den Spieß hielt, unterscheiden; so wie der Ausdruck: Έ,π άσπίδος, von der Seite des Schildes, die
linke Hand bedeutet, an deren Arm der Schild befestigt war.
525,8 mit Anm. 1-2 IlNaudeo... asserisce il contrario... autoritä di Polluce: W. verweist auf den Bibliothekar des Kardinals
und Ministers Jules Mazarin (1602-1662), den frz. Gelehrten Gabriel Naude (1600-1653). In dessen Schrift „Syntagma
de Studio militari” (Roma 1637 S. 223) findet sich eine längere Abhandlung zu der Frage, ob man in der Antike Steigbügel
kannte. Naude wundert sich, daß bislang ein Passus bei Pollux (Poll. 1,215; ed. Bethe I S. 67-68) übersehen worden sei, aus
dem hervorgehe, daß es in der Antike Steigbügel gegeben habe. Diese hätten jedoch nicht dazu gedient, beim Aufsteigen auf
das Pferd behilflich zu sein, sondern dazu, stehend zu reiten. Er bietet folgende Übersetzung des betreffenden Satzes im Text
des Pollux, die mit derjenigen der auch von W. benutzten Pollux-Edition identisch ist (Julii Pollucis Onomasticum. Graece
et Latine. [...] emendatum, suppletum et illustratum [...] accedit commentarius doctissimus Gothofredi Jungermanni [...]
Joachimi Kühnii [...] omnia contulerunt Joh. Henricus Lederlinus [...] et Tiberius Hemsterhuis [...], Amstelaedami 1706
S. 130): stapedes enim magis standum quam insidendum parati sunt. („Steigbügel sind nämlich mehr zum Stehen als zum
Sitzen da.“) Der Text des Pollux, in dem davon die Rede ist, daß der Reiter auf dem Pferd mehr die Haltung eines Stehenden
als eines Sitzenden einzunehmen habe, lautet jedoch in allen Editionen: καί γάρ ή ισχύς πλέον έπί των έστηκότων ή έπί των
έγκαθεζομένων. „Die Kraft ist nämlich mehr bei den Stehenden als bei den Sitzenden“. Dafür, daß ισχύς („Kraft“) auch die
Bedeutung „Steigbügel“ haben konnte, gibt es keine Belege.
525,10 mit Anm. 3 glossario del Du Gange: W. verweist auf das berühmte Wörterbuch des frz. Philologen, Historikers und
Juristen Charles du Fresne (sieur du Gange, 1610-1688): Glossarium ad scriptores mediae et infimae latinitatis I—III, Paris
1678. Es erfuhr zahlreiche Neuaufl. und Überarbeitungen und ist bis heute in Gebrauch. In den meisten Ausgabe findet sich
das von W. genannte Lemma ,Bistapia‘ nicht. W. benutzte offenbar die Ausgabe Parisiis 1733 Bd. I Sp. 1184-1185.
525,12-13 mit Anm. 4 Αναβολείς: Der άναβολεύς („der, der aufs Pferd hilft“) ist 1t. Suda s. v. Άναβολεύς (ed. Adler IS. 162)
demjenigen behilflich, der ein Pferd besteigt, und wird insbesondere vom König herbeigerufen, wenn dieser schnell aufsteigen
will. Άναβολεύς war aber auch der Terminus für „Steigbügel“; s. LSJ s. v. άναβολεύς. In der SHA Aelius Spartianus, Carac.
7,2 (Scriptores Historiae Augustae edidit Ernestus Hohl, editio stereotypa correctior, addenda et corrigenda adiecerunt Ch.
Samberger et W. Seyfarth, Leipzig 1965 Bd. IS. 188) wird geschildert, wie Kaiser Caracalla von seinem ,strator‘ („Reitknecht“)
umgebracht wird. Wie in der kommentierten Ausgabe Historiae Augustae Scriptores VI cum intergris notis Isaaci Casauboni,