Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
12

hange des Culturlebens der europäischen Menschheit ties bedeut-
samen Entwicklung ist, so behält die Geschichte dieses Namens
und der darunter begriffenen besonderen Erscheinungen nicht
allein trotz, sondern gerade wegen dieses Wechsels der Bedeutung
einen selbständigen und werthvollen Sinn.

Nicht anders aber verhält es sich damit in der That:
und nur, wenn inan sich diese Geschichtc des Namens Philoso-
phie klar gemacht hat, wird man auch bestimmen können, was
in Zukunst mit dcur Anspruch aus mehr als individuelle Giltig-
keit berechtigt sein soll, diesen Namen zu tragen.

Den Griechen verdanken wir, wie das Wort, so auch die
erste Vedeutung der Um die Zeit Platon's, wie es

scheint, zur tcchnischen Bezeichnung geworden, bedeutet das Wort
genan das, was wir heute im Dentschen mit dem Worte
„Wissenschaft" bezeichnen ^). Es ist der Name, welchen ein
cben geborenes Kind erhält. Weisheit, die in Gestalt uralter
mythischer Erzählnngen von Geschlecht zu Geschlecht sich vererbt,
Sittcnlehren, welche den reflectirten Ausdruck der Bolksseele
bilden, Lebensklugheit, die, Erfahrung an Erfahrung reihend,

1) Man solltc das nie bei Uebersetzungm vergessen, in denen viel-
fnch Mihverstkndnisse entstehen, wenn nian durch „Philosophie"

wicdergiebt und damit die Gefahr hervorruft, daß der moderne Leser
das Wort in dem heutigciz viel engcren Sinne versteht. Statt vieler
Beispicle eins! Ein bekmtntes platonisches Wort übersetzt man leicht
so: „Es werde der llebel der Menschheit kein Ende sein, ehe nicht
cntweder die Herrscher philosophiren oder die Philosophcn herrschen, d. h.
ehe nicht politische Macht und Philosophie zusammenfallen". Wie be-
quem. zu belächeln, wenn man unter „philosophiren" däbei nn metnphy-
fische Grubeleieu nnd unter „Philosophen" däbei an unpractische Pro-
sessoren uud einsame Gelchrte denkt! Aber man übersetze nur richtig!
Und wenn man dann findet, das; Plato nichts weiter verlangt hat, als
daß die Regierung in den HLnden der wissenschaftlichen Bildung sein
solle, so sieht man vielleicht ein, wie prophctisch er der Entwicklung des
europäischen Lebens mit jenem Ausspruche vorgegriffcn hat.
 
Annotationen