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einem Jeden der Anlaß dieses Tages, sein, um sich die mäch-
tigen Züge dieses Antlitzes neu zu beleben, welches näher oder
ferner einmal vor Jedem aufgetancht ist, der das Ringen des
Menschengeistes nach voller und höchster Erkenntniß betrach-
tet hat.

So gut wie nnr irgend einer der Heroen der menschlichen
Denkarbeit ist Spinoza der lcnchtende Beweis dafür, daß es
keine wahre Genialität und keine höchste Entsaltung geistiger
Kräste giebt ohne die Größe des Charakters. Wenn die Ge-
schichte der Philosophie immer mit einer gcwissen Feierlichkeit
bei dem Namen Spinoza anhält und über seine Bedcutung mit
besondercr Vorliebe sich ergeht, sv rührt das vor Allcm däher,
daß bei ihm ebenso sehr der Mensch unser Herz gewinnt,
wie der Philosoph unsern Geist sesselt; und es ist weniger
der Reiz des Tragischen in seinem Geschick, welches er mit
Manchem theilt, als vielmehr der ergreisende Eindruck
währer innerer Größe, woraus dies allgemeine Jnteresse
an seiner Persönlichkeit beruht. Wenn die lautere Klarheit
seiner Gedanken noch durch Etwas übertroffen werden kann,
so ist es durch die fleckenlvse Reinheit seines Charakters; in
ihm ist kein Winkel, in den sich die Lüge verkriechcn kann,
und Alles, was er thut, was er lebt, was er lehrt, trägt an sich
den Stempel reinster Wahrhaftigkeit und vvllster Ueberzeugtheit.
Jene innere Sicherheit, welche sich in der „mathematischen
Gewißheit" seiner philosophischen Ueberzeugung ausprägt, stammt
zugleich aus dem Charakter, der sest in sich gegründet, mit
ruhiger Milde durch das Leben geht. Diese innerliche Festig-
keit aber erwächst uur daraus, daß sich alle Kräfte einer ganzen
Lebensarbcit mit klarem Bewußtsein aus Ein großes Ziel hin-
richten, und jene nach allen Seiten strahlende Wahrhaftigkeit
wurzelt eben darin, daß es ihm von Jugend aus voller und
heiliger Ernst war nm die Wahrheit. Die Arbeit des Denkens
 
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