Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
113

seitdem an der Energie jener höchsten Culturthiitigkeiten er-
litten haben.

So seiert nun, nachdem schon mancherlei Geburts- und
andere Erinnerungstage sestlich begangen worden sind, in diesem
Jahre Deutschland, wenn auch nur still durch eine kleine Ge-
meinde vertreten, die Vollendung des ersten Jahrhunderts nach
dem Erscheinen eines Buchs — der Kritik der reinen Vernunst
von Kant. Wir seiern das Buch, und wir seiern den Mann.
Jn Königsberg, der Stätte seiner Arbeit, hat man seinen sterb-
lichen Resten eine neue Grabstätte bereitet, und dabei, der Mode
des Tages gemäß, den stummen Schüdel gemessen, in welchem
der größte Gedankenkamps einst sich abgespielt. Dort wie ander-
wärts sind zu würdiger Feier Reden gesprochen, die nun im
Druck vorliegen, zahlreiche Schristen sind dieser edelsten Erin-
nerung der deutschen Philosophic gewidmet worden, die einen
schon sertig, die andern, aus lange Arbeit angelegt, erst im
Entstehen: dicke Bücher und kurze Broschüren, gelehrte Werke
und populäre Darstellungen sind in Masse erschienen, und wer
nicht selbst dazu Bedttrsniß empfand, dcr mochte durch Preis-
ausschristen sich dazu anregen lassen. Nicht nur die philo-
sophischen Zeitschristen, auch die allgemeinen Revüen haben dem
Momente Rechnung getragen, und bis in die Unterhaltungs-
blätter und Zeitungsseuilletons hat sich die Wirknng erstreckt,
wo denn zwischcn Novelle und Rösselsprung sich überall anch
ein Plätzchen gefunden hat, um einige Anekdoten von dem
„großen Königsberger" auszuwärmen und einige Notizen über
seine Lehre mitzutheilen. So gering dabei oft der absolute
Werth, so groß ist der relative Nutzen, wenn neben der Erfin-
dungssucht, dem Politikfieber und dem literarisch-musikalischen
Dilettantismus auch nur flüchtig wieder an die wahren Schätze
unseres geistigen Lebens erinnert wird. Und weit über Deutsch-
lands Grenzen hinaus hat diese Festbewegung sich ausgebreitet:

Windelband, Präludien. 8
 
Annotationen