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Windelband, Wilhelm
Präludien: Aufsätze und Reden zur Einleitung in die Philosophie — Freiburg i. B. [u.a.], 1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.19220#0148
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Verzicht auf die Erreichung der transscendenten Wahrheit, die
als Richtschnur geltend bleibt.

/ Es war nöthig, diese Urnrisse der verwickelten Geschichte
des Wahrheitsbegriffes anzudeuten, um die völlige Originalität
der kantischen Erkenntnißtheorie verständlich zu machen. Denn
der Springpunct seiner kritischen Philosophie liegt, wie sich
biographisch belegen läßt, in seinen Untersuchungen darüber,
„woraus die Beziehung desjenigen, was man in uns Vorstellung
nennt, auf den Gegenstand beruhe": und das vollkommen Neue
in seiner Behandlung dieser Frage besteht darin, daß er seiner
Fragestellung nicht mehr jenen populärm Gegensatz von Sein und
Vorstellen zu Grunde legt und deshalb für die Beantwortung weder
die sinnlichen Schcmata noch die Reslexionsbegrisfe anwendet, unter
denen bis dahin die erkenntnißthcoretischen Probleme bearbeitet
worden waren. Keines dieser Schemata und keine dieser Re-
slexivnssormen reicht aus, um das Verhältniß von Denken und
Sein in der Weise vorzustellen, daß daraus der Unterschied
wahrer und salscher Vorstellungen abgeleitet werden könnte.^Die
geheimnißvolle „Beziehung" der Vorstellungen aus Gegenstände
muß also aus ein anderes Verhältniß zurückgesührt werden,
welches von jenen metaphysischen Voraussetzungen und allen den
daraus entstehenden Schwierigkeiten srei ist.

Dies Verhältniß findet Kant in dem Begriffe der Regel^).
Wenn nach der populären Auffassung der „Gegenstand" das
Original ist, mit welchem die sür währ geltende Vorstellung
übereinstimmen muß, so ist er, bloß von der Seite der Vor-
stellungsthätigkeit her gesehen, eine Regel, nach welcher sich be-
stimmte Vorstellungselemente anordnen sollen, damit sie in dieser
Anordnung als allgemeingiltig anerkannt werden. Die Elemente

1) Diese Untersuchung, die schwierigste von allen, Lildet die „trans-
scendentale Deduction der reinen Vcrstandesbegriffe".
 
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