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Windelband, Wilhelm
Präludien: Aufsätze und Reden zur Einleitung in die Philosophie — Freiburg i. B. [u.a.], 1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.19220#0150
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wäre, als ob er die metnphysische Annahme einer Vielheit von
denkenden Subjecten nothwendig involvire, und als ob er des-
halb die allgemeine Hypothese von einer dem Vorstellen ent-
sprechenden Wirklichkeit durch eine sehr viel speciellere und
bestreitbarere ersetze. Jn Wahrheit ist das aber nicht der Fall.
Denn wenn wir die „Regel" als dasjenige bestimmen, was sür
alle gelten soll, so bedienen wir uns dabei eines abgeleiteten
Merkmals, wodurch dasjenige, was wir meinen, unter den
Verhältnissen unserer gewöhnlichen Vorstellungsweise am an-
schaulichsten gemacht zu werden scheint. Aber schon das indi-
viduelle Bewußtsein macht — ohne jede Rücksicht aus die anderen
— in sich die Ersahrung davon, daß einige seiner Vorstellungen
nach einer Regcl geschehen, die sein soll, andere dagegen nur
sich in ihm vollziehen, ohne den Werth der Normalität in
Anspruch nehmen zu dürfen. Die Allgemeingiltigkeit ist nur
die sür die empirische Welt der vorstellenden Suüjecte gezogene
Consequenz der Normalität. Schon das einzelne Bewußtsein
unterschcidet ganz sicher zwischen dem, was nach der Regel
gedacht wird, und dem, was mit derselben in keiner Beziehung
steht; und erst, wenn man dic Annahme einer Vielheit denkender
und um der Wahrheit willen denkender Jndividuen hinzunimmt,
erweist es sich, daß die „Regel" für alle dieselbe sein muß.

Die kantischc Philosophie hebt also nicht, wie man ihr
nachgesagt hat, die Gegcnständc aus: rhr „Jdealismus" bes'wi
keineswegs darin, zu behauptcn, daß in der weiien Welt nichts
existire, als die Vorstcllungsmassen der Jndividuen. Aber sie
behauptet, indem sie jede Metaphysik äbschneidet, daß Gcgeiestände
sür uns nichts weiter sind, als bestimmte Regeln der Bvrstel-
lungsverbindung, welche wir vollzichen sollen, wenn wir wahr
denken wollen. Was dicsc Regeln sonst seiu mögen, geht uns
nichts an, da wir davon nicht das Geringste im Ernste vorzu-
stellen im Stande sind: Kaut lehnt jede metaphysische Dentung
 
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