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diefer Rcgeln ab; scine Nachfolger haben fich darin dcsto üppiger
ergangen.

Gefetzt alfo, ich mache die Wahrnehmnng, daß jetzt in
einer beftimmten Entfernung von mir sich eine rothe Kugel von
bestimmter Größe befinde, so meint das naive Bewußtein, die
Richtigkeit dieser Wahrnehmnng beruhe darauf, daß das Alles
in derselben Weise unabhängig von mir wirklich so fei: Kant
dagegen zeigt, die „Wahrheit" dieser Behauptung beftehe darin,
daß die Vorstellungen dieses Zeitpuncts, dieser Raumlage, dieser
Gestält und Größe, dieser Farbe u. s. w. nach einer Regel
verknüpst werden, welche, unabhängig von jeder individuellen
Association, gelten und damit sür jeden Denkenden maßgebend
sein soll. Man sieht, diese Auffnssung ändert an den Berhält-
nissen dcr geivöhnltchen Borstellungsthätigkeit nichts; sie rectifi-
cirt nur die Deutung, welche man denselben unter dem Einsluß
eines gewissen Vorurtheils, das sich in den Reflexionsbegriffen
von Sein und Vorstellen und dem sinnlichen Scheina ihres
Verhältnisses ausdrückte, von Alters hcr zu geben gewohnt war.
Was man, ohne es in Wahrheit denken zu können, Gegenstnnd
nannte, ist bei Kant eine Regel der Vorstcllungsverbindung.

Weder für die Elemente, die dabei verbunden werden
sollen, noch sür die Formen dieser Verbindung hat es irgend
einen Sinn, zu sragen, ob sie Abbilder einer absoluten Wirk-
lichkeit sind, oder sonst in irgend einer Beziehung zu einer
solchen stehen: es handelt sich nur darum, daß in dcm Gewoge
der Dorstellungen gewisse Verknüpsungen sich nach einer Regel
vollziehen, welche gelten, sür alle gelten soll. Jn der unend-
lichen Mannichsaltigkeit der Vorstellungsverbindungen giebt es
solche, welche einer allgemeingiltigen Regel, einer Norm ent-
sprechen. Wahrheit ist Normalität des Denkens.

Jede besondere Regel aber, welche die Normalität einer
einzelnen Vorstellungsverbindung und damit die „Gegenstand-
 
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