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manche Entbehrungen zu, und gerade von Hölderlin wissen wir,
daß er den klösterlichen Zwang zu Zeiten recht schwer und
drückend empsand; aber andererseits ersuhr anch er die un-
vergleichlichen Vortheile dieses streng geregelten Bildungsganges.
Dem theologischen Studium wird hier eine systematische Aus-
bildung in der classischen Philologie und in der Philosvphie
vorangeschickt, und dieser verdankte auch Hölderlin das edle
Gepräge scines Geistes und seiner Dichtung. Ansänglich scheint
er noch die poetische Richtung versolgt zu haben, welche er vom
Seminar mitbrachte, und es sammelten sich um ihn gleich-
strebende Freunde, die später wenigstens einen localen Dichter-
ruhm erworben haben, unter ihnen Neusfer und Magenau. Ein
älterer schwäbischer Dichter, Stäudlin, nahm sich der jungen
Gesellschast an und hat später eine Auswahl ihrer Gedichte in
einem Almanach drucken lassen. Noch war Klopstock der Heros,
auf dessen Namen man sich Treue schwur: wie in Göttingeu,
so wurde auch hier ein Dichterbund gegründet, man schaffte ein
Bundesbuch an, in welches die Lieder der Mitglieder an den
Aldermannstagen eingetragen wurden, man wanderte zusammen
durch die Berge, man besuchte sich in den Ferien, man schrieb
sich poetische Episteln und lebte ganz in dem Zauberkreise der Klop-
stock'schen Jdeale von Liebe, Freundschast, Freiheit und Vaterland.

Der Genius der deutschen Dichtung hat aus diesem ver-
schwommenen Gesühlsleben den Weg zu seiner Größe dadurch
gefunden, daß er sich mit dem tiefsten Gehalte der antiken
Bildung tränkte: die gleiche Bahn hat in seiner Weise Hölderlin
beschrieben. 1791 schied die Mehrzahl jenes Bundes von der
Universität; aber eiu Jahr vorher war Schelling in das Stist
eingetreten, und nun gründete sich zwischen ihm, Hegel und
Hölderlin eine tiese, innige Geistesgemeinschast. Es ging damals
ein mächtiger Zug durch die deutsche Jugend. Der jubelnde
Freiheitsdrang, der jenseits des Rheins tobte, sand hier sein
 
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