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furt a. M. an, wo er die solgenden Jahre nur mit der Unter-
brechung zugebracht hat, daß er im August 1796 während der
Kriegsunruhen seine Zöglinge und ihre Mutter auf einer Reise
nach Driburg begleitete. Seit dem Beginne des folgenden
Jahres sah er sich mit Hegel wieder vereinigt, welcher sich in
Frankfurt in ähnlicher Stellung befand, und in dem Gedanken-
austausche mit dem mächtig gereisten und innerlich geklärten
Jugendsrennde erwuchs auch ihm eine neue Regsamkeit des
geistigcn Lebens.

Allein der Genuß derselben wurde ihm dnrch das persön-
liche Geschick getrübt. Er hatte in der Mutter seiner Zöglinge
das Jdeal seiner Sehnsucht gefunden, und es verkörperte sich
sür ihn der ganze Jnhalt seines elegischen Jdealismns in der
schönen, edlen und geistreichen Frau, die er „eine Griechin"
nannte und als Diotima in seinen Dichtungen gefeiert hat.
Aber so sehr ihn diese glühende Liebe beseligte, so sehr sie alle
Fasern seines Denkens und Dichtens erregte, so ties drückte ihn
die Unerreichbarkeit des Jdeals nieder, und um so mehr be-
sestigte sich in ihm die elegische Stimmung der Verzweiflung
an der Wirklichkeit und die Flucht in das Reich der Träume.
Sein Glaube an die Verwirklichung des Jdeals wich der trost-
losen Klage über den ewigen Verlust desselben, und die Energie-
losigkeit, die er den äußeren Verhältnissen gegenüber schon
srüher gezeigt, breitete sich nun in gesährlichster Weise über
sein ganzes Dasein aus.

Nur seine dichterische Kraft ging aus dem Unglück gestählt
in ihrer reissten und schönsten Form hervor. Aus diesen Jahren
stammen die edelsten und ergreisendsten Dichtungen Hölderlin's,
und diese Zeit brachte ihm die volle Entwickelung der Eigen-
thümlichkeit und der selbständigen, einzigeu Bedeutung, welche
er als Dichter besitzt. Jn seinem ganzen Wesen war es be-
gründet, daß die Lyrik der Voden war, aus dem allein er
 
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