Das Kirchenlied.
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Bei seinen Nachfolgern tritt häufig dogmatische Starr-
heit ein. Nicht die Belebung, die richtige und voll-
ständige Ausführung der Dogmen scheint ihnen die
Aufgabe. Im 17. Jahrhundert nehmen die gereimten
Bibelparaphrasen einen immer größeren Raum ein.
Die katholische Kirche erkannte sehr wohl die Be-
deutsamkeit der neuen Gesänge. Schriftsteller wie der
Karmeliter Thomas a Jesu bekennen, daß Luthers Ge-
sänge seine Sache zum Erstaunen förderten. Und eine
Reihe katholischer Gesangbücher des 16. Jahrhunderts
bezeugen, wie schnell und eifrig man in den Wettstreit
eintrat.
So zeigt sich das Kirchenlied als eine durchaus
ständische Dichtung. Der Stand der Pfarrer, der mit
der Reformation in eine neue, führende Stellung getre-
ten, schuf es zum Ersatz für das alte lateinische Kirchen-
lied und zur Verbreitung — oder Bekämpfung — der
neuen Lehre.
Die Unruhe des konfessionellen Haders, das Hin
und Her der konfessionell - politischen Kämpfe fanden
ihren unseligen Ausgang im Dreißigjährigen Kriege, der
das gesamte deutsche Volksleben zerrüttete. Die Poesie,
die schon im 16. Jahrhundert mehr eine Fecht- denn
eine Redekunst gewesen — untertan den herrschenden
Interessen ihrer Zeit — die schon im 16. Jahrhundert
nur mehr Niedergang und Ende bedeutet hatte, sieht
kein Volk, keine Entwicklung vor sich, aus der heraus
sie sich hätte erneuern und wachsen können. Uber
den nationalen Trümmern aber erheben sich die Ge-
lehrten und suchen, was als natürliches Gebilde nicht
erscheinen konnte, suchen die neue deutsche Dichtung
als einen Homunkulus mit Kolben und Retorten ins
Dasein zu zwingen.
Es ist immer vom Übel gewesen, wenn die Ge-
lehrten zu Dichtern wurden. Zwischen Wissenschaft
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Bei seinen Nachfolgern tritt häufig dogmatische Starr-
heit ein. Nicht die Belebung, die richtige und voll-
ständige Ausführung der Dogmen scheint ihnen die
Aufgabe. Im 17. Jahrhundert nehmen die gereimten
Bibelparaphrasen einen immer größeren Raum ein.
Die katholische Kirche erkannte sehr wohl die Be-
deutsamkeit der neuen Gesänge. Schriftsteller wie der
Karmeliter Thomas a Jesu bekennen, daß Luthers Ge-
sänge seine Sache zum Erstaunen förderten. Und eine
Reihe katholischer Gesangbücher des 16. Jahrhunderts
bezeugen, wie schnell und eifrig man in den Wettstreit
eintrat.
So zeigt sich das Kirchenlied als eine durchaus
ständische Dichtung. Der Stand der Pfarrer, der mit
der Reformation in eine neue, führende Stellung getre-
ten, schuf es zum Ersatz für das alte lateinische Kirchen-
lied und zur Verbreitung — oder Bekämpfung — der
neuen Lehre.
Die Unruhe des konfessionellen Haders, das Hin
und Her der konfessionell - politischen Kämpfe fanden
ihren unseligen Ausgang im Dreißigjährigen Kriege, der
das gesamte deutsche Volksleben zerrüttete. Die Poesie,
die schon im 16. Jahrhundert mehr eine Fecht- denn
eine Redekunst gewesen — untertan den herrschenden
Interessen ihrer Zeit — die schon im 16. Jahrhundert
nur mehr Niedergang und Ende bedeutet hatte, sieht
kein Volk, keine Entwicklung vor sich, aus der heraus
sie sich hätte erneuern und wachsen können. Uber
den nationalen Trümmern aber erheben sich die Ge-
lehrten und suchen, was als natürliches Gebilde nicht
erscheinen konnte, suchen die neue deutsche Dichtung
als einen Homunkulus mit Kolben und Retorten ins
Dasein zu zwingen.
Es ist immer vom Übel gewesen, wenn die Ge-
lehrten zu Dichtern wurden. Zwischen Wissenschaft
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