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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 7.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.15409#0098
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S34

Arbeiter-Glü rk.

Nach der „Kölnische» Zeitung".

Viel größere Leiden —

Wer inöchl' ilzn beneiden! -
Als jemals der Arme»

In Rnnriner und Harme
Der Reiche muß tragen,
Drum tönen die Klagen
Des Mitleids so ineich
Für Jeden, der reich!

Von: Armen wird nimmer
Zn Pracht und ;n Schimmer,
Zn Perlen und Spangen
Die Gattin verlangen
So reichlich das Geld.

Der Reiche mul; geben
Ost nrit Widerstreben
Das Geld pt den netten,
Den Prachttviletlen,

Den Sommergeinänderil,
Den Spitzen nild Bändern,

Den tlzruvrsten Hüten,

Den Walznstnnsblütlzen
Der nenesteir Mvde —

Er grämt sich zu Tode
And fügt sich als Held.

Der Arme grlzt täglich —
Ein Glück, ganz unsäglich! -
Zur Arbeit am Morgen
Und schafft ohne Sorgen
Vergnügt bis zur Nacht,
Dann lzat er's vollbracht.
Dann legt er stch nieder,
Am andern Tag ioieder
Und Jahr dailn nur Jahr
Bleibt Alles, ivie's war.
Indessen der Reiche,

Der kummerbleiche,

Nur ihm ist kein Frieden,
Ist Ruh' nicht beschieden;

Ihn treibt der Besch, ha!

Im Frühling nach Nizza,
Und später an Seen,

Aus Bergeshöhen,

Und dann kommt dir Plage,
Die schwierige Frage:

Welch' Bad ist zu wählen,
Die Nerven zu stählen,

And welches der Wässer
Denr Magen wohl besser
And heilsam dem Weh
Unsrer Hante-Volee?

Fm Winter, o Kummer!

Da giebts keinen Schlnmnrer,
Da kommen die Bälle,
Manches Unheiles Ouvlle,
Da rasen und tosen
Konzert -Virtuosen,

Da giebt's Soireen,
Premieren pr sehen,

Champagner zu trinken,
Kostümfeste winken,

Kurz, endlose Pein

Ist's, ein Reicher zu fein.-

In späteren Tagen —
Verdorben der Magen,

Die Langweil' verstimmt ihn,
Das Wetter ergrimmt ihn
Und Zipperlein, Gicht
Verlassen ihn nicht.

Der Arme dagegen,

Welch' köstlicher Segen!
Stets hat Appetit er
Und nie Langeweile,

Den Karren stets zieht er
In schaffender Eile,

Drum seufzet so schwer
Der Millionär:

Ach, wenn ich doch lieber
Ein Arbeiter wär'!

Berlin, Ende Jnli.

Lieber Jacob!

Berlin steht nu so ziemlich leer. Del hecßt, natierlich bloß in't feine
Viertel. In unsere Jejcnd da merlste jrade »ich, det ville sehlen, meine
jnten Fremde sind wenigstens noch alle hier: heechstens det der Eene oder
Andere det Montags 'n Bislen raus nach 'n Schlachtensee jondelt, wo er
dann den janzen lieben jeschlagenen Dag 'ne Angelrnthe mit 'ne Strippe
dran in't Wasser halt un jloobt, er sangt Fische. Na, ick jönne jeden
Menschen sein Verjniejen, blos mir vor meine Person wäre et een Bisten
zn langstielig. Aber det will ick nich bestreiten, det det Angeln eene janz
famose Jednldsprobe is, un von den Artikel Jeduld, da kann man oogen-
blicklich wirklich nich jenng haben.

Denn unser Eener, der sitzt ja nich mit 'ne Pension, die nlleene een
anstäudijet Vermöjen repräsentier» dnht, in Friedrichsruhc nn orakelt wie
de olle Pythia, die blos iiff'n Dreifuß Platz jenommen hatte. Bei mir hat
sich icbrijens ooch noch keen eenzijer Zeitungsschreiber blicken lassen, der von

mir ieber det eiropeeschc Konzert oder ieber de Jesammtphysiognomie von
det Weltall Erkundijungen inziehen wollte. Ick hätte ihn sauber Bescheid
jestoßen, ick sage Dir, so leichte wäre der nich wieder jekommen. Na, et schad't
nischt; mir jeht daraus hervor, det ick vorläufig noch nich zu de maßjeben-
den Persönlichkeiten jeheerc un det die Zeitungsschreiber nich mal wissen,
wo die Leite wohnen, die so ziemlich ieber Alles un noch 'n Bisken mehr
inforinirt sind.

Wat ick sagen wollte, Jacob: Haste ooch Schloßfrciheitslotterie jespielt?
Wenn ja, denn winsche ick Dir 'ne verjniegtc Niete. Ick kenne nämlich
Keencn hier in unser janzet Viertel, der blos eenen eenzijen Fennig jewonnen
hätte, aber det kommt ooch davon, det hier blos lauter Schlanköppe wohnen,
die de Veranstalter wat jehustet haben — wir haben nämlich hier unsere
Paar Knappe ruhig in de Tasche behalten, un haben zujekiekt, wie de andern
ihren Draht verspielt haben. Aber det is nu ejal, nu wird de Schloßfrei-
heit abjebrochen, un det Ende von't Lied is, det wir nu hier in Berlin jar
keenc Freiheit haben; aber et war ja mit die Freiheit ooch frieher nich ville
los, denn Du weeßt ja, Jacob, et lag een Schloß vor.

Dir Geheimnisse von Berlin.

Ein Schützen-Abenteuer, erzählt von Hans FlttX.

j err Rentier Tapp aus Berghausen war ein passionirtcr Schütze
lmi5 1,11 durfte er auf dem großen Schützenfest zn Berlin nicht
fehlen. Hei, welche Herrlichkeiten gab es da ans dem Festplatze
^ für einen Mann, der sonst sein Leben in einem kleinen Land-
städtchen verbrachte! Da wurde entweder dinirt oder sonpirt; gekneipt wurde
den ganzen Tag, wenn nicht gerade einmal geschossen wurde. Die Schan-
nnd Würfelbuden, die Riesendamen, die wilden Thicre, die Feuerfresser,
die Karrousels, der 400sti»»nige Damenchor, die Münchener Bicrhalle mit
dem Krug ü 75 Pfennig — Alles das war dem guten Herrn Tapp neu
und er amüsirte sich göttlich. Zwar hatte seine Frau ihn gewarnt, denn
ein Reisender hatte ihr einmal gesagt, in Berlin gäbe es auch Leute, die
solche Feste benutzten, um unerfahrenen Fremden durch allerlei Vorspiegelungen
daS Geld abzunehmen. Man heiße sie Bauernfänger.

„Aber ich bin doch kein Bauer!" hatte Herr Tapp entrüstet gesagt.

„Nun ja", meinte sie, „aber ich könnte Dir doch Dein Geld in das
Rockfutter einnähen."

„Laß mich", zürnre er. „Da muß ich ja den Rock jedesmal aufschneiden,
wenn ich nur ein Glas Bier trinken will!"

„Du denkst immer nur an's Trinken!"

„Ein guter Schütze muß auch einen vaterländischen Durst haben!"

„Als ob Du den nicht hättest! Trinke nur nicht zu viel, damit Du
nicht aus der Rolle fällst!" —

Herr Tapp saß in der Münchener Bicrhalle vor seinem Krug und dachte,
wie viel unnöthige gute Lehren die Frauen ihren Männern zu solch einem
Fest mitzugeben pflegen. Oh, solch einem richtigen Schützen braucht man
nicht derlei Ballast aufzuladen, der findet sich überall zurecht.

„He! »och eine Maß!" rief Herr Tapp der strammen Münchener Kellnerin
zn, die eine Scheibe als Kopfschmuck trug.

„NnrabisslGeduld!" meinte diese, „dieHerrnSchützensanalleschrdurstig."

Als sie wieder kam, suchte Herr Tapp ihr die Wange zn streicheln, sic
stieß ihn aber unwirsch von sich.

„Eine grobe Bayerin!" sagte ein sehr eleganter Herr in Zylinderhut
und schwarzem Anzug, der am nächsten Tischchen saß.

„Da haben Sie Recht", meinte Tapp. „Die Dinger werden gleich
übermüthig."

„Die ganze Bewirthung läßt hier Manches zu wünschen übrig", sagte
der Fremde. „In der Stadt ist es doch besser."

„Ich habe mir Berlin noch nicht angesehen", sagte Herr Tapp. „Den
Tag über war ich immer hier auf dem Festplatz und spät Abends ging ich
in's Hotel. Ah, Berlin macht auch Nachts einen großarligen Eindruck. Die
Beleuchtung! Bei uns in Bcrghauscn werden die Straßen nur mit einigen
Oellampen beleuchtet."

„Ah", sagte der Fremde, den Provinzialen scharf anschanend, „Sie
müssen sich Berlin aber doch auch bei Tage ansehen!"

„Das will ich", sagte Tapp. „Meine Frau hatte immer Angst, ich
möchte den Baucrnsäugern in die Hände fallen. Aber die fürchte ich nicht."

„Es gicbt recht gefährliche darunter", meinte der Fremde, „besonders
die eleganten."

„Das glaub' ich", antwortete Tapp. „Aber ich will die Herrlichkeiten
Berlins kennen lernen. Und dann Hab' ich noch einen besonderen Wunsch."

„Ei ei!" sagte lächelnd der Fremde. „Sie denken gewiß an Restaurants
mit freundlicher Bedienung."

„Nein", meinte Tapp, „wir in Berghausen haben noch keinen lebendigen
Sozialdemokraten gesehen; es giebt keine bei uns."

„In Berlin um so mehr", lächelte der Andere.

„Eben darum habe ich die Absicht, mir diese Leute einmal näher an-
zusehen, um meinen Freunden in Berghausen etwas Neues mittheilen zu
können. Hier auf dem Festplatze sieht man keine Leute mit Räuberhüten,
struppigen Haaren und Petrolenmflaschen —"

„Sie sehen mir vertrauenswürdig aus", meinte nachdenklich der Fremde.
„Wenn Sie Muth haben, so will ich Ihnen die Geheimnisse der Sozial-
demokraten zeigen."

„Sie würden mich glücklich machen!"

„Die Geheimnisse der Sozialdemokraten", sagte der Fremde, „sind
nämlich die interessantesten Geheimnisse von Berlin."

„Ach, da könnte ich in Berghausen etwas erzählen!"

„Gewiß! Sie müssen mir aber versprechen, zn schweigen, bis Sie wieder
zu Hause sind."

„Ich verspreche es Ihnen."

„So kommen Sie!"

Die Beiden fuhren mit der Pferdebahn nach Berlin hinein. Tapp's Er-
wartungen waren auf's Höchste gespannt.

Sie durchschritten ein Straßengewirr, das dem guten Tapp endlos däuchte;
dann endlich blieben sie vor einem Keller stehen, an dessen Eingang es hieß,
daß drinnen echte Biere zu haben seien.
 
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