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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 7.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.15409#0139
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schecn usf'n Schwung bringen, wenn wir ihr mit so'n Anliejen kämen; die ^
Wirde uns ieberhaupt keone Antwort jcben, oder wenn wir eener solchen
jewirdigt wirden, denn Wirde se so ausfallen, det wir se bestimmt nich hinter
den Spiejel stechen wirdcn."

Damit wercn unsere Leite also abjefifscn un der Jeist der Berliner
jutjesinntcn Birjerschaft wer wieder mal jebiehrend jekennzeichnet. Ick vor
meine Person muß mir je nn ooch mit det Votum zufrieden jcben, indem
ick nich ieber det jcringste städtische Ehrenamt verfieje, aber wat wir hier
draußen uns ieber det Verhalten der frcisinnijen Majorität denken, det
wirdcn sie wahrscheinlich ooch nich hinter den Spiejel stechen.

Sonst is in Berlin Allens ziemlich ruhig. Die Brijadc, die se während
de Manöverzeit hichcr nach Berlin zitirt hatten, nn die uffpassen sollte, det
de Sozialdemokraten man ja nich den Kreizberg vor't Brandenburjer Dohr
ricken, is nn längst Widder nach ihre Ferienkolonien nach Frankfurt und
Krossen abmarschirt, wo se nn Widder Jriffe kloppen un Kommisbrot dazu
essen. Et hat sich jezeigt, det det Millitär am besten dazu berufen is, um Ord-
nung un jnte Sitte uffrccht zu erhalten. Ick habe iebrijens nich 'n Bisken
daran jezweifelt, denn wenn De det Alles jelesen hast, wat so in de letzte
Zeit ieber det Institut in de Oefsentlichkcit jedrungen is, na, denn mußte
doch selbst sagen, lieber Jacob, det alles Heil blos alleene von unsere Batcr-
landsvertheidijer kommt.

Neiet wußte ick sonst oogenbkicklich nich ville zu berichten, Jraf Kleist
— hast doch jemiß von ihm jeheert — sitzt noch in eene Privatheilanstalt,
wo er sich seine sojcnannten Nerven Widder in de richtije Konfusion bringen
lassen will. Det is een feiner Kunde, nich, Jacob, un det, wat der Bruder
jeden Dag ausjefressen hat, sollte sich mal unser Eener leisten, na, den
wirdcn se aber beese in de Suppe spucken. Aber — een Jraf, denke Dir det
mal blos aus, lieber Jacob, een wirklicher jeborener Jraf: Jott, det is doch
janz wat Änderet! So'n Junge hat natierlich sein Majorat-, wo Kcener
dran knabbern kann, un da muß er denn soville sausen, det er mit sieben-
nnzwanzig Jahren det schcenste Delirium klemens hat, wat de Dir blos
denken kannst. — Ach nee, Jacob, zum Deibel nich noch eens, da habe ick
mir aber mal derbe versprochen, de Nerven von den Herrn Jrafen sind so
anjejriffen, det er eene Privatheilanstalr nffsnchen muß. Et is wirklich däm-
lich von mir, det ick mir bei de schecnsten Stellen immer so oste verschreibe.

Bon Friedrichsrnhe habe ick nischt Neiet jeheert, wenn bei Dir ooch
keene Nachrichten injetrofsen sind, dann verbleibe ick unter jerechtfertigtet
Koppschittcln erjebcnst un mit ville Jrieße Dein treicr

I o t t h i l f N a u ck e.

An'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

^ Ir» Klapphorn.

Zwei Spitzel hatten nichts zu thiin;

Der eine reist nach Kamerun,

Der And're nach Pegnena —

Sie dachten es ist schön da!

Verfängliche Frage.

P n s c ck e: Du, wat sind denn det vor eene Menschenrasse, die Antisemiten ?
D n s c ck e: Det sind Jermanen, die schimpfen jcjen die Jnte n.

Pnseckc: Warum denn nich lieber jejen die Beesen?

^^2 HvlrrlsxähnL.

Der Tugend Lohn ist Undank!

An einem neuen Falle

Zeigt dieses sich: als Ehrengast

Weilt P n t t k a in c r nicht in Halle.

Der für die Rothen so viel that,

Ihn lohnt man mit Spott und Hohne!

Ich glaube, vor Gram erschießt er sich
Mit seiner großen Kanone.

* *

In Berliner Literatenkreisen wird die Frage
erörtert, ob durch die Beseitigung des Sozialisten-
gesetzes auch jener kleine Belagerungszustand
aufgehört hat, den Paul Lindau über S ch a n s p i e l e r i il il c n zu ver-
hängen im Stande war, indem er ihnen gebot, binnen vierundzwanzig
Stunden die Stadt zu verlassen.

„Rebellion und Blutvergießen Rebellion und Blutvergießen
Sind die schrecklich letzten Ziele > In der Schweiz den Frieden trübten, —
Böser Sozialisten" — logen Das ist völlig in der Ordnung,

Liberale und Reptile. j Weil es Liberale übten.

Viel Schreiner-Arbeit gicbt's heutigen Tages in der Politik zu leisten.
Erst galt cs, den Sarg des Sozialistengesetzes recht dauerhaft
herzustellen; nun ist derselbe gründlich vernagelt, wie cs die Verehrer
dieses Gesetzes eigentlich stets waren. Jetzt zimmern wir Versammlungs-
tribünen, und >vir wollen dieselben recht dauerhaft fügen, daß kein
Paragraph der Versammlungsgesetze sie hinfällig machen kann. Unsere
Tribünen halten cs also ans, daß die Wahrheit gesagt wird; hoffentlich
werden es die Grnndvestcn des Staates auch anshalten, von denen man bisher
glaubte, sie könnten durch ein kräftiges Wort ins Wanken gebracht werden.

Ihr getreuer

Säge, Schreiner.

Es muß anders werden.

Angstmeher: Meine Dividenden sind von 32 Prozent auf 31'/» ge-
fallen. Das ist unheimlich.

Leimsieder: Und meine von 3l>/z auf 31. ES ist himmelschreiend.

Angst m eher: Und das Alles seit dem 1. Oktober, an dem das So-
zialistengesetz aufgchört hat!

L e i m s i c d c r: Das wird noch schlimme Folgen haben.

A n g st m e y e r: Gewiß; meine Frau hat sich dies Jahr nur zwei seidene
Kleider angeschafst.

Leimsieder: Und ich muß so sparen, daß mein Junge bei den Garde-
dragonern mit einem Pferd zufrieden sein muß und nicht an den Rennen
theilnehmen kann.

A n g st in e y e r: Schlimme Zeiten! Wenn es noch lange so f ori-
ge h t, dann — kann es nicht mehr lange so fortgehcn!

Antriige znin Sorilltilltiilrongres!,

eingereicht vom sozialreformenden Jnniingsmeister

Ambrosms Strohkwxf.

In Erwä-
gung, daß es
besser ist, wenn
die ungebil-
deten Arbeiter
nicht selbst Po-
litik und ähn-
liche Dumm-1
Heiken machen,
sondern dazu
I stets den Rath
ihrer erfahre-
nen und gebil-
deten Meister
einholen, will
ich mich her-
beilassen, dem
Parteitag in
Halle mit fol-
genden Anträ-
gen unter die
Arme zu grei-
sen:

I. Die heutige Noth kommt davon her, daß
den Jnnungsmeistern von der Großindustrie eine
ganz nnstatthafle Konkurrenz gemacht wird. Die
Arbeiter sollen daher die Brutstätten der Groß-
industrie vermeiden und nur bei kleinen Jnnungs- j

meistern in Arbeit treten. Was durch den Still-
stand der Maschinen an Arbeitskraft verloren geht,
sollen sie durch verlängerte Arbeitszeit ersetzen.

II. Die soziale Unzufriedenheit kommt daher,
daß der patriarchalische Zustand zwischen Meistern
und Arbeitern nicht mehr besteht. Es soll daher
in Zukunft der Arbeiter statt des Lohnes nur mehr
Kartoffeln und Häring vom Meister beziehen und
unter dessen Aufsicht verspeisen Zur Aufrechter'hal-
tung der Hausordnung wird den Meistern die Aus-
übung der Prügelstrafe zur Pflicht gemacht. Die
Gesellen dürfen, so weit der Vorrath reicht, nur
Meisterstöchter heirathcn.

III. Die Innung ist die Quelle alles Reich-
thums und aller Kultur, deshalb sollen auch zum
Reichstage, znm Ministerium, znm Fleischbeschau-
Amte und anderen hohen Würden nur Jnnungs-
meistcr wählbar sein. Die Obermeister der Jnnnng
stehen in Generalsrang und tragen entsprechende
Uniform.

IV. Zur Organisation der sozialdemokratischen
Partei ist empfehlenswert-h, daß sie, anstatt eine
neue zweifellos schädliche Sonder-Vereinignng zu
gründen, einfach in die Jnnungsverbände eintritt.
Die Mitglieder haben sodann ihre Beiträge an die
Innung abzuliefern und die Innung wird dafür
die Interessen der Meisterschaft aufs wirksamste
vertreten.

V. Streiks sind nur dann zulässig, wenn der
Meister keine Arbeit für die Gesellen hat Zeit-
punkt und Dauer solcher Streiks hängt von der
Genehmigung der Innung ab.

Das thenrc Vaterland.

^ie manches Land voll Herrlichkeit
Der Erdenkreis umspannt —
Das theuerste zu jeder Zeit
Ist mir mein Vaterland.

Ich bin ein guter Patriot
Und fürchte mich vor Nichts
llnd esse froh mein theures Brot
Im Schweiß des Angesichts.

Ich esse meine thenrc Wurst
Mit Philosophen-Ruh,

Und trinke, kommt darauf der Durst,
Den thenren Schnaps dazu.

Dabei trink' ich mein theures Bier,
Vielleicht auch thenren Wein;
Fürwahr, das Vaterland kann mir
Nicht leicht viel thenrer sein.

Ich blas' in blaue Lüfte hin
Der Tabakswolken viel;

Wie thener däucht in meinem Sinn
Mir doch solch holdes Spiel!

Hoch muß ich Preisen unverwandt
Den genialen Mann,

Der unser schönes Vaterland
So thener machen kann.

Doch jetzo will ich stille sein,
Ein „Sanhirt" kommt gerannt,
Der schreit in alle Welt hinein,
Ich hält' kein Vaterland!
 
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