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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 7.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.15409#0186
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S22

Winter.

fJu Lchnee gebettet will die ßlur
V® Ihren Winterschlaf jetzt machen.
Wir aber wollen schlafen nicht,

Wir wollen rüstig wachen.

Wir wollen wachen und wecken ans
Die noch in Schlummer versunken.
Aufrütteln die schleppen ihr Lklavenjoch
Gedankenlos, schlafestrnnken.

Und ob von allen Leiten rings
Die Nacht und die Nebel dunkeln:

In unfern Röpsen sollen hell
Die Lichter der Wahrheit funkeln.

iltit den Lichtern der Wahrheit wollen wir
Die finsteren Röpse erhellen.

And fämmtlichen Dunkelmännern zum Trotz
Erleuchten die düstersten Zellen.

Und ob der Bäche, der glüffc Lauf
Gehemmt wird von tückischem Eise:

Wir kennen Ltillstand nimmermehr,

Ltets vorwärts! die Losung heiße.

Und wenn in den Lüften grimmig und rauh
Die Winterfröste weben:

Wir sind von Iugendfeuer durchglüht,

| Durchpulst von warmem Leben.

Und ob im gelbe Rabengekrächz
Erschallt in häßlichen Thören:
Den Lerchensang der neuen Welt
Im Geiste wir wonnig hören.

Nag noch so wild des Winters Grimm
Wüthen und toben auf Erden:

Im Menschenreiche knospet's und blüht's,
Da will es Frühling werden.

Berlin, zu Weihnachten.

Sieb e'v Jacob!

Sechste Jacob, nu is wieder mal een Jahr rum, nu werden wieder
de Lichter an de Tannenböhmc anjestochcn, un nu schwimmt Allens in Selig-
keit, un Jeder duht so, als ob et nischt Schcenerct jeden kann, als de Feier
von bet erste Fest der Christenheit. Hab kcene Bange, lieber Jacob, bet
ick vielleicht hier uff die ollen Jeschichten, uff den Ursprung von bet Weih-
nachtsfest un die ollen Miner mit ihre Saturnalien und den janzcn Zauber
zurückkommen werde, nee, Jacob, davor brauchste nu keene Bange zu haben:
davon steht alle Jahre so bitte in de Zeitungen, bet wir bcede uns bet
janz jut verkneifen können.

Et is ja richtig, et is alle Jahre dieselbe Jeschichte, die Tannen, die
se an de Straßenecken uffstellcn, um se an Zahlungsfähije zu verkoofcn,
riechen jebet Jahr janz jenem ejal; wenn et kalt is, denn trampeln die
Männer jebet Jahr janz jcnau so, wie bet vorije Jahr un pusten sich in
de Hände, un de Frauen wärmen sich an de Kohlentöppe, die se mitbringen
un wo de Kanne mit Lorke druffsteht, aber jedct Jahr kommt unser Eenen
ooch der Jedanke, ob et denn jarnich anders zu machen jcht, bet die Feste,
die jcfeiert werden, im Jroßcn und Janzeu doch blos Feste vor de reichen
Leite sind, un ob bet arme Luder, der sich dct janze Jahr durch abrakst, nich
ooch mal 'u Paar vcrjniejtc Dage haben kann, wo er sich wirklich als Mensch
stehlt, wo er weeß, dct er nich blos dazu da is, bet er sich vor Andere
schinden muß. Dct is wirklich immer mein erster Jedanke, wenn ick de
Vorbereitungen sehe, die zu dct scheene Fest jetroffen werden; aber jedct Jahr
is et die olle Sache, die aber ooch ewig nci bleibt, det sich de janze arbectendc
Bevölkerung abrackern muß, mm de Bourgeoisie 'n Paar verjniejte Oogen-
blickc zu verschaffen.

Von allen Kanzeln predigen se zwar runter: „Den Menschen ein Wohl-
jefallcn" — aber ick habe mir immer verjeblich den Kopp zerbrochen, worin

zum Beispiel for de Arbeeter det sojenanntc Wohljefallen liegt, wenn sc
jradc so um de Feierdagc rum in alle Fabriken Inventur machen, un wo
denn der Arbeeter bei die Kälte ruhig spazieren draben kann, wo aber denn
keen rother Dreier in seine Hosen klappert, un wo er denn, wie Marie
Antoinette schon vor hundert Jahr mcente, mal orndtlich Kuchen essen kann,
weil er keen Brot hat. Det jeheert naticrlich zu den Wohljefallen von det
proletarische Weihnachtsfest, un darum seht man denn hier ooch bei uns in
unsere Jcjcnden soville riesig verjniejte Jcsichter uff de Straße. Dct is
naticrlich zum Kapolzschießen, un von die Wohlthätigkcitsveranstaltungen un
Sammlungen kommt, ja ooch soville Jcld un Jeldeswerth in de Arbecter-
viertel, dct wir hier in de Feierdagc sonne Fettlebe machen kennen, dct uns
de Kuöppe von de Weste abplatzcn. Det jeheert naticrlich Alles zu de un-
umstößliche jöttlichc Weltordnung, un wer daran tippen will, der kriegt lausig
mal uff de Finger, wojejen wir beede selbstredend nischt inzuwenden haben
können.

Aber sc sagen ja ooch zu Weihnachten immer: „Friede auf Erden!"
Det is wahrhaftig een sehr scheener Spruch, un ick vor meine Person preise
die jictigc Vorsehung, det der Spruch ooch richtig in Erfillung jejangen is.
Denke man ja nich, lieber Jacob, det ick etwa hcite hier eene faule An-
spielung uff de Repctirjewehre machen werde oder uff dct Andere, wat damit
zusammenhängt, nee, det fallt mir jarnich in: ick bin froh, dct ick uff de
Welt bin un nich raustrudle — aber ooch uff unsere Klassenjejensätze da
lagert een so tiefer Friede, dct et wirklich Schade wäre, wenn irjend een
vermessener Kerl jrade Heike daran rittein wollte. Sechste, Jacob, Weih-
nachten, det is nämlich jrade so'n Fest, wo sich Eenen sonne Betrachtungen
janz von selbst uffdrängeln. Naticrlich hat zu Weihnachten Jeder seine
jebratene Jans mit Jrienkohl in'n Topp un Hunger un Elend jiebt et blos
in een Paar verdrehte Köppe von de Sozialdemokraten, die den Bourgeois
immer mit nnanjenehme Jcschichtcn kommen, wenn er sich mal von det

Weihnacht« -Wünsche.

ir zünden die Lichter schon an;

Es nahet die festliche Stunde,
Es gilt uns'rer Weihnachtsbescheerung,
Nun, komme, o Weihnachtsmann.

Nun laß dich nicht lange bitten,

Pack' ans deinen Segen geschwind,

Und gieb uns recht viele Geschenke,

Die dringend uns nöthig sind.

Sieh' unfern Finanzminister,

Sieh', wie er sich müht und plagt,

Mit allerlei Steuerprojekten,
lind doch nicht das rechte erjagt.

Das einzig Wahre ihm zeige,

Was sein Genie nicht sah —

O schenk ihm die Gabe, zu sparen
Beim Militär-Etat.

Dann sich' uns're lieben Agrarier,

Wie traurig seufzen sic doch,

Es hat ja die Sperrung der Grenze
Bekommen so manches Loch,

Und ihnen ist Beute entgangen,

Drum sei du zum Geben bereit,

Schenk ihnen doch etwas Gemein sinn
Und recht viel Bescheidenheit.

Vergiß auch den großen Eugen,

Den tapferen „Jrrlehrer" nicht,
Beschecr' ihm zu seiner Erkenntniß
Ein dickes Dreicrlicht.

Und zur sozialen Frage
Thu' ihm die Lehre kund:

Es paart sich große Weisheit
Nicht stets mit großem Mund.

Da haben wir auch Unternehmer,

Die lieben die Arbeiter sehr,
lind machen den Arbeiterschutz doch
Dem Reichstag bedenklich schwer.

Damit sie nur ja nichts verlieren,

Den Herren ein Almosen gieb!

Zahl ihnen die nöth'gcn Prozente
Auf ihre Menschenlieb'!

Natürlich gedenk auch der Zünftler,

Sie dürfen nicht leer ausgehn;

Was lange ihr Herz schon ersehnte,

Nun endlich solls ihnen geschehn,

Drum fasse sie fest bei den Zöpfen,
Gewähr' ihnen endlich das Glück,

Und trage sic alle zusammen
Ins Mittelalter zurück!

Nun glaubt im osmanischen Reiche
Noch manchmal die Polizei,

Daß nützliches Handeln und Streben
Nur „grober Unfug" sei.

Die Richter dann müssen entscheiden
Was grober Unfug im Land, —

Drum schenke viel Einsicht und Weisheit
Dem türkischen Richterstand.

So harren der" Weihnachtsgaben
Wir nllorts mit hoffendem Muth,

Drum, Weihnachtsmann, laß dich erbitte»,
Vertheile sie sorglich und gut.

Verschone jedoch uns mit jenem,

Was stets uns zu reichlich erschien:
Bescheer' uns nicht Steuern und Zölle,
Und ja keine Kolonien!

Der Messias.

A. : Was fällt denn eigentlich den Sioux-
Indianern ein, daß sie einen Messias erwarten
und das Eintreffen desselben mit großem Radau
vorbereitcn?

B. : Na, das ist doch ganz einfach; die Indianer
haben von ihren Stammcsgenosscn, ■ welche mit
Buffalo Bill in Berlin waren, gehört, daß Stöcker
abgedankt ist, und nun denken sie, er kommt nach
Amerika.

Umwälzung der Wissenschaft.

Die Entdeckung des Professor Koch ist bekannt-
lich vollständig überflügelt durch das einfache Kneipp-
I sche Mittel, welches den Lupus mit Schmierkäse
heilt. Sollte dieses Mittel aber nicht einen Finger-
i zeig dafür geben, daß überhaupt alle Krankheiten
mnt wohlfeilen Nahrungsmitteln geheilt werden
können? Ob dieselben, wie der Kncipp'sche Schmier-
käse, immer nur äußerlich angewandt werden dürfen,
ist freilich eine Frage. Es ist möglich, aber nicht
ganz wahrscheinlich, daß man z. B. den Rheumatis-
mus durch Auflegen von Knackwürsten, oder die
Cholera durch aufgelegte Schinkensemmeln heilen
kann. Man wird sich entschließen müssen, die
geniale Schmierkäse-Theorie statt äußerlich einmal
innerlich anznwenden, dann wird sic Wunder
verrichten. Es läßt sich z. B. ohne jede anatomische
Kenntniß des menschlichen Körpers, welche ja bei
Kneippkuren nicht nöthig ist, feststellen, daß die täg-
liche innerliche Anwendung saftiger Beefsteaks, Kar-
bonaden und Schnitzel ein vortreffliches Naturheil-
mittel gegen beginnenden Hungertyphus bildet. Gegen
Muskel-Erschlaffung und allgemeine Körperschwäche
empfiehlt sich außerdem Wein und gutes Bier, auch
soll die häufige Anwendung von kräftigen Bouillon-
 
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