Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
938

—»+S* Vom Wochenmarkt |ii Erfurt. *§+«—

Eine sidrikommisiliche Geschichte.


ört, was ;u Erfurt auf drni Markt gefihchn:
Verkäufer find i« großer Zahl erschiene»

Vnd rcuidircndc Seamtc gehn

Von Stand !» Stand mit amtlich-ernsten Mienen.

Sie find gerecht und nchnirns sehr genau

Vnd prüfen überall mit scharfen Waagen;

Versinken möchte manche Lancrsftan

Sei ihrem Nah n mit Zittern und mit Zagen.

Vas strenge Auge des Gesetzes wacht
Vnd wehe ihr, wenn forschend fic entdelhcn,

Vak ans Gewinnsucht frcoelnd sie gebracht
Auf Erfurts Markt M leichte Sntterwcikcn!

Wie schädig aber auch und hundsgemein,

Vic Käuferinnen, die entsetzlich frieren,

Mit Wecken, die M leicht, das heißt Zu klein.
Aus bloßer Geldgier listig ansufchmirrrn!

Vnd siehe da, es stößt mit einem Mal
Vic hcil'gc hcrmandad, die falkensichtig,

Auf Snttcrwclken, eine große Zahl,

Vic Wcifclsohne mehr als nntcrwichtig.

Zn Erfurt hat die Polhci rum Glück
So plumpen Schwindel nimmermehr gelitten —
Die leichten Wecke» werde» Stück für Stück
Von Amteswcgcn mitten durchgcfchnittcn.

Voch als die leichte Waarc man lerftückt,

Sefüllt die kühnste» ein gelindes Grausen,

Venn deutlich war den Wecken eingedrückt
Der Stempel „Rittergut!» Groß-Vasthanscn",
Scsagtcs Rittergut jedoch ein Witz,

Wie einen brstern wahrlich wir nicht kennen! -
Ist eines Mannes erblicher Lefitz,

Vcr Erfurts Ehrenbürger sich darf nenne».

Man macht ihm stets die tiefste Reverenz
Venn äußerst ausgedehnt sind feine Mittel:
Minister außer Vienst nnd Eifellen;
Freiherr v. Fucius ist fein »oller Eitel.

Sie Abschaffung der kedensmittellöffr.

von Ambrosius Strosikopsi

77 d), die bösen Sozialisten
a£V Sind doch wahrlich schlechte Christen,
Und sie treiben es zu toll,

Wollen jeden Nahrungszoll
Ihrem Umsturz weihen!

Was im Reichstag sie verlangen,
Das erfüllt mich stets mit Bangen.
Statt für unfern Zunftverein
Sorgen diese nur allein
Für des Volkes Magen.

Daß der Reichstag es nicht billigt
Und den Antrag nicht bewilligt,

Macht mich rtid)t von Sorgen frei,

Denn es wird die Zöllnerei
Trotzdem, stark erschüttert.

Mehr noch sollte hier geschehen!

Mancher neue Zoll erstehen,

Nicht auf Nahrungsmittel nur,

Alles, was uns die Natur
Bietet, soll man fassen.

Was die Menschen thun und wollen,
Alles sollte man verzollen,

Ob der Mensch nun weint, ob lacht,
Oder ob er Verse macht,

Zoll muß er bezahlen!

Wenn der Mensch sich will verlieben,
Wird ein Zoll erst eingetrieben,

Will der Mensch ein Weibchen frei'n,
Zahlt er erst die Taxe ein
An die Zollverwaltung.

Doppelt für die Flitterwochen
Wird der Zollsatz ausgesprochen,

Und sodann für jedes Kind
Wird ein Einfuhrzoll geschwind
Von dem Amt erhoben.

Zoll müßt' überall dabei sein,

Nur die Innung müßte frei sein,
Und ein Privilegium
Vor dem ganzen Publikum
Müßte sie besitzen.

Niemand wird uns dann verachten!

Nach der Innung wird man schmachten.
Wo die Freiheit blüht allein,

Und es treten bei uns ein
Liebknecht selbst und Bebel.

8er umjlürsiensche herrfurth.

Ein politisches Sittenbild in konservativer Beleuchtung.

Man darf nicht glauben, daß mit dem Umsturz-
gesetz auch der Umsturz aus der Welt geschafft sei.
Das Umstürzen ist vielmehr den Deutschen so zur
zweiten Natur geworden, daß beinahe kein Tag ohne
Umsturz vergeht. Bald tastet man ein Vieheinfuhr-
verbot an, bald eine Zuckersteuer, ja selbst land-
wirthschaftliche Zölle sind dem alles zerstörenden
Sinne unserer herrschenden Zeitrichtung nicht mehr
heilig und man konspirirt notorisch mit dem Aus-
lande (Oesterreich), um diese segensreiche Staats-
Einrichtung heräffzusetzen. Einer der gefährlichsten
Umstürzer ist der Minister Herrfurth. Er bekennt
sich offen zur revolutionären Kommune, denn sein
Bestrehen ist, die gegenwärtige Gemeindeordnung
abzuschaffen und eine Kommune zu errichten, welche
unserm konservativen Prinzip nicht entspricht, son-
dern gefährliche Neuerungen bringt, die wir nicht
billigen können. Man wird sich wundern, wo ein
preußischer Minister so viele Umsturz-Beflissenheit
hernimmt, da er doch weder im Herrenhause, noch
im Abgeordnetenhause dergleichen gelernt haben kann.
Aber dabei vergißt man ganz das Vorleben dieses
Ministers! Man vergißt, daß er Vorsitzender der
sozialistengesetzlichen Reichskommission war! Dort
hat er m unverdächtiger Weise tagtäglich ver-
botene Schriften lesen können, dort hat er
den Umsturz aus dein Fundamente kennen gelernt und
sich in der unverdächtigen Form amtlicher Thätigkeit
I damit vertraut gemacht. Heute, nach der Abschaffung
! jenes Gesetzes, welches ihm zweifellos die Aus-
weisung aus Berlin gebracht hätte, wenn er recht-
zeitig erkannt worden wäre, — heute wagt er sich
mit seinen zerstörenden Tendenzen heraus und scheut
nicht davor zurück, dem preußischen Abgeordncten-
hause, also einem gesetzgebenden Körper, die Auf-
lösung anzudrohen, also den Umsturz an hervor-
 
Annotationen