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Eine biblische Parabel.

(3um Antrag der sozialdemokratischen Reichstagssraktion, betr. Aufhebung der Zölle und Lteuern auf nothwendige Lebensmittel.)

Um aber zu schonen sein Eigenthum,

Seine vielen Rinder und Schafe, darum
Lieh holen er das Schäflein des Armen
Und schlachten selbiges ohn' Erbarmen
Und briet es und setzte dem Gast es vor." —

Zornig fuhr da der König empor:

„Wo ist der Mann? Er soll mir diesen
Schweren Frevel mit dem Tode büßen!" —

Der Prophet zog stltster dir Brauen zusammen
Und seine Augen sprühten Flammen,

Er donnert den König sürchtlos an:

„König David, Du bist der Mann!" —

*

Ihr Herren vom großen Kapital,

Gesrßesgeber i:n Reichstagssaal,

Großgrundbestßer und Schlotbarone,

Junker lnit einem „von" und ohne,

Die ihr die Lebensmittel besteuert

Und dem Volke Brot und Fleisch vertheuert,

Die hart ihr belastet die armen Masten
Und schonet euere vollen Kasten:

War' jener Prophet am Leben heute
Ultd säß' tut Reichstag an eurer Seite,

Er würde gewiß mit jenem Reichen
Auch euch und euer Treiben vergleichen:

„Mit euren Millionen habt ihr Erbarmen.

Drum schlachtet ihr das Schäflein des Armen,

Daß kaum sein Leben er fristen kann.
Kapitalistenklasse: Du bist der Mann!" j. st.

Als König David im jüdischen Reich
Einst hatte begangen einen schlechten Streich,
— Indem er mit Urias Weib
Gepflogen verbotenen Zeitvertreib
Und dann den Mann noch überdies
Im Treffen niederschirßen ließ —

Da trat, wie im Buch Samuelis steht.

Zum König Nathan der Prophet
Und sprach: „Erlaube, daß ich berichte
Dir, König, eine wahre Geschichte,

Die kürzlich sich zugetragrn hat:

Zwei Männer lebten in einer Stadt,

Der eine reich, der andre dagegell
Besaß nicht das geringste Vermögen.

Gar viele Schaf- und Rinderherrden
Besagtem reichen Mann gehörten.

Der arme Mann besaß allein

Ein junges Schäflein, niedlich ulld fein.

Das Thierlrin war seine einzige Freude
Und war beständig an seiner Seite;

Er theilte mit ihm sein karges Brot,

Zum Saufen er ihm sein Trinkgeschirr bot,
Auch schlief es bei Nacht in seinem Schooß.
So zog er zärtlich das Schäflein groß
Und liebte wie ein Kind es fast.

Nun kam eines schönen Tags zu Gast
Gin Freund in des reichen Mannes Haus,
Dem mußt' er bereiten einen Schmaus.
 
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