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»54

Eine Gegenfrage.

Ähr wolltet von uns Auskunft hoben,
” Welch' eine Zukunft unser harrt.
Nun theitt auch Ihr mit Cure Gaben!
Lebt Ihr nur in der Gegenwart?

wollt die Wett so gehen lassen,

Nnd schaut dem Laufe ruhig

Ich kann das Nichtsthun so nur fassen:

Ihr denkt: Le döluge apres nous.

Doch nein. - Ihr wollt ja auch beglücken
Die Welt mit Plänen groß und ktein.
Ich kann darob mich nicht entzücken,
Seh' ich nicht klar das Endsiet ein.

So gut wie fich in unfern Köpfen
Malt ßch in Euren auch die Welt.

Nun möchten wir, gleich andern
Auch wissen, wie fie dar sich sseüt;

Die Wett der Zukunft, die den Leiden
Der Gegenwart ein Ende macht
Nnd die die bloßen hoffnungssreuden
Zur vollen Reife hat gebracht.

Wir find fürwahr nicht unbescheiden. -
Sagt nur, wie nach der Jahre zehn
Es mit der Proletarier Leiden
Nnd Euren Aktien wird stehn.

Hört! Hört! - Verstummt ist Cure Rede. ! Sefinnt Euch. - Möge ruhn die Fehde. -
Kein emsig Wort vernimmt mein Ohr. Doch morgen fprech' ich wieder vor.

Jacob.

Berlin, Mitte Februar.

Lieber Jacob!

Oogenblicklich weht ja nu woll schon so'n Stick Friehlingswind, un et
is manchmal schon so lau un mild, det De jlooben kenntest, mit den Winter
seine Herrlichkeit is et nu endjiltig zu Ende. Ick weeß, lieber Jacob, det
ick een schlechter Wetterprophet bin un det bei det janze Prophezeien nich
ville rauskommt. Un darum duht der Mensch ooch wirklich besser daran,
wenn er hin un wieder rickwärts kiekt, denn de Verjangenheit die steht seste
un darieber laßt sich ooch reden.

Et is ja nu man een wahret Jlick, det mir an de Spitze von unsre
Stadtverwaltung eenen Oberbirjermeester haben, der mit scharfe Oogen den
Jang der Verhältnisse beobachtet un seine Unterthanen durch seine weisen
Urtheile vor allen meeglichen Schaden bewahrt un behietet. Wenn ick wenigstens
Abends in de Klappe krauche, denn schlafe ick immer ruhig, weil ick weeß:
„Forckenbeck paßt uff, et kann dir nischt passiren." Un sechste, Jacob, wie
det jeweehnlich immer so is, so fanden sich denn ooch in de Stadtverordneten-
sitzung so'n paar sozialdemokratische Nörgler un Quärkler, die et natierlich
nie een Mensch recht machen kann, die fingen an zu stänkern, un red'ten da
det Blaue von'n Himmel runter von de Arbeetslosigkeit un den Nothstand,

die unter de Arbeeter herrschen sollten. Du meine Jiete, wenn man die
Leite reden heert, denn sollte man wirklich meenen, et wäre ieberhaupt Matthäi
am Letzten mit uns Alle, un in Forckenbecken seine Kiche kennte sich 'ne Maus
Blutblasen loofen, ehr se een Stick Brot fände. Et war nu ooch nich mehr
wie recht un billig, det Forckenbeck die Schreihälse mal orndtlich deppte.
Von eenen besonderen Nothstand — so meente er — wäre ihm noch nischt
bekannt jeworden, ihm schmeckte det Essen immer noch janz leidlich, na, un
wenn de Andern, weil se vielleicht keenen Apptit hatten, nischt jenießen kennen,
denn kann doch der Majistrat nich davor, un zum Schluß wurde denn
Forckenbeck noch jrob, wie et sich jeheert, un schnauzte de Sozialdemokraten
jeheerig an, un alle birjerlichen Stadtväter nickten dabei vor Befriedijung
mit de Köppe. Ick weeß nu nich, wie et richtig is, aber wenn der Herr
Oberbirjermeester sowat in eijene Person sagt, denn bejnieje ick mir als
Steierzahler damit un jloobe et. Aber de Sozialdemokraten? „Nich in de
Tiete!" hieß et bei die, „ih, da kennte ja Jeder kommen, nich in de la main",
un so jing det noch 'ne janze Weile weiter.

Selbstredend is keen Nothstand, denn Forckenbeck hat et jesagt. Wenn
det Nachmittags det Jntellijenzblatt — wo De aber keene Jntellijenz draus
nehmen kannst, lieber Jacob — ausjejeben wird, ick sage Dir, denn is de
janze Straße schwarz von lauter Neijierijen, die de alle Dage hinrennen,

Diamant und Kohle.

pe Kohle sprach zum Diamant:

,A)ir beide sind sehr nah' verwandt.
Und heißest du auch Edelstein,

Mußt du doch Meinesgleichen sein.

Du bist ein Mineral wie ich:

Blick' nicht so stolz herab auf mich!"

Drauf sprach der Diamant zur Uohle:
„Daß dich der Teufel lothweis hole!

Du schwarzer, rußiger Gesell:

Ich strahle wie die Lonne hell.

Ich bin zu Herrlichkeit und Fracht
Aus andrem Ltoff als du gemacht."

Bin Gnom rief da: „Aach der Themie
Bist du von gleichem Ltoff wie sie.

Der Zufall, welcher herrscht im All,

Hat dich gebildet zum Aristall.

Paßt mir's, verwand!' ich euch im Au,
Daß Demant sie und Aohle du." 8t.

Das beese Rohd.

Ja, mir in Sachsen, heernsc, mir sein Helle —
Der Grund dervon is: mir begreifen schnelle,

Un mag oochs Fädchen noch so dicke sein,

Un noch so gleen das Oehr — mir sädeln's ein.
Mir Hamm se hier nadierlich gar nich selden
Ooch Diftelgebbe undern Schdaadsanwälden
(Un undern Richdern vollends!) uffzuweisen —

Da gennd ihr nich mid 'nan, ihr Herrn in Breißen!

Mer genn'n ooch wärglich reizende Geschichden
Von ihrer schneid'gen Findiggeed berichden,

Un eene von den hibschesten un neisten

Is wohl was wärglich Neies fier de meisten. —
* *

*

In Reichenbach — 's is edwan nich ä Nest! ■—
Da war Sie neilich so ä gleenes Fest,

Un uff de Frage: „Dehgorirn mer'n Saal!"

Da hieß energisch es: „Nu allemal!"

Nu gahm Sie so ä Hechd un wärgde los
Un als er ferdig war, da war'sch famos,

Un dennoch war de Sache nich in Lohd —

Die ganse Bummelei war nämlich rohd,

Un rohd, das wissen Se — mit solchen Faxen
Da därf uns Geener gomm'n in unfern Sachsen!
De Bohlezei fuhr schleinigst aus der Haud
Un hat das rohde Bürschchen sich geglaud; .

Er gahm vor'sch Amtsgerichd un ohne Hast
Ward zu drei Dagen der Filou vergnast,

Un had se ooch, zerschmedderd un verschdummd,
Mit Zehneknärschen heemlich abgebrummd.

S o hadd' er sich de Sache nich gedachd,

Der Richder awwer haddsen glar gemacht»

Un setzd'en als humaner un gewandter
Jurist de Sache Haargleen ausenander.

Er meende: „Na, nu gomm Se ämal her!

Sie denken sich, Gulehr is ähm Gulehr,

Un wenn am Besten mir das Rohd gefälld,

So gimmerds geenen Richder uff der Weld?

Das sagd sich, Freindchen, Ihr Verschdehstemich;
Der mag ganz gud sin, doch hier reechd er nich.
Was nämlich alle die Gulehren sein,

Die deehld mer Widder ganz verschieden ein.

Mid mancher hads so seine gleenen Gnoden
Und weid nein beese isses mit der rohden,

So daß es sich in jeden Falle frägd
In allererschder Linje, wer se drägd,

Un wer dermid, wie es ja hier passierd,
Dehmvnschdradief hibsch gnallrohd dehgorierd.

Rohd is ja rohd, doch is ä Underschied,

Wemmer Sie nämlich uff de Absichd siehd,

Un Ihre, liewer Fremd, die genn'n mer schone —
Ä Sohzialer sein Sie zweifelsohne,

Un dragen nur den eenen Wunsch in Härzen,

Den jetz'gen Schdaad gewaldsam umzuschdärzen.
Für mich is Ihre Absichd außer Frage
Un darum gehts ins Giddchen die drei Dage!
Wenn mir das Herz bei dieser Farwe schliege
Un ich ä rohden Schlibs zum Beischbiel driege,
So gennd es sein, daß se wie Sie mich fingen
Un ü Brozeßchen an den Hals mir hingen,

Doch gennd ich wohl im Voraus daruff bochen,
Ich würde schließlich glänsend freigeschbrochen,

Da meine Absichd — so viel is wohl glar! —
Fier meinen Richder unverfänglich war.

Wenn Sie's hingegen edwan ämal wagen,

Ä rohden Schlibs durch Reichenbach zu dragen,
So würden mer Sie wohl beim Gribse griegen
Un Widder würden Se ins Giddchen fliegen,

Denn so ä Hechd wie Sie, das wissmer schon,
Bezweckt» dermid schdeds Dehmonschdraziohn,

Und so was gann in geenen Schdaad uff Erden,
An Wenigsten bei uns gelidden werden.

Rohd is nich reene — wärds ooch niemals sein —
Nich wahr, mei Fremd, das sehn Se selwer ein?
Se sein doch sonst ä leidlich Helles Gebbchen,

Das lcichd begreifen duhd — nich wahr? Ei ja —

weeß Gnebbchen!" —
Geduld geheerd derzu, in solchen Sachen
Das Rechd ä Rohden gründlich klar zu machen,
Ihm de Begriffe hibsch ins Maul zu schmieren
Un alles ausenander zu klafteren,

Doch ooch Geduld, die hier besondersch riehmlich,
Is unfern Richdern sümmdlich eegendiehmlich.

Un wenn de Menschen 's nachher nich begreifen
Un wider'sch Rechd sich ruchlos schdemm un schdeifen,
Drotz unsrer Richder Glarheed un Geduld,

Dann isses eben ihre eegne Schuld.

Wer das nicht faßt, bei den gehd in de Bubben
De Dömlichgeed, wo nich, had er den Schnubben!
 
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