Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
958

*-£=•<• Das Schlimmste. *5=^

Der Zufriedene.

Dame: Ach, ich langweile mich geradezu grauenhaft. .

Herr: Dann darf ich mir vielleicht erlauben, Ihnen, gnädiges Fräu-
lein, eines meiner Gedichte vvrzulesen?

Dame (erschrocken^: O nein, nein! So arg ist's noch nicht!

Herr von Jtzigstein.- Bei der letzten Volkszählung hat sich wiederum
ein schreckliches Wachsthum der großen Städte gezeigt; dadurch wird die
.soziale. Lage immer mehr verschärft. Es ist gut, daß ans dem Lande ein
besseres Verhältniß herrscht.

Pfahlbürger: Ach ja, wir sind schon zufrieden, wenn die Kinder
überhaupt bei uns auf die Welt kommen.

Aus dem zollpolitischen Karneval.

Es kommt das Schwein Amerikas
Nach Holland ungenirt,

Und wird mit Hollands Signatur
Nach Deutschland cxpedirt.

Warum es so Verstellung übt,

Zn unsrer Zöllner Schmerz?

Es macht das Schwein Amerikas
Sich einen Maskenschcrz.

National-Oekonomisches.

Ein Hypochonder.

A. : Warum besuchen Sie keinen Maskenball?

B. : Ich mag nicht! In jeder schönen Tänzerin
tritt mir die soziale Frage entgegen.

A. : Wie so?

B. : Na, es fragt doch jede, ob man ihr ein
Souper bezahlen will.

Nante über das Reichsschatzamt.

Ick kann mir jar nich beruhigen über die scheene
Rede, die der Reichsbankpräsident Koch neulichst
jehalten hat über unfern Joldvorrath und Silber-
vorrath und Thalervorrath. Det is jelinde jesagt
jrandios, wat wir vor een Heidenjeld haben, un ick
wünschte mich weiter nischt, als det mich der Reichs-
bankpräsident Koch eene Jnspritzung von seiner
Koch'sehen Lymphe in mein an Schwindsucht
leidendes Portemonnaie machte.

Guter Rath.

Vater: Wenn ich nur wüßte, zu welchem
Berufe sich mein Emil am besten eignete! Er ist
in allen seinen Arbeiten so flüchtig.

Onkel: Flüchtig? Dann laß ihn Kassircr
werden.

Radikales von den Hamburger Tabak-
fabrikanten.

Es giebt gewisse Staatseinrichtungen, die man
nicht antasten darf; das wissen die Hamburger
Tabaksabrikanten und haben z. B. niemals der poli-
tischen Polizei oder der offiziösen Presse etwas in
den Weg gelegt. Aber keine Regel ohne Ausnahme;
es giebt auch Staatseinrichtüngen, darunter in
erster Linie das Koalitionsrecht der Arbeiter,
denen es nicht schadet, wenn man sie mit Füßen
tritt. Das wissen die Hamburger Tabakfabrikanten
auch, und da sie an starken Tabak gewöhnt sind,
haben sie sich nicht genirt, ihre Arbeiter so lange
im kalten Winter auf die Straße zu setzen, bis sie
ihr Koalitionsrecht abschwören. Man muß es den
Hamburger Fabrikanten lassen, daß sie damit das
Höchste geleistet haben, was an politischem Radika-
lismus geleistet worden ist, denn kein anderer

Anarchist oder Revolutionär hat bis jetzt gewagt,
auf die Ausübung eines gesetzlich garantirten Staats-
bürgerrechts eine Strafe zu setzen und diese Strafe
zu vollstrecken, wie es die radikalen Hamburger
Tabaksabrikanten thun. Bei diesem Verfahren ver-
zichten die Tabakherren außerdem in schöner Offen-
herzigkeit auf das Deckblatt der Humanität und
Moral, auf welches von weniger schneidigen Menschen
sonst ungern verzichtet wird. Es könnte ja ver-
weichlichten Kulturmenschen als unmoralisch er-
scheinen, Jemanden durch materielle Noth zur Auf-
gabe seiner Prinzipien und zur Untreue gegen seine
Kollegen zu zwingen. Man könnte auch einen
Mangel an Humanität darin finden, diese That
mitten im kalten Winter zu vollbringen, welcher
ohnedies Noth und Elend für die betroffenen armen
Familien im Gefolge hat. Aber gerade hier zeigt
sich der Radikalismus der Hamburger Herren im
hellsten Lichte. Sie verzichten auf den blauen Dunst,
dessen Erzeugung sonst die Lebensaufgabe des Tabak-
menschen ist. Sie bieten der Kulturwelt die Spitze
und zeigen klar, was sie sind. So viel edles Kraut
sie auch verarbeiten — für die oben erwähnten
Rücksichten auf Moral und Humanität ist bei ihnen
kein Kraut gewachsen. Erst muß das Bestehende,
nämlich das Koalitionsrccht der Tabakarbeiter und
ihr Unterstützungsverein, zerstört sein, früher lassen
die Herren nicht mit sich reden. Wenn freilich in
der Welt inzwischen Mangel an Hamburger Zigarren
einträte und das deutsche Volk dahinter käme, daß
eigentlich Bremer Zigarren auch nicht übel sind und
die Welt ohne die sich allmächtig dünkenden Ham-
burger Tabakmenschen ganz gut bestehen könnte —
ja dann wäre allerdings die Stelle gefunden, wo
sie sterblich sind, denn dann ginge es an den Profit!
Aber Deutschland ist viel zu gutmüthig, um die
Aussperrenden aus dem Konsum auszusperren, das
wissen sie und deshalb sind sie so „kolossal schneidig."

Rentier Plumsack: Du, wat is denn det
eejentlich vor een Unterschied zwischen die jeistigc
un die körperliche Arbeit?

Rentier Schlaumeier: Det will ick Dir janz
jenau sagen: die körperliche Arbeit is det Essen,
die jeistigc Arbeit is det Trinken.

Letzter Trost.

Reptilius: Ach, wie lustig waren wir noch
im letzten Karneval, und heute — diese trüben
Zeiten!

Lockspitzel: Nur Muth, man hat uns noch nicht
ganz vergessen — für nächste Woche ist ein Lumpen-
ball arrangirt!
 
Annotationen