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905

Illustrirter Siegesbericht

der „Freisinnigen Zeitung" über den Kampf zwischen Eugen Richter und Wilhelm Liebknecht.

Einige noch unerörtert gebliebene Gründe,

warum die Frauen zum Wahlrecht und zum Staats-
dienst zugelassen werden sollten.

1. Beweisen die Frauen durch ihre Gardinen-
predigten, daß sie im Allgemeinen schlagfertiger
und redegewandter sind, als die Männer.

2. Sind die Frauen viel verführerischer, als
die Männer. Folglich müssen die Frauen für
fähiger in der Politik angesehen werden als die
Männer.

3. Machen die Frauen wohl aus dem Gelde
Staat, aber im allgemeinen nicht Geld aus dem
Staate.

4. Da die Frauen, wenn sie sich einmal etwas
in den Kopf gesetzt haben, viel zäher und kon-
sequenter sind, als die Männer, und auch immer
wieder aus ihr erstes Wort zurückkommen, so
kann man auch von ihnen erwarten, daß sie bei der
Schlußabstimmung nicht vergessen haben, wofür
und wie sie bei der ersten Abstimmung gestimmt
haben.

5. Ihre Gewohnheit, den Besen zu führen und
hin und wieder gründlich Kehraus zu machen,
dürfte auch für das Staatsleben heilsame Folgen
nach sich ziehen.

6. Haben die Frauen immer Recht.

Am Telephon.

„Hören Sie, wahrer Jacob?"

Jacob: Wer ruft?

„Mein Name ist Meier."

Jacob: Aha, was haben Sie denn schon wieder
auf dem Herzen?

„Wollte Sie nur fragen, ob Sie nicht auch eine
Liste für Unterschriften zur Petition gegen
Wiederzulassung der Jesuiten ins deutsche
Reich auflegen wollen?"

Jacob: Nein? Bor den Jesuiten, die erst
auf Erlaubniß warten, um ins Reich zu kommen,
fürchten sich blos die Nationalliberalen.

Der Schnaps in der Apotheke.

A. : Herr Windthorst scheint von der Heilwir-
kung des Schnapses sehr viel zu halten, da er ihn
in die Apotheke, also zu den Heilmitteln verweisen
will.

B. : O nein, er will blos der Regierung von
hinten herum das langersehnte Schnapsmonopol
verschaffen.

A. : Wie so das?

B. : Na, erst läßt er den Schnaps in die Apo-
theken verweisen, dann verhilft er dem sozialdemokra-
tischen Antrag auf Verstaatlichung der Apo-
theken zur Annahme, und siehe da: das Schnaps-
monopol ist fertig.

Auf dem Redaktionsbureau.

LiberalerChefredakteur (einen Brief zusammen-
faltend, zum Besucher): Nun, mein junger Freund, das
klingt ja sehr versprechend, mein alter Korpsbruder,
Rath S., schildert Sie als einen kleinen Tausendsasa.
Und Sie wollen sich ganz dem edlen Berufe der
Journalistik widmen?

Kandidat: Ja, Herr Doktor, ich fühle den
Beruf in mir, und was die innere Stimme spricht...

Chef: O, Sie sind auch stark im Zitiren? Das
ist sehr gut, um die Gedankenlücken auszufüllen.
Und was ist Ihre spezielle Branche?

Kandidat: Eine spezielle Branche habe ich
nicht. Ich schreibe über Alles, was gebraucht wird:
Politik, Finanz- und Landwirthschaft, National-
ökonomie, Industrie, Handel, Bergbau, Forstkultur,
Theologie, Jurisprudenz, Medizin, Philosophie,
Literatur, Malerei, Theater, Musik . . .

Chef (der den Brief nochmals überflogen): Sagen
Sie, mein alter Freund, Rath S., schreibt auch:
„und ist ein Mann von Charakter." Das ist
doch bei einem liberalen Blatte keine Empfehlung?

Kandidat: Sicherlich nicht; aber ich verstehe
seine lakonische Kürze, er meint, daß ich mich schnell
dem Charakter einer Zeitung anbequemen kann,

resp. der Zeitung je nach Bedürfniß den entsprechenden
Charakter zu geben verstehe.

Chef: Und nun noch eins: Sind Sie mit der
sozialen Frage vertraut?

Kandidat: Ich verstehe von der Sozialisten-
frage — die soziale ist ja ganz Nebensache — gerade
so viel, wie die Sozialistenvernichter im Reichstage
und überall sonst, denn das sind meine einzigen
Quellen, und da bin ich auf eine thurmhohe Idee
gekommen, die ich patentiren lassen werde: ich werde
auf Grund der zahlreichen, mit äußerstem Scharf-
sinn gemachten Versuche beweisen, daß die Sozial-
demokratie überhaupt nicht existirt und aus
diesem triftigsten aller Gründe gar nicht
vernichtet werden kann.

Chef: Junger Mann, Sie sind engagirt.

Die Königin von Serbien.

Ballade.

Serbiens Königin Natalie
Wollt' erfreuen ihre Schranzen
Und ließ ihnen zum Ergötzen
An dem Hofe Cancan tanzen.

All' die tugendhaften Damen
Fühlten sich wie neugeboren,

Doch es hatten an dem Hose
Leider alle Wände Ohren.

Und die Welt, die sittenstrenge,

Hat es hinterher erfahren,

Und verurtheilt auf das Strengste
Solch ein sittenlos Gebühren.

Warum hast du, o Natalie,

Dir auch einen Thron erwählet?

Ach, du armes Kind, nun weiß ich,

Daß du den Beruf verfehlet.

Wärst du worden Balleteuse,

Konntest du den Cancan tanzen
Und die Welt würd' applaudiren,

Statt dich jetzo zu kuranzen.
 
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