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ick die Sache mit die Ruhe un Zurickhaltung abwarteu un beobachten kann,
wie se sich vor eenen Politiker un Jelehrten, wie ick Eener zu sein hoffe,
eenzig un allem schickt. Aber man soll nich sagen, wat 'ne Sache is. Wie
leicht is der Funken in bet Pulverfaß jeschmissen, un wat so'n richtijer
Boulanger is, der kennt keene Rickficht, nich mal uff silberne Leffel, die
ieberhaupt nich da sind. Un wat unsere deitschen Boulanger's sind, na, die
siegen ja ieberhaupt immer, un die firchten keen Bockbier, un wenn et noch
so scheen is. Darum habe ick immer jesagt: „Friede ernährt, aber im Kriege da
kann Jeder de scheenste Wichse kriegen, wenn er ooch jar keene Sehnsucht nach hat."
Ick hoffe, lieber Jacob, det Dir meine Weisheit jeheerig imponiren wird.
Vor Friedrichsruh is zu de Feierdage nischt Neiet passirt. Seine Durch-
laucht mechte woll janz jerne rin in'n Reichsdag, wenn blos det verfluchte
Durchfallen bei de Wahl nich wäre. Aber ick winsche wirklich, det er rin-
kommt in det deitsche Parlament, un weeßte warum, lieber Jacob? Det
will ick Dir mit kurze Worte sagen. Sechste, Seine Durchlaucht jeheert zu
die Jemiethsmenschen, die immer sehen, det se mit den Ricken an de Wand
zu stehen kommen, un det se man jarnischt umsonst duhn. Der Dienst vor't
Vaterland is sehr ehrenvoll, aber der scheenste Posten nutzt mir nischt, wenn
er nischt inbringt. Un weeßte, wat ick daher jloobe? Ick jloobe, det et mit
die Diätenlosigkeit von de deitsche Reichstagsabjeordneten Matthäi am Letzten
is, wenn der Altreichskanzler — een feiner Titel, bringt aber ooch nischt in —
seinen Jnzug in den Reichsdag hält. Der wird sich denn woll mit seine
janze Erfahrung un seine janze Enerjie, womit er sich ja immer so dicke
duht, davor in't Zeich lejen, det der diätenlose Zustand endlich mal uffhört.
Ooch aus Afrika besorgt uns keen Mensch freidije Nachrichten. Wir
haben keen eenzijet Jefecht jehabt, wo wir mal unsere Schneidigkeit wieder
hätten zeijen kennen un de Wilden loofen immer noch in ihr Heidenthum rum.
An unfern Stammtisch erzählte neilich Eener, den sein Cousin Eene kennt, dessen
Bruder in unsere Kolonien jewesen war, soljende verbirgte Thatsache, die ick
aber vor eenen Mumpitz estimire. Zu den wilden Stamme der Qualm-Tu-Te-
Kriejer kommen an eenen scheenen Winterabend zwee Missionare, een katholscher
un een evaujelscher. Die ziehen mit die Kriejer in den dicken Urwald rin un
fangen an zu bekehren. Mittlerweile sangt et an, duster zu werden un die
Wilden verkriemeln sich sachte unter den Schutz der Düsterkeit. Des Morjens,
wie de Sonne uffjeht un et Helle wird, da merken die beeden Missionare erst,
det se jejenseitig an sich rum bekehrt hatten. Det Ende von det Lied war,
det der Eene zwee Dage später zum Buddhismus iebertrat un der Andere
wurde Quäker.
Laß Dir dadurch aber nich de Feiertage verderben, lieber Jacob, sondern
sei so verjniegt wie ick, womit ick verbleibe erjebenst un mit ville Jrieße
Dein treier Jotthilf Naucke.
An'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.
Z° HobrlsMhne.
Osterglocken freundlich locken,
Und die Sonne scheint schon warm,
Und Caprivi mit Herrn Rickert
Wandelt friedlich Arm in Arm,
Und die Palmen und die Psalmen
Künden Frieden rings umher:
Alles wird hinfort bewilligt —
Rickert opponirt nicht mehr.
* *
*
Die Osterzeit bringt uns die ersten Keime und
Blüthen, aber niemals Früchte. Wir dürfen
uns deshalb auch nicht wundern, daß die Reichs-
tagsberathungen über den Arbeiterschutz bis Ostern
so fruchtlos waren.
-i- *
-i-
Richter, der Heiland von Sankt Manchester,
Grollend und zürnend nun abseits steht:
„Petrus-Caprivi, Du hast mich verleuguet,
Ehe der Windthorst dreimal gekräht.
Doch hoffe nimmermehr, mich zu bezwingen,
Denn wisse, ich bin nicht umzubringen."
* *
*
Es hat noch niemals ein so inniges Einvernehmen zwischen Gesellschafts-
kreisen Deutschlands und Frankreichs bestanden, wie gegenwärtig zwischen
den deutschen und französischen Chauvinisten. Dieselben sind überein-
stimmend ganz glücklich darüber, daß es ihnen gelungen ist, einen kleinen
Skandal anzustiften. *
Es mahnet uns die Ostcrzeit ! Doch flieht sofort der Vorzeit Reiz
An manche fromme Mythe; ! Und aller Osterfriede,
Sie zeigt uns der Vergangenheit ; Wenn uns der grobe Hausherr mahnt
Entlegenste Gebiete. | An uns're Wohnüngsmiethe.
* *
*
Die Oster-Eier der Großindustriellen scheinen dieses Jahr recht übel
gerathen zu sein. Wenigstens haben sich alle Eier, welche sie in die Reform
der Gewerbeordnung legten, als faul erwiesen.
Ihr getreuer
Säge, Schreiner.
Wir sinken in Schulden immer tiefer,
Können kaum uns halten über Wasser
Und müssen uns schinden für reiche Prasser.
Am Pfluge da das Vieh, der Stier,
Der hat's in Vielem besser als wir.
Wir Bauern tragen ein härteres Joch
Und doch ist Schmalhans bei uns Koch,
Plagen uns allein für die Großen,
Wir haben die Dornen, sie die Rosen.
Städter.
Sagt, giebt es noch viele Bauern hier,
Die denken und reden so wie Ihr?
Bauer.
Das will ich meinen.
Städter.
Schämet Euch!
Sozialisten sind Feinde zu Kaiser und Reich.
Bauer.
Ich möcht' Sie bitten, Herr, recht sehr:
Schimpft auf die Sozialisten nicht mehr,
Das könnt' Euch übel sonst bekommen.
Ich sage Euch: wenn alle Frommen
So wacker wären in Worten und Thaten
Wie unsere Sozialdemokraten,
Dann wär's schon lange besser bestellt
In dieser gottserbärmlichen Welt.
Das sagt' ich zum Kaplan auch neulich.
Städter.
Das ist empörend, ist abscheulich!
Der Bauernschädel, so konservativ,
Auch er ist nicht mehr „antikollektiv"
Und glaubt nicht mehr dem Pfaffen und Pfäffle.
Was soll das werden, heiliger Schäffle!
Hilf Bismarck! Ach, das kommt davon!
Bauer.
Hört Ihr der Abendglocken Ton?
Seitdem ich sozialistisch bin,
Wecken sie mächtig meinen Sinn.
Mir ist, als schaut' ich eine Zeit
Der Freiheit und Gerechtigkeit.
Sie kommt wie der Frühling nach dem Winter.
Erleben werden sie unsere Kinder.
Wir müssen unter Thränen säen,
Die Nachkommen werden ernten und mähen.
Städter.
O jerum! welch' utopislischer Kohl!
Bauer.
Verstehe das nicht. Adieu, lebt wohl! j. st.
2um SomitsgFschutzgesetz.
(Eine wahre Anekdote.)
In früheren Jahrzehnten kam es häufig vor,
daß polnische Schnorrer-Rabbiner oder Rabbiner-
Schnorrer an Samstagen in kleineren jüdischen
Gemeinden Predigten und am folgenden Sonntag
in den jüdischen Häusern Besuch machten, um Gaben
in Empfang zu nehmen. Ein solcher kam auch
einmal nach dem Städtchen *. In seiner Predigt
eiferte er. gewaltig gegen die Entweihung des
Sabbaths, bedrohte die, welche am Sabbath ihr
Ladengeschäft offen halten, mit schrecklichen Höllen-
strafen und betitelte sie mit den landläufigen frommen
Schimpfwörtern. Man hatte ihm nämlich gesagt,
daß einer von den jüdischen Kaufleuten des Städtchens
seit einiger Zeit ein Sabbathschänder geworden sei,
indem er seinen Laden am Sabbath offen halte.
Andern Tages machte der Rabbi seinen Rundgaug
und kam auch an das Haus des Sabbathschünders.
„Soll ich ihn besuchen?" fragte er sich. „Wird er
dir nicht die Thür weisen, wo du doch mit Fingern
auf ihn gezeigt und ihn schwer beleidigt hast? Ach
was, riskiren wir's, mehr als hinauswcrfen kann
er dich nicht." Wie erstaunte er, als ihn der Kauf-
mann aufs Liebenswürdigste empfing und ihm sogar
noch beim Weggehen einige Goldstücke in die Hand
drückte. — Im nächsten Jahr um dieselbe Zeit kam
der Rabbi wieder in diese Gemeinde und predigte
wiederum über die Heiligung des Sabbaths. Sich
der reichen Gabe des Sabbathschünders erinnernd,
zog er diesmal ein anderes Register. Wohl, sagte
er, sei es Pflicht jedes Juden, den Sabbath streng
zu beobachten. Indessen gestatte das Gesetz doch
auch Ausnahmen. Die Familie ehrlich durchzu-
bringen, sei auch ein frommes Werk, und so mag
man denn wohl auch manchmal am Sabbath dem
Geschäft obliegen, nur nicht während des Gottes-
dienstes rc. Als der Rabbi bei seinem sonntäglichen
Rundgaug wieder zum Haus jenes Kaufmanns kam,
betrat er dasselbe leichten Herzens und in der sicheren
Hoffnung, diesmal noch viel reicher beschenkt zu
werden, als im vorigen Jahr. Der Empfang war
wiederum ein sehr freundlicher, aber als er sich
verabschiedete, gab ihm der Kaufmann — nichts.
Schwer enttäuscht ging er die Treppe hinab, konnte
sich aber nicht enthalten, nochmals umzukehren und
den Kaufmann über sein räthselhaftes Benehmen zu
befragen. „Wie haißt räthselhaft?" antwortete der
Kaufmann, „das ist doch sehr einfach. Voriges Jahr-
Haben Sie gegen das Offenhalten des Geschäfts am
Sabbath gedonnert und gewettert. Dadurch haben
Sie meine Konkurrenten abgehaltcu, daß sie nicht
ebenfalls am Sabbath ihr Geschäft öffnen, und so
kommen am Sabbath die Kunden alle zu mir.
Gestern hingegen haben Sie es erlaubt und nun
werden meine Konkurrenten auch am Sabbath. offen
halten. Soll ich Sie noch dafür belohnen, daß Sie
mein Geschäft schädigen? Wie haißt!" — Tableau!
ick die Sache mit die Ruhe un Zurickhaltung abwarteu un beobachten kann,
wie se sich vor eenen Politiker un Jelehrten, wie ick Eener zu sein hoffe,
eenzig un allem schickt. Aber man soll nich sagen, wat 'ne Sache is. Wie
leicht is der Funken in bet Pulverfaß jeschmissen, un wat so'n richtijer
Boulanger is, der kennt keene Rickficht, nich mal uff silberne Leffel, die
ieberhaupt nich da sind. Un wat unsere deitschen Boulanger's sind, na, die
siegen ja ieberhaupt immer, un die firchten keen Bockbier, un wenn et noch
so scheen is. Darum habe ick immer jesagt: „Friede ernährt, aber im Kriege da
kann Jeder de scheenste Wichse kriegen, wenn er ooch jar keene Sehnsucht nach hat."
Ick hoffe, lieber Jacob, det Dir meine Weisheit jeheerig imponiren wird.
Vor Friedrichsruh is zu de Feierdage nischt Neiet passirt. Seine Durch-
laucht mechte woll janz jerne rin in'n Reichsdag, wenn blos det verfluchte
Durchfallen bei de Wahl nich wäre. Aber ick winsche wirklich, det er rin-
kommt in det deitsche Parlament, un weeßte warum, lieber Jacob? Det
will ick Dir mit kurze Worte sagen. Sechste, Seine Durchlaucht jeheert zu
die Jemiethsmenschen, die immer sehen, det se mit den Ricken an de Wand
zu stehen kommen, un det se man jarnischt umsonst duhn. Der Dienst vor't
Vaterland is sehr ehrenvoll, aber der scheenste Posten nutzt mir nischt, wenn
er nischt inbringt. Un weeßte, wat ick daher jloobe? Ick jloobe, det et mit
die Diätenlosigkeit von de deitsche Reichstagsabjeordneten Matthäi am Letzten
is, wenn der Altreichskanzler — een feiner Titel, bringt aber ooch nischt in —
seinen Jnzug in den Reichsdag hält. Der wird sich denn woll mit seine
janze Erfahrung un seine janze Enerjie, womit er sich ja immer so dicke
duht, davor in't Zeich lejen, det der diätenlose Zustand endlich mal uffhört.
Ooch aus Afrika besorgt uns keen Mensch freidije Nachrichten. Wir
haben keen eenzijet Jefecht jehabt, wo wir mal unsere Schneidigkeit wieder
hätten zeijen kennen un de Wilden loofen immer noch in ihr Heidenthum rum.
An unfern Stammtisch erzählte neilich Eener, den sein Cousin Eene kennt, dessen
Bruder in unsere Kolonien jewesen war, soljende verbirgte Thatsache, die ick
aber vor eenen Mumpitz estimire. Zu den wilden Stamme der Qualm-Tu-Te-
Kriejer kommen an eenen scheenen Winterabend zwee Missionare, een katholscher
un een evaujelscher. Die ziehen mit die Kriejer in den dicken Urwald rin un
fangen an zu bekehren. Mittlerweile sangt et an, duster zu werden un die
Wilden verkriemeln sich sachte unter den Schutz der Düsterkeit. Des Morjens,
wie de Sonne uffjeht un et Helle wird, da merken die beeden Missionare erst,
det se jejenseitig an sich rum bekehrt hatten. Det Ende von det Lied war,
det der Eene zwee Dage später zum Buddhismus iebertrat un der Andere
wurde Quäker.
Laß Dir dadurch aber nich de Feiertage verderben, lieber Jacob, sondern
sei so verjniegt wie ick, womit ick verbleibe erjebenst un mit ville Jrieße
Dein treier Jotthilf Naucke.
An'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.
Z° HobrlsMhne.
Osterglocken freundlich locken,
Und die Sonne scheint schon warm,
Und Caprivi mit Herrn Rickert
Wandelt friedlich Arm in Arm,
Und die Palmen und die Psalmen
Künden Frieden rings umher:
Alles wird hinfort bewilligt —
Rickert opponirt nicht mehr.
* *
*
Die Osterzeit bringt uns die ersten Keime und
Blüthen, aber niemals Früchte. Wir dürfen
uns deshalb auch nicht wundern, daß die Reichs-
tagsberathungen über den Arbeiterschutz bis Ostern
so fruchtlos waren.
-i- *
-i-
Richter, der Heiland von Sankt Manchester,
Grollend und zürnend nun abseits steht:
„Petrus-Caprivi, Du hast mich verleuguet,
Ehe der Windthorst dreimal gekräht.
Doch hoffe nimmermehr, mich zu bezwingen,
Denn wisse, ich bin nicht umzubringen."
* *
*
Es hat noch niemals ein so inniges Einvernehmen zwischen Gesellschafts-
kreisen Deutschlands und Frankreichs bestanden, wie gegenwärtig zwischen
den deutschen und französischen Chauvinisten. Dieselben sind überein-
stimmend ganz glücklich darüber, daß es ihnen gelungen ist, einen kleinen
Skandal anzustiften. *
Es mahnet uns die Ostcrzeit ! Doch flieht sofort der Vorzeit Reiz
An manche fromme Mythe; ! Und aller Osterfriede,
Sie zeigt uns der Vergangenheit ; Wenn uns der grobe Hausherr mahnt
Entlegenste Gebiete. | An uns're Wohnüngsmiethe.
* *
*
Die Oster-Eier der Großindustriellen scheinen dieses Jahr recht übel
gerathen zu sein. Wenigstens haben sich alle Eier, welche sie in die Reform
der Gewerbeordnung legten, als faul erwiesen.
Ihr getreuer
Säge, Schreiner.
Wir sinken in Schulden immer tiefer,
Können kaum uns halten über Wasser
Und müssen uns schinden für reiche Prasser.
Am Pfluge da das Vieh, der Stier,
Der hat's in Vielem besser als wir.
Wir Bauern tragen ein härteres Joch
Und doch ist Schmalhans bei uns Koch,
Plagen uns allein für die Großen,
Wir haben die Dornen, sie die Rosen.
Städter.
Sagt, giebt es noch viele Bauern hier,
Die denken und reden so wie Ihr?
Bauer.
Das will ich meinen.
Städter.
Schämet Euch!
Sozialisten sind Feinde zu Kaiser und Reich.
Bauer.
Ich möcht' Sie bitten, Herr, recht sehr:
Schimpft auf die Sozialisten nicht mehr,
Das könnt' Euch übel sonst bekommen.
Ich sage Euch: wenn alle Frommen
So wacker wären in Worten und Thaten
Wie unsere Sozialdemokraten,
Dann wär's schon lange besser bestellt
In dieser gottserbärmlichen Welt.
Das sagt' ich zum Kaplan auch neulich.
Städter.
Das ist empörend, ist abscheulich!
Der Bauernschädel, so konservativ,
Auch er ist nicht mehr „antikollektiv"
Und glaubt nicht mehr dem Pfaffen und Pfäffle.
Was soll das werden, heiliger Schäffle!
Hilf Bismarck! Ach, das kommt davon!
Bauer.
Hört Ihr der Abendglocken Ton?
Seitdem ich sozialistisch bin,
Wecken sie mächtig meinen Sinn.
Mir ist, als schaut' ich eine Zeit
Der Freiheit und Gerechtigkeit.
Sie kommt wie der Frühling nach dem Winter.
Erleben werden sie unsere Kinder.
Wir müssen unter Thränen säen,
Die Nachkommen werden ernten und mähen.
Städter.
O jerum! welch' utopislischer Kohl!
Bauer.
Verstehe das nicht. Adieu, lebt wohl! j. st.
2um SomitsgFschutzgesetz.
(Eine wahre Anekdote.)
In früheren Jahrzehnten kam es häufig vor,
daß polnische Schnorrer-Rabbiner oder Rabbiner-
Schnorrer an Samstagen in kleineren jüdischen
Gemeinden Predigten und am folgenden Sonntag
in den jüdischen Häusern Besuch machten, um Gaben
in Empfang zu nehmen. Ein solcher kam auch
einmal nach dem Städtchen *. In seiner Predigt
eiferte er. gewaltig gegen die Entweihung des
Sabbaths, bedrohte die, welche am Sabbath ihr
Ladengeschäft offen halten, mit schrecklichen Höllen-
strafen und betitelte sie mit den landläufigen frommen
Schimpfwörtern. Man hatte ihm nämlich gesagt,
daß einer von den jüdischen Kaufleuten des Städtchens
seit einiger Zeit ein Sabbathschänder geworden sei,
indem er seinen Laden am Sabbath offen halte.
Andern Tages machte der Rabbi seinen Rundgaug
und kam auch an das Haus des Sabbathschünders.
„Soll ich ihn besuchen?" fragte er sich. „Wird er
dir nicht die Thür weisen, wo du doch mit Fingern
auf ihn gezeigt und ihn schwer beleidigt hast? Ach
was, riskiren wir's, mehr als hinauswcrfen kann
er dich nicht." Wie erstaunte er, als ihn der Kauf-
mann aufs Liebenswürdigste empfing und ihm sogar
noch beim Weggehen einige Goldstücke in die Hand
drückte. — Im nächsten Jahr um dieselbe Zeit kam
der Rabbi wieder in diese Gemeinde und predigte
wiederum über die Heiligung des Sabbaths. Sich
der reichen Gabe des Sabbathschünders erinnernd,
zog er diesmal ein anderes Register. Wohl, sagte
er, sei es Pflicht jedes Juden, den Sabbath streng
zu beobachten. Indessen gestatte das Gesetz doch
auch Ausnahmen. Die Familie ehrlich durchzu-
bringen, sei auch ein frommes Werk, und so mag
man denn wohl auch manchmal am Sabbath dem
Geschäft obliegen, nur nicht während des Gottes-
dienstes rc. Als der Rabbi bei seinem sonntäglichen
Rundgaug wieder zum Haus jenes Kaufmanns kam,
betrat er dasselbe leichten Herzens und in der sicheren
Hoffnung, diesmal noch viel reicher beschenkt zu
werden, als im vorigen Jahr. Der Empfang war
wiederum ein sehr freundlicher, aber als er sich
verabschiedete, gab ihm der Kaufmann — nichts.
Schwer enttäuscht ging er die Treppe hinab, konnte
sich aber nicht enthalten, nochmals umzukehren und
den Kaufmann über sein räthselhaftes Benehmen zu
befragen. „Wie haißt räthselhaft?" antwortete der
Kaufmann, „das ist doch sehr einfach. Voriges Jahr-
Haben Sie gegen das Offenhalten des Geschäfts am
Sabbath gedonnert und gewettert. Dadurch haben
Sie meine Konkurrenten abgehaltcu, daß sie nicht
ebenfalls am Sabbath ihr Geschäft öffnen, und so
kommen am Sabbath die Kunden alle zu mir.
Gestern hingegen haben Sie es erlaubt und nun
werden meine Konkurrenten auch am Sabbath. offen
halten. Soll ich Sie noch dafür belohnen, daß Sie
mein Geschäft schädigen? Wie haißt!" — Tableau!