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Das Lied ffmu Gheilen.

(Mel.: Das Wandern ist des Müllers Lnst.)

da^ Gheilen, da^ ist unsre Freud',
Da^ Gheilen.

G^ lieben alle braven Reut'

DaF Gheilen.

Sozialdemokrat Könnt' der nicht sein,
Dem niemals fiel da^ Gheilen ein,
Da^ Gheilen.

Gar früh lernt so der arme Wicht
DaF Gheilen.

Der reiche Mann, der Kennt eF nicht
Dies Gheilen.

Er greift ins Volle keck hinein,
Nicht zimperlich; eF ist nicht fein
DaF Gheilen.

Die Leit nur macht un^ wenig Wein
Lu theilen.

Da will man gern behilflich sein
Beim Gheilen.

Die Arbeit lang und Kurz die Guh,
Die Langweil' fallt dein Neichen zu
Beim Gheilen.

Lu lernen brauchen wir's nicht mehr
Das Gheilen;

Als Rinder übten wir schon sehr
Dag Gheilen.

Die Suppenschüssel war nur klein,
Drum mutzte fein berechnet sein
Dag Gheilen.

Der Gaglohn, klein u. leicht, ist schwer
Lu theilen.

So übten wir uns immer mehr
Im Gheilen.

Sech^ Gage Rohn, für sieben Brot —
Da machte oft nicht wenig Math
Das Gheilen.

Ja, Freude hat un^ gar gebracht
Das Gheilen.

Wir haben zur Pflicht gemacht
Da^ Gheilen.

Wir stehen für einander ein.

Die Math, die will gemildert sein
Durch Gheilen.

Deg Rampfeg Müh'n verschwinden schier
Durchs Gheilen.

Deg Sieges Freud' vergröszern wir
Durch Gheilen.

Gheilt und beherrscht, sei dag Panier!
Die Gegnerschaar zersplittern wir
Durch Gheilen.

Gg faselt der Spietzbürger was
Von: Gheilen.

Ihm scheint ein ganz verwünschter Spatz
Dag Gheilen.

Drum fingen wir im vollen Ghor
Ihm dieses Ried zum Hohn iu£ Ohr

VoM GWleN. Andres.

Vertrauliches Schreiben

des Fabrikanten Klug an den Fabrikanten Fuchs. Mitglieder des Zentral-
bereins deutscher Industrieller.

Geehrter Herr und Kollege!

Wir haben gegenseitig die Ehre, uns zu kennen, ich brauche mich Ihnen
daher nicht vorzustellen. Wie oft sind wir seiner Zeit traulich beisammen-
gesessen im Austernkeller und haben über die soziale Frage unsere Gedanken
ausgetauscht und unfern Groll über die Begehrlichkeit der Proletarier mit
Sekt und Sherry fortgeschwemmt. Und wissen Sie noch, wie wir auf das
Wohl des Redakteurs Karl Hecker, (der in seiner Zeitung „Vom Fels zum
Meer" ein Rezept mittheilte, wonach der Arbeiter mit neunundachtzig Pfennig
pro Tag auskommen kann,) einem Dutzend Flaschen — es war eine famose
Marke: Heidsick-Monopol — die Hälse gebrochen haben? und wie Sie
in Ihrer — Begeisterung eine Rede hielten, in welcher Sie diesen Hecker
einen Oedipus nannten, der die Welt von der verfluchten Sphinx der
sozialen Frage befreien wird. — Ach, diese verwünschte Sphinx hat mir
in der letzten Zeit viel zu schaffen gemacht. Erschrecken Sie nicht, Bester:
nicht das Pleite-Gespenst ist mir in Sicht gekommen, auch habe ich nicht die
Absicht, Sie anzupumpen, hab's, Gott sei Dank! nicht nöthig; nein, etwas
ganz anderes mein' ich. Ohne Umschweif: Ich habe mein Damaskus ge-
funden, bin aus einem Saulus ein Paulus geworden; non sum qualis
eram, ich bin in der Arbeiterfrage ganz anderer Ansicht geworden. Sollte
es wahr sein, was vor einiger Zeit ein sozialdemokratischer Reichstags-
abgeordueter, mit dem ich erster Klasse nach Berlin fuhr, zu mir sagte? In
jedem Menschen, behauptete er, steckt der Sozialist, nur schläft er noch bei
Vielen und man müsse verstehen, ihn aufzuwecken. Am Ende kann sich auch
noch aus unserem Generalsekretär Herrn Buek ein Sozialist entpuppen!
Scherz bei Seite! Ein vierzehnkarätiger Sozialist bin ich zwar noch nicht —
woher soll ich die Zeit nehmen, den Sozialismus zu studiren? Ja, wenn
ich ein Rentier wäre, oder wenn der Achtstundentag für die Fabrikanten
eingeführt würde! Ich sage Ihnen, Freund, der Gedanke mit dem Acht-
stundentag ist gar so übel nicht und wir Industriellen könnten ihn ebenso
gut brauchen wie die Arbeiter, und vielleicht stelle ich bei der nächsten
Generalversammlung unseres Vereins den Antrag, daß der Zentralverein
deutscher Industrieller ein Achtstundengesetz für die Unternehmer auswirken
möge. Sie lachen? Aber sagen Sie selbst: haben Sie nicht schon so manches-
mal Ihre Arbeiter beneidet, wie sie, aller Geschäftssorgen frei, Abends aus
der Fabrik gehen — und wir? „Meister muß sich immer plagen." Wie
Furien den Orestes verfolgen uns die geschäftlichen Sorgen und Gedanken,
sie folgen uns ins Theater, ins Konzert, in den Ballsall und sogar ins Reich
der Träume. Beim Styx! wir müssen unsere Austern und andere schöne
Dinge theuer bezahlen. Es ist noch nicht lange her, im vorigen Sommer
war's, da hatte ich einen Geschäftsgang über Land zu machen. Der Weg
führte mich durch eine prächtige Buchenwaldung. Ich mochte eine Stunde
gegangen sein, als ich einem Stromer begegnete. Der Mensch grüßte mich
artig und fragte, ob er mir Gesellschaft leisten dürfe. Da er nichts Ver-
dächtiges an sich hatte, mochte ich ihn nicht abweisen. Und da hätten Sie nun
hören sollen, mit welcher Wärme der Mensch die Poesie des Waldes in seiner

derben Ausdrucksweise zu schildern verstand, gerade als ob der Wald sein
Eigcnthum wäre. Und ich Esel, mit Respekt zu sagen, hatte von der ganzen
Herrlichkeit nichts gemerkt, denn allerlei Geschästsgedanken und Projekte gingen
mir im Kopf herum, und wenn ich die Bäume ansah, fielen mir gewisse
Holzspekulationen ein und ließen mich nicht los. Da kam ich mir vor wie
das Bäuerlein, das sich wünschte, alles, was seine Hand berührt, möge z.
Gold werden, und als sein Wunsch erfüllt wurde, mußte es hungern und
verschmachten, denn auch sein Brot und sein Wasserkrug wurden zu Gold! —
Doch ich muß Ihnen die Geschichte meiner Verwandlung oder Bekehrung,
wenn Sie lieber wollen, näher erzählen. Es war im Mai vorigen Jahres.

Im wunderschönen Monat Mai,

Als alle Knospen sprangen,

Da ist in meinem Kopfe

Ein Licht mir ausgcgangen.

Rentier Hase und ich sitzen in dem renommirten Gasthaus, das zwischen
hier und der Nachbarstadt am Kreuzweg vor etlichen Jahren errichtet wurde.
Wir hatten uns in das kleine Nebenzimmer des großen Saals zurückgezogen,
um ungestört über ein Kapitalanlage-Projekt plaudern zu köunen. Auf einmal
wird es draußen im Saal lebendig, wir hören Tritte, Stimmen, Sprechen,
Singen, es wird immer lauter, der Saal füllt sich. Wir fragten die Kellnerin,
was das zu bedeuten habe? Es sind Arbeiter, welche ihre Maifeier hier
abhalten, lautete die Antwort und husch! flog sie hinaus, Nun hätten Sie
unfern Rentier sehen sollen, wie der erblaßt war und zitterte; wenn man
ihn zur Ader gelassen hätte, würde er keinen Blutstropfen gegeben haben.
Er hatte nämlich eine fürchterliche Angst vor diesem ersten Mai, denn er
glaubte nicht anders, als daß an diesem Tag eine allgemeine Arbeiterrevolution
losbrechen würde, und wie Sie sich erinnern, haben ja auch die Behörden
etwas Aehnliches geglaubt. Hase hatte besonderen Grund, sich zu ängstigen,
denn er hatte früher, bevor er sich als Privatier etablirte, seine Arbeiter nicht
sehr glimpflich behandelt, und noch als Rentier hat er durch Steigerung
der Miethe und Exmittiren zahlungsunfähiger Miether die Arbeiter erbittert.
Die Angst war es auch, weshalb er mich in dieses einsam gelegene Gasthaus
bestellt hatte, wie er mir später sagte, weil er hier außer Schußweite zu sein
hoffte. Und nun war er dem Löwen der Revolution gerade in den Rachen
gelaufen! Die Sache fing an, mich zu belustigen. Draußen ertönte ein
hübscher Gesang, dann hörte man Reden halten, Deklamationen u. s. w. Unser
Zimmer hatte keinen andern Ausgang als durch den Saal. In Folge einer
natürlichen Ursache wollte ich mich auf einige Augenblicke entfernen. „Um
Gotteswillen, verlassen Sie mich nicht!" flehte Hase, „Sie sehen ja, wie ich
zittere und bebe." Aber, lieber Freund, gegen eine force majeure kann
kein Sterblicher ankämpfen. — Daß ich's kurz mache: ich durfte ihn erst
verlassen, als ich den Hausknecht durch's Fenster zu seinem Schutz herauf-
gerufen hatte. Und nun ging ich — es war die höchste Zeit — rasch durch
den Saal. Das war aber auch ein Rennen mit Hindernissen; mehrere meiner
Arbeiter, welche mich höflich grüßten, luden mich ein, bei ihnen Platz zu
nehmen. Um loszukommen, versprach ich, in wenigen Minuten zurückzukehren
und der Einladung Folge zu leisten. Als ich zurückkehrte, wurde mir ein
angenehmer Platz angewiesen, der noch angenehmer wurde durch mein vis-ü-vis,
ein allerliebster blonder Käfer. Was diese Proletarier für hübsche Mädels
 
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