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befanden, alle Höhen besetzt und so das Volk bis zur vollständigen
Entwaffnung von den eigenen Kanonen der Nationalgarde in Schach
gehalten werden. Gendarmen hatten den Vortrab zu bilden und
nach einer Ordre Vinoy's jeden Posten, welcher Widerstand leisten
würde, „ans der Stelle niederzumachen."
Der Uebersall aus Montmartre, von General Lecomte geleitet,
erfolgte gegen 3 Uhr Morgens. Der vor dem Artilleriepark Wache
stehende Gardist Turpin kreuzt sein Bajonett, die Gendarmen legen
an und blutüberströmt stürzt er Zu Boden. Ein weniger mörderischer
Angriff wird aus den in der Rne des Rösters befindlichen Wacht-
posten ausgeführt und zwei Stunden später scheint es, als sei der
Uebersall überall gelungen. Dian wartet nur noch auf Bespannung,
um die Geschütze fortzuschaffen. Mittlerweile läßt aber die National-
garde Rappel schlagen, es bilden sich einzelne Gruppen, denen sich
bald Frauen und Kinder zugesellen, die Rufe: „Es lebe die Republik!"
dringen immer näher. Schon sind einzelne Soldaten wankend
geworden. Wüthend
läßt Lecomte sie ab-
führen. Die Menge
ruft: „Hoch die Linien-
truppe!" Da läßt er
Gewehr anlegen; doch
ehe noch das Kom-
mando: „Feuer!" er-
schallt, stürzen sich die
Frauen, die Soldaten
als ihre Brüder an-
rnfend, die nicht auf
ihre Geschwister schie-
ßen werden, den Ge-
wehrläufen entgegen.
Dreimal erfolgt das
Kommando: „Feuer!"
Doch dreimal ver-
gebens; vergebens auch
die Drohung, seinen
Leuten den Schädel
zu spalten. Sie lassen
ihre Gewehre sinken,
„Hoch die Republik!
Hoch die Linientruppe!"
tönt es durcheinander
— und General Le-
comte ist Gefangener
der Nationalgarde.
Wie in Mont-
martre war der Ueber-
fall überall mißlungen.
Die Regierung versucht
es mit dem rothen Gespenst. Sie läßt Proklamationen anheften,
in welchen die guten Bürger aufgefordert werden, sich von den
schlechten zu trennen und gemeinsam mit der Regierung „ihren Herd,
ihre Familie, ihr Eigenthum zu schützen" und spricht von einem
„Jnsurrektionskomite," das nur kommunistische Lehren vertritt und
Paris der Plünderung preisgeben will. Doch errangen diese Pro-
klamationen keinen anderen Erfolg, als belacht oder herabgerissen
zu werden. Thiers schlägt nun vor, sich mit sämmtlicheu Truppen
nach Versailles zurückzuziehen, um sie dort für den Bürgerkrieg
zu stählen. Thiers berief sich den Ministern gegenüber aus das
Beispiel, das der Fürst Windischgrätz in den Jahren 1848 und
1849 gegeben hatte und dem man nacheifern müsse.
Wenn von den Spitzen der Gesellschaft der Geist eines
Windischgrätz angerufen wird, wer kann sich daun wundern, wenn
unten im Volke angesichts der Leiche Turpins die Erinnerung an
die Junitage aufsteigt und eine noch von der Szene am Morgen
wild aufgeregte Menge die gegen sie gerichtete Waffe wider ihre
Peiniger kehrt? Dies war das Schicksal, welches die Generale
Element Thomas und Lecomte in Montmartre ereilte. Während
die Regierung über den Rückzug nach Versailles beratschlagte, wurde
Thomas, der bis zum 16. Februar Oberkommandant der National-
er-
Erschießung von Milliöre.
garde war und als solcher sich nur durch beleidigende Ausfälle auf
dieselbe, die er ganz so eanaills behandelte, bemerkbar gemacht
hatte, überdies aber wegen seiner Nolle als Junischlächter stark
verhaßt war, bei Besichtigung eines Barrikadenbaues aufgegriffen
und nach dem Hause in der Rue des Rösters gebracht, wo am
Morgen der Wachtposten überfallen worden war und sich bereits
General Lecomte befand. Wenige Minuten darauf waren Beide
erschossen und zwar von ihren eigenen Soldaten.
Am Abend war das Stadthaus in den Händen des Volkes
und die Regierung auf der Flucht nach Versailles.
IV.
Eine kurze Darstellung der Thätigkeit der Kommune entnehmen
wir der „Neuen Zeit" („lieber den Bürgerkrieg in Frankreich" von
Friedrich Engels).
Nach dem Fehlschlagen, des Versuchs, Paris zu entwaffnen,
war der Krieg zwischen
Paris und der in Ver-
sailles sitzenden fran-
zösischen Regierung er-
klärt.
„Am 26. März
wurde die Pariser
Komniune erwählt und
am 28. proklamirt.
Das Zentralkomite der
Nationalgarde, das
bisher die Regierung
geführt, dankte in ihre
Hände ab, nachdem es
noch zuvor die Ab-
schaffung der skanda-
lösen Pariser „Sitten-
polizei" dekretirt hatte.
„Am 30. schaffte
die Kommune die Kon-
skription und die ste-
hende Armee ab, und
erklärte die National-
garde , zu der alle
waffenfähigen Bürger
gehören sollten, für
die einzige bewaffnete
Macht; sie erließ alle
Wohnungs - Mieths-
beträge vom Oktober
1870 bis zum April,
unter Anrechnung der
bereits bezahlten Be-
trüge auf künftige Miethszeit, und stellte alle Verkäufe von Pfän-
dern im städtischen Leihhaus ein. Am selben Tage wurden die
in die Kommune gewühlten Ausländer in ihrem Amt bestätigt, da
„die Fahne der Kommune die der Weltrepublik ist."
„Am 1. April wurde beschlossen, das höchste Gehalt eines
bei der Kommune Angestellten, also auch ihre Mitglieder selbst,
dürfe 6000 Franken (4800 Mark) nicht übersteigen. Am folgenden
Tage wurde die Trennung der Kirche vom Staat und die Ab-
schaffung aller staatlichen Zahlungen für religiöse Zwecke, sowie die
Umwandlung aller geistlichen Güter in Nationaleigenthum dekretirt;
in Folge davon wurde am 8. April die Verbannung aller religiösen
Symbole, Bilder, Dogmen, Gebete, kurz „alles dessen, was in
den Bereich des Gewissens jedes Einzelnen gehört," aus den Schulen
befohlen und allmälig dnrchgeführt.
„Am 5. wurde, gegenüber der täglich erneuerten Erschießung
von gefangenen Kommunekämpfern durch die Versailler Truppen,
ein Dekret wegen Verhaftung von Geiseln erlassen, aber nie durch-
geführt.
„Am 6. wurde die Guillotine durch das 137. Bataillon der
Nationalgarde herausgeholt und unter lautem Volksjubel öffentlich
verbrannt. — Am 12. beschoß die Kommune, die nach dem Krieg
befanden, alle Höhen besetzt und so das Volk bis zur vollständigen
Entwaffnung von den eigenen Kanonen der Nationalgarde in Schach
gehalten werden. Gendarmen hatten den Vortrab zu bilden und
nach einer Ordre Vinoy's jeden Posten, welcher Widerstand leisten
würde, „ans der Stelle niederzumachen."
Der Uebersall aus Montmartre, von General Lecomte geleitet,
erfolgte gegen 3 Uhr Morgens. Der vor dem Artilleriepark Wache
stehende Gardist Turpin kreuzt sein Bajonett, die Gendarmen legen
an und blutüberströmt stürzt er Zu Boden. Ein weniger mörderischer
Angriff wird aus den in der Rne des Rösters befindlichen Wacht-
posten ausgeführt und zwei Stunden später scheint es, als sei der
Uebersall überall gelungen. Dian wartet nur noch auf Bespannung,
um die Geschütze fortzuschaffen. Mittlerweile läßt aber die National-
garde Rappel schlagen, es bilden sich einzelne Gruppen, denen sich
bald Frauen und Kinder zugesellen, die Rufe: „Es lebe die Republik!"
dringen immer näher. Schon sind einzelne Soldaten wankend
geworden. Wüthend
läßt Lecomte sie ab-
führen. Die Menge
ruft: „Hoch die Linien-
truppe!" Da läßt er
Gewehr anlegen; doch
ehe noch das Kom-
mando: „Feuer!" er-
schallt, stürzen sich die
Frauen, die Soldaten
als ihre Brüder an-
rnfend, die nicht auf
ihre Geschwister schie-
ßen werden, den Ge-
wehrläufen entgegen.
Dreimal erfolgt das
Kommando: „Feuer!"
Doch dreimal ver-
gebens; vergebens auch
die Drohung, seinen
Leuten den Schädel
zu spalten. Sie lassen
ihre Gewehre sinken,
„Hoch die Republik!
Hoch die Linientruppe!"
tönt es durcheinander
— und General Le-
comte ist Gefangener
der Nationalgarde.
Wie in Mont-
martre war der Ueber-
fall überall mißlungen.
Die Regierung versucht
es mit dem rothen Gespenst. Sie läßt Proklamationen anheften,
in welchen die guten Bürger aufgefordert werden, sich von den
schlechten zu trennen und gemeinsam mit der Regierung „ihren Herd,
ihre Familie, ihr Eigenthum zu schützen" und spricht von einem
„Jnsurrektionskomite," das nur kommunistische Lehren vertritt und
Paris der Plünderung preisgeben will. Doch errangen diese Pro-
klamationen keinen anderen Erfolg, als belacht oder herabgerissen
zu werden. Thiers schlägt nun vor, sich mit sämmtlicheu Truppen
nach Versailles zurückzuziehen, um sie dort für den Bürgerkrieg
zu stählen. Thiers berief sich den Ministern gegenüber aus das
Beispiel, das der Fürst Windischgrätz in den Jahren 1848 und
1849 gegeben hatte und dem man nacheifern müsse.
Wenn von den Spitzen der Gesellschaft der Geist eines
Windischgrätz angerufen wird, wer kann sich daun wundern, wenn
unten im Volke angesichts der Leiche Turpins die Erinnerung an
die Junitage aufsteigt und eine noch von der Szene am Morgen
wild aufgeregte Menge die gegen sie gerichtete Waffe wider ihre
Peiniger kehrt? Dies war das Schicksal, welches die Generale
Element Thomas und Lecomte in Montmartre ereilte. Während
die Regierung über den Rückzug nach Versailles beratschlagte, wurde
Thomas, der bis zum 16. Februar Oberkommandant der National-
er-
Erschießung von Milliöre.
garde war und als solcher sich nur durch beleidigende Ausfälle auf
dieselbe, die er ganz so eanaills behandelte, bemerkbar gemacht
hatte, überdies aber wegen seiner Nolle als Junischlächter stark
verhaßt war, bei Besichtigung eines Barrikadenbaues aufgegriffen
und nach dem Hause in der Rue des Rösters gebracht, wo am
Morgen der Wachtposten überfallen worden war und sich bereits
General Lecomte befand. Wenige Minuten darauf waren Beide
erschossen und zwar von ihren eigenen Soldaten.
Am Abend war das Stadthaus in den Händen des Volkes
und die Regierung auf der Flucht nach Versailles.
IV.
Eine kurze Darstellung der Thätigkeit der Kommune entnehmen
wir der „Neuen Zeit" („lieber den Bürgerkrieg in Frankreich" von
Friedrich Engels).
Nach dem Fehlschlagen, des Versuchs, Paris zu entwaffnen,
war der Krieg zwischen
Paris und der in Ver-
sailles sitzenden fran-
zösischen Regierung er-
klärt.
„Am 26. März
wurde die Pariser
Komniune erwählt und
am 28. proklamirt.
Das Zentralkomite der
Nationalgarde, das
bisher die Regierung
geführt, dankte in ihre
Hände ab, nachdem es
noch zuvor die Ab-
schaffung der skanda-
lösen Pariser „Sitten-
polizei" dekretirt hatte.
„Am 30. schaffte
die Kommune die Kon-
skription und die ste-
hende Armee ab, und
erklärte die National-
garde , zu der alle
waffenfähigen Bürger
gehören sollten, für
die einzige bewaffnete
Macht; sie erließ alle
Wohnungs - Mieths-
beträge vom Oktober
1870 bis zum April,
unter Anrechnung der
bereits bezahlten Be-
trüge auf künftige Miethszeit, und stellte alle Verkäufe von Pfän-
dern im städtischen Leihhaus ein. Am selben Tage wurden die
in die Kommune gewühlten Ausländer in ihrem Amt bestätigt, da
„die Fahne der Kommune die der Weltrepublik ist."
„Am 1. April wurde beschlossen, das höchste Gehalt eines
bei der Kommune Angestellten, also auch ihre Mitglieder selbst,
dürfe 6000 Franken (4800 Mark) nicht übersteigen. Am folgenden
Tage wurde die Trennung der Kirche vom Staat und die Ab-
schaffung aller staatlichen Zahlungen für religiöse Zwecke, sowie die
Umwandlung aller geistlichen Güter in Nationaleigenthum dekretirt;
in Folge davon wurde am 8. April die Verbannung aller religiösen
Symbole, Bilder, Dogmen, Gebete, kurz „alles dessen, was in
den Bereich des Gewissens jedes Einzelnen gehört," aus den Schulen
befohlen und allmälig dnrchgeführt.
„Am 5. wurde, gegenüber der täglich erneuerten Erschießung
von gefangenen Kommunekämpfern durch die Versailler Truppen,
ein Dekret wegen Verhaftung von Geiseln erlassen, aber nie durch-
geführt.
„Am 6. wurde die Guillotine durch das 137. Bataillon der
Nationalgarde herausgeholt und unter lautem Volksjubel öffentlich
verbrannt. — Am 12. beschoß die Kommune, die nach dem Krieg