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nur jener Verwilderung entspringen können, welche die natnrnoth-
wendige Folge der sozialistischen Lehren ist. In Wirklichkeit hat
die Kommune während ihrer ganzen, leider so kurzen Lebenszeit
eine Mäßigung und Toleranz bewiesen, die selbst bürgerliche Schrift-
steller unumwunden anerkannt haben.
Was haben dagegen die Herrschenden gethan? Seit Anbeginn
des Kampfes haben sie die Gefangenen wie wilde Bestien miß-
handelt und gemordet. Nach der Einnahme von Paris stieg ihre
Blutgier von Tag zu Tag und kannte schließlich keine Grenzen
mehr. Ein Massengemetzel der Gefangenen, Verdächtigen und
Mißliebigen wurde von den Siegern in Szene gesetzt, das selbst
das Blutbad unter den Junikämpfern noch hinter sich ließ, das
seines Gleichen kaum findet in der Bartholomäusnacht oder in den
Schlächtereien, welche die blutlechzenden Diktatoren der absterbenden
römischen Republik unter ihren Gegnern anrichteten — Schlächtereien,
bei deren Erwähnung jedem Gebildeten die Haut schaudert.
Bis zum 28. Mai dauerte der heldenhafte Widerstand der
letzten Kommunekämpfer.
Es überstiege den uns zur Verfügung stehenden Raum, eine
auch nur einigermaßen vollständige Aufzählung der tapfern Offiziere
zu geben, die sich in diesem Kampfe ausgezeichnet, deren Namen
in dem Herzen aller Proletarier fortleben — ganz zu schweigen
von der großen namenlosen Menge, die sich begeistert für ihre Ideen
opferte, ohne die geringste Aussicht selbst nur auf den schattenhaften
Gewinn des Nachruhms. Nur Eines unter Tausenden sei hier
gedacht: Delescluze, der Kriegsminister der Kommune. Als
jede Aussicht auf Sieg verschwunden war, am Abend des 25. Mai,
ging der greise Delescluze, der jede Flucht verschmähte, dem Tode
entgegen gleich einem jener alten Römer, von denen uns die Sagen
melden. Er stürzte sich nicht verzweifelnd in das dichteste Kampfes-
gewühl, sondern ging unbewaffnet, in seiner gewöhnlichen Kleidung,
angethan mit seiner rothen Schärpe, dem Feind entgegen. Bald
stoben die ihn begleitenden Nationalgarden vor dem Kugelregen
auseinander, der sie empfing. Delescluze setzte seinen Weg allein
fort. „Die Sonne ging unter. Der alte Geächtete schritt, ohne
sich umzusehen, ob ihm Jemand folge, gleichmäßig weiter. Er war
Transport der Gefangenen nach Versailles.
das einzige lebende Wesen ans der Chaussee. Als er an der Barrikade
augekounnen war, wendete er sich nach links und erstieg die Pflaster-
steine. Zum letzten Male erblickten wir dies ernste, vom weißen
Barte umrahmte Gesicht, das dem Tode zugewandt war. Plötzlich
verschwand Delescluze. Er war wie vom Blitz getroffen auf dem
Platz von Chateau d'Eau gefallen . .. Die Versailler haben seine
Leiche bei Seite geschafft, aber sein Gedüchtniß wird im Herzen
des Volkes bestattet bleiben, so lange Frankreich das Mutterland
der Revolution sein wird. Er lebte nur für die Gerechtigkeit. Er
bekannte sie dreißig Jahre lang im Exil, in den Gefängnissen,
unter allen Beschimpfungen, die ihm Zugefügt wurden, die Verfol-
gungen mißachtend, die seinen Körper brachen. Als Jakobiner fiel er
an der Seite von Männern aus dem Volk, um sie zu vertheidigen.
Sein Lohn war, daß er, als seine Stunde geschlagen hatte, mit
freien Händen im hellen Sonnenschein für sie sterben durste, ohne
durch den Anblick des Henkers beleidigt zu werden." (Lissagaray.)
Die letzte Barrikade war die in der Rue Ramponneau, die
eine Viertelstunde lang von einem einzigen Föderirten verthei-
digt wurde. Dem Tapferen gelang es zu entkommen.
nur jener Verwilderung entspringen können, welche die natnrnoth-
wendige Folge der sozialistischen Lehren ist. In Wirklichkeit hat
die Kommune während ihrer ganzen, leider so kurzen Lebenszeit
eine Mäßigung und Toleranz bewiesen, die selbst bürgerliche Schrift-
steller unumwunden anerkannt haben.
Was haben dagegen die Herrschenden gethan? Seit Anbeginn
des Kampfes haben sie die Gefangenen wie wilde Bestien miß-
handelt und gemordet. Nach der Einnahme von Paris stieg ihre
Blutgier von Tag zu Tag und kannte schließlich keine Grenzen
mehr. Ein Massengemetzel der Gefangenen, Verdächtigen und
Mißliebigen wurde von den Siegern in Szene gesetzt, das selbst
das Blutbad unter den Junikämpfern noch hinter sich ließ, das
seines Gleichen kaum findet in der Bartholomäusnacht oder in den
Schlächtereien, welche die blutlechzenden Diktatoren der absterbenden
römischen Republik unter ihren Gegnern anrichteten — Schlächtereien,
bei deren Erwähnung jedem Gebildeten die Haut schaudert.
Bis zum 28. Mai dauerte der heldenhafte Widerstand der
letzten Kommunekämpfer.
Es überstiege den uns zur Verfügung stehenden Raum, eine
auch nur einigermaßen vollständige Aufzählung der tapfern Offiziere
zu geben, die sich in diesem Kampfe ausgezeichnet, deren Namen
in dem Herzen aller Proletarier fortleben — ganz zu schweigen
von der großen namenlosen Menge, die sich begeistert für ihre Ideen
opferte, ohne die geringste Aussicht selbst nur auf den schattenhaften
Gewinn des Nachruhms. Nur Eines unter Tausenden sei hier
gedacht: Delescluze, der Kriegsminister der Kommune. Als
jede Aussicht auf Sieg verschwunden war, am Abend des 25. Mai,
ging der greise Delescluze, der jede Flucht verschmähte, dem Tode
entgegen gleich einem jener alten Römer, von denen uns die Sagen
melden. Er stürzte sich nicht verzweifelnd in das dichteste Kampfes-
gewühl, sondern ging unbewaffnet, in seiner gewöhnlichen Kleidung,
angethan mit seiner rothen Schärpe, dem Feind entgegen. Bald
stoben die ihn begleitenden Nationalgarden vor dem Kugelregen
auseinander, der sie empfing. Delescluze setzte seinen Weg allein
fort. „Die Sonne ging unter. Der alte Geächtete schritt, ohne
sich umzusehen, ob ihm Jemand folge, gleichmäßig weiter. Er war
Transport der Gefangenen nach Versailles.
das einzige lebende Wesen ans der Chaussee. Als er an der Barrikade
augekounnen war, wendete er sich nach links und erstieg die Pflaster-
steine. Zum letzten Male erblickten wir dies ernste, vom weißen
Barte umrahmte Gesicht, das dem Tode zugewandt war. Plötzlich
verschwand Delescluze. Er war wie vom Blitz getroffen auf dem
Platz von Chateau d'Eau gefallen . .. Die Versailler haben seine
Leiche bei Seite geschafft, aber sein Gedüchtniß wird im Herzen
des Volkes bestattet bleiben, so lange Frankreich das Mutterland
der Revolution sein wird. Er lebte nur für die Gerechtigkeit. Er
bekannte sie dreißig Jahre lang im Exil, in den Gefängnissen,
unter allen Beschimpfungen, die ihm Zugefügt wurden, die Verfol-
gungen mißachtend, die seinen Körper brachen. Als Jakobiner fiel er
an der Seite von Männern aus dem Volk, um sie zu vertheidigen.
Sein Lohn war, daß er, als seine Stunde geschlagen hatte, mit
freien Händen im hellen Sonnenschein für sie sterben durste, ohne
durch den Anblick des Henkers beleidigt zu werden." (Lissagaray.)
Die letzte Barrikade war die in der Rue Ramponneau, die
eine Viertelstunde lang von einem einzigen Föderirten verthei-
digt wurde. Dem Tapferen gelang es zu entkommen.