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VtKmarck tut KetchKtage.

Reichstag, genieße die Ferienzeit!

In Frieden dein Leben noch friste.
Bald kommt ja der Herbst, da Verderben speit
Die „alte Raketenkiste"!

Die prasselnde Riste, der „große Mann" —
R)ir Habens mit Alaunen vernommen —

Der stets sonst den Feind greift von hinten an,
Lr will in den Reichstag kommen!

Nicht „halboffiziös" nur vernimmt unser Vhr
Von Hamburg her, was er gesprochen,

Lr kommt unter'm Redaktionstisch hervor,
Wohin er sich tapfer verkrochen.

Lr kommt als Rönig der Rönige Ztumm,
Agamemnon von Geldsacks Gnaden,

Lr will auf Regierung und Publikum
Leinen grollenden Zorn entladen.

Der immer auf Schlachtfeldern hinter der Front
Den sicheren Platz mußt' zu schätzen.

Der Deutschland allein nur regieren gekonnt
Mit Hilfe von Ausnahmsgesetzen,

Der immer nur And're ins Feuer gehetzt.
Leibst sicher vor Blei und Lisen,

Zum ersten Mal will er den Deutschen jetzt
Persönlichen Muth beweisen.

Run wohl denn, es wird die Gelegenheit
Ihm dazu im Reichstag nicht fehlen,

Lr kann uns aus seiner Regierungszeit
Manch lustiges Ltücklein erzählen:
warum er so sehr den Agrariern hold.

Und stets ihnen füllte die Taschen?

Und wer sich die Hände im welfengold
Am häufigsten wohl hat gewaschen?

Lr kann uns erzählen, wie weise und gut
Den Frieden Luropas er schützte;

Wie schlau er das Nittel von Lisen und Blut
Zur Wohlfahrt der Völker benützte;
wie einst er Italien zum „Ltoß ins Herz"
Getrieben in Oesterreichs Flanken,

Und wie wir ihm Alle den blutigen Lcherz
Nit der Lmfer Depesche verdanken.

Ja, Bismarck, das ist jetzt ein tapferer Mann,
Leit ihm ein Mandat ward zu eigen;
wie Lulla, der römische Blut-Tyrann,
will kühn er dem Volke sich zeigen.

Und wenn von ihm Rechenschaft Jemand verlangt,
will Antwort und Rede er stehen —

Doch wartet—werweiß, ob nicht dennoch ihm bangt.
Ob je wir im Reichstag ihn sehen! m.k.

Berlin, Anfang Juni.

Lieber Jacob!

Nu kommen wir so allmählich rin in de Saurejurkenzeit. Ratierlich is
det vor eenen Politiker, wie ick, 'ne beese Periode, un et duht mir denn
immer jewissermaßen weh, det ick mir denn so um jarnischt bekimmern soll.
Aber Spaß macht et mir doch, indem ick mir denn ooch so een bisken in
andere Sachen rinmenjeliren kann, die sonst weitab von meinen politischen
Horizont liefen duhn. Oogenblicklich liegt ja de Welt noch beese in'n Arsen,
weil Keener so recht Bescheed weeß, wie det eijentlich jekommen is, det der
russische Thronfoljer hinten in Japan, wo de Japanesen frei in de Natur
rumloofen, mit seinen Kopp uff eenen Polizeisäbel jesallen is, det er 'ne
orndtliche Briesche wegjekriegt hat. Ick interessire mir nu mächtig vor fremde
Völkerschaften, indem ick nie weiter von Berlin wegjehe, als wie ick den
Rathhausthurm sehen kann, weil ick immer Manschetten habe, et kennte uns
Eener Forckenbecken stehlen, un mir wären denn wie eene Herde Schafe, die
man den Leithammel wegjenommen hat.

Also Spaß bei Seite. Aus die Attentatsjeschichte seht mit unzweifelhafte
Sicherheit ooch for den, der nich mit so'n mächtijen politischen Scharfblick
uff de Welt jekommen is, wie ick, hervor, det in Japan ooch de Schutzleite
det Schwert der Jerechtigkeit an ihre linke Seite sichren. Ick jloobe, det is
eene der Haupterrungenschaften der eiropeeschen Kultur, die se nach Japan
von hier aus hinverpflanzt haben. Et werden nämlich hier von Spreeathen
aus immer 'ne Masse Polizeibeamten nach Japan hinkommandirt, die unser
vieljeliebtet Sistem ooch bei die schlitzöjijen Brieder infiehren sollen. Ratierlich

liegt et nu janz alleen an die Dämlichkeit von die Japanesen, die sich zu
den Polizeidienst melden, det se ieberall mit ihre Säbels rumfuchteln, un
wenn se denn bei die Jelejenheit mal an 'ne Unrechte Reese jerathen, denn
is natierlich jleich der Deibel los, un det Ende von't Lied kann leicht een
russisch-japanesischer Krieg sind. Heilster Brimborius, det wäre Wasser uff
meine Mille, lieber Jacob, denn wirde ick jleich als Kriegskorrespondent von
unser Blatt nach Japan abdampsen un Wirde Berichte an Dir abschicken,
un denn solltest De mal sehen, Wat ick vor een feiner Strateje bin. Aber
natierlich kommt det nich so weit un det duhn se blos aus Niederträchtigkeit
jejen mir, weil se nich wollen, det ick da hinkomme un se orndtlich in de
Karten kieke. So ängstlich brauchten se nu ooch jrade nich zu sind, weil ick,
wenn ick mal Eenen in de Karten jekuckt habe, ick denn immer so anständig
bin, det ick wieder rauskieke. Bei't Schafkoppspielen mach ick et wenigstens
ooch so. Doch bis wir nu so ieber die janze Attentatsjeschichte so richtig
in't Klare jekommen sind, wird woll den Thronfoljer sein Loch in'n Kopp
schon längst Widder zujeheilt sind, un denn kräht nach die janze Jeschichte
keene Katze mehr.

Ra, wer weeß, wie det noch Allens kommt, aber Hab' keene Bange,
lieber Jacob, ick bin da un passe uff, un et soll uns Beede so leichte Keener
an'n Wagen fahren. Da kannste Jift druff nehmen. Et is blos een wahret
Jlick, det mir nu vorleifig mit die Feierdage durch sind, un die eenzije Sorje,
die in die Beziehung iebrig bleibt, is die, det se nu den Bußdag uff eenen
Dag vor det janze deitsche Vaterland verlejen wollen. Da kennen se mir
nu mit jestohlen bleiben. Ick habe nämlich vor mir alleene jrade Bußdage

1871—1891.

(äÄirt Jahre Einundsiebzig war's. Die Krieger,
V« Die Frankreichs Erde mit der Adern Blut
Im Uebermaß getränkt, sie zogen heim
An ihren Herd, am Helme frisches Laub.

Doch nicht mit Blumen nur empfing man sie —
In aller Stille fanden vorbereitet
Im Vaterland sie — eine Hungersnot!)

Und einen Brotpreis, wie er nie erlebt.

Des Winters Strenge, schlecht bestellte Felder,

Da jeder kräft'ge Arm die Waffe führte,

Vereinten sich, um eine knappe Ernte

Wenn nicht gewiß, wahrscheinlich doch zu machen.

In solcher Lage traten still zusammen

Die Kornbarone, die in Brandenburg

Und Pommern sitzen — lauter edle Namen —

Um einen Ring, ein Syndikat zu bilden.

Das Korn ward aufgekauft, das in Berlin,

Das in Stettin in Fülle war vorhanden;

In Passow aber ward es aufgespeichert,

Mit dem, was selber man auf seinen Fluren
Geerntet hatte; alles Korn beinahe
Besaß das schlaue adlige Kartell
Und trieb die Preise damit in die Höhe.

Was aus dem Markt erschien, ward aufgekauft
Aus des Verbandes wohlgefüllter Kasse
Und zu gelingen schien das Raubprojekt.

Da brach das Eis — die Gegner des Kartells
Vereinten sich, aus Rußlands Häsen schleppten
Sie unermüdlich Roggen nach Berlin

Und nach Stettin, bis es an Räumen fehlte
Der Contremine, all' das Korn zu bergen.

So kam's, zu übermächtig ward der Schwall
All' des Getreides ■— des Verbandes Kasse
Erlag dem Ansturm und der Ring zersprang
Und große Summen gingen so verloren
Dem armen Adel Pommerns und der Mark
Zur Strafe für sein schmähliches Komplott.

An diesem ersten, niedlichen Kartell
War mancher dunkle Ehrenmann betheiligt,

Der hohe Ehrenposten inne hatte —
Inter-konfessionell war stets der Wucher.

So Einundsiebzig. Zwanzig Jahre später
Bedroht ein neues saubres Syndikat
Das deutsche Volk mit solchen Hungerpreisen.
Sie haben das Getreide eingesperrt
Und suchen das, was kläglich einst mißlang,

Ins Werk zu setzen. Alle Wintersaat
Soll uns erfroren sein — in allen Ländern
Droht ihrer Lüge nach die Hungersnoth.

Ein Raubzug ists — und jedes Bürgers Tasche
Bezahlt die Kosten, wenn der Plan gelingt.

Ob er gelingt, ist diesmal schwer zu sagen,
Denn liegt genug des goldnen Kornes auch
In fremden Häfen, diese Wucherklique
Drin zu ersticken — es herbeizuschleppen
Verwehrt uns leider unser hoher Zoll.

Es wäre leicht, das Netz, in dem wir zappeln,
Mit einem Rucke siegreich zu zerreißen;

Wir brauchten nur, und wär's vorübergehend,
Auf unfern Zoll, der eine Mauer zieht

Um unsre Grenzen, einfach zu verzichten,

Und daß wir es nicht lange schon gethan,

Rächt sich nun bitter. Aber wird's gcschehn?
Um seinen Muth ist Jeder zu beneiden,
Der stark und gläubig noch zu hoffen wagt.

Ein Wilder.

Max: Was sind denn das für Menschen —
Wilde?

Moritz: Das sind Geschöpfe, welche sich an
Kultur und Rücksichten auf ihre Mitmenschen nicht
kehren, sondern lediglich ihren egoistischen In-
stinkten folgen.

Max: Aha — darum heißt es, Bismarck
werde sich im Reichstag den Wilden anschließen.

May-Lied.

Im wunderschönen Monat Mai,

Als alle Knospen sprangen,

Da wurde der Gegner des Zonentarifs,
Der alte Maybach „gegangen."

In Bayern,

wo in Folge der Holzzölle die Wälder bereits
gräulich ruinirt sind, wird jetzt das bekannte Lied
„Wer hat dich, du schöner Wald" in folgender Ab-
änderung gesungen:

Wer hat dich, du schöner Wald,

Abgeholzt so hoch da droben.

Nicht kann ich den Holzzoll loben.

Keinen Baum erblickt man bald.

Lebe wohl, du schöner Wald.
 
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