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s ist ein träumerisches Schweigen
Gebreitet über Berg und Thal;

Die fruchtgefüllten Behren neigen
Sich matt im heißen Sonnenstrahl.

Ls ruht der Zinke mit Behagen
Im Blätterdache, kühl und traut —

Und nur des armen Mannes Magen
Knurrt noch zuweilen mahnend laut.

Gesichert ist Europas Frieden!

Rein Bismarck und kein Boulanger
Kann kriegerische Bänke schmieden,

Der Dreibund schützt vor Kampf und Weh.
Die Völker brauchen nicht zu bluten —
Doch horch! welch kriegerischer Klang —
Das ist in heißen Sounengluthen
Lin llebungsmarsch! ein Todesgang!

Selbst in der Industrie Bereiche
Herrscht jetzt ein sriedensvoller Geist,
Blieb auch der Hungerlohn der gleiche —
Beendet sind die Streiks zumeist.

Lo rühmt man mit beredtem Munde
Des Kapitales Kraft und Macht —

Bur dann und wann ertönt die Kunde,
Daß eine Firma ist verkracht.

Auch die Justiz soll ruhig schlafen —

Der Baare wünscht es, hoffend still.
Fusangel büßt vorerst die Strafen,

Der völlig ihn verderben will.

Das Weitere, es darf nicht eilen.

Bald sind die Blicke abgelenkt —

Doch ach! ein Bahn-Unglück zuweilen
Zu neuem Lifer furchtbar drängt!

Ls ruhen Kardorff und Genossen,

Und kein Minister wird gestürzt;

Die Grenzen bleiben ja geschlossen.

Die Zölle bleiben unverkürzt.

Drum mit dem Kanzler sie versöhnen.

Und mit der „neuen Aera" sich —

Bur daß des Volks Proteste tönen
Lo kräftig — das ist ärgerlich.

So stört den schönsten Zommerfrieden
Doch ein Lreigniß ab und zu,

Ls ist dem Bravsten nicht beschießen
Die unverkürzte süße Ruh'.

Rur was uns neu lebendig machen
Die Zünftler wollen, thatbereit.

Das schläft, um nimmer zu erwachen.

Im Lchooße der Vergangenheit. m. k.

Berlin, so Mitte Juli.

Lieber Jacob!

Nu sind wir hier so ziemlich alleene. Alles, wat so'n Bisken Wat is,
hat sich uff de Strimpe jemacht un macht nu in de Bäder den dicken Willem.
Na — Alles wat Recht is kann ick nich leiden — aber die Leite haben
et ooch wirklich neethig. Du mein Jott, wat muß sich so'n Bourgeois det
janze Jahr ieber quälen, bis seine Leite det Jeld verdient haben, wat er zu
seine Erholung neethig hat. Det Couponabschneiden, det Abracksen, det
Andreiben zu de Arbeet, det uffrejende Sitzen in de echten Bierkneipen un
in de Weinstuben: meenste vielleicht, det det den Menschen nich uff den Hund
bringt? Ick kenne verschiedene Leite, die de Hände ieber'n Kopp znsammen-
schlagen, wenn se mal aus Versehen uff sonne neimodsche automatische Waage
treten. Denn mechten se nämlich jleich aus de Jacke jehen, wenn se merken,
det se schon Widder mal so'n Sticker zwanzig Fund zujenommen haben, na,
un denn jiebt et keene Rettung mehr, denn man rin in't Bad, damit man
ja Widder Platz in ihren Innern wird.

Aber wat nutzt det Reden. Die Jesellschaft freit sich blos, wenn wir
uns ärjern, na, Jacob, un wir zwee Beede werden doch die Brieder den
Jefallen nich duhn? So blau, wenigstens uff mir kennen se lange warten.
Ick schmettere in'n Sommer so jut Eenen wie in'n Winter, denn meine
Jroßmutter hat mir immer jesagt, det det, was for de Hitze jut is, ooch
jejen de Kälte nich schaden duht un umjekehrt.

Am besten is et vor uns Beede, wenn wir uns weiter nich uffrejen

un unfern Blick Widder uff de hohe Politik richten, vor die ick wenigstens
wie jeschaffen bin. — Det Friehjahr un der Sommer, die sind ja nu jlick-
licher Weise ohne den jroßen eiropeeschen Krieg vorieberjejangen, uff den de
Welt nu schon so lange lauert. Ick vor mein Theil jieße wahrhaftig keen
Oel in't Feier, ick bin froh, wenn et keene blutijen Keppe jiebt, un nach
alle Anzeichen, die mir zu Ohren kommen, werden wir woll ooch noch een
Weileken Frieden behalten, det heeßt, wenn wir et vor Hunger aushalten.

Nämlich de Landwehrleite, die ja nu jetzt woll so ziemlich Alle von
ihre Dienste vor't Vaterland zurück sind, die erzählen wirklich de feinsten
Jeschichten von die neien Jewehre. Doogen sollen se ja nich ville, un dooter
wie doot kann man ieberhaupt nich jeschossen werden, det is ja man blos
meine Rede. Aber in de Zeitungen steht ja nu ooch schon, det se woll bald
Widder mit den Plan umjehen werden missen, een neiet Jewehr inzufiehren,
na, un in solchen Fall missen wir doch schon Frieden behalten, indem de
Linie un de Landwehr un der Landsturm un de iebrijen Reichskrippel doch nich
mit een veraltetet Schießeisen den Erbfeind de Knochen in'n Leibe kaput schießen
kennen — also bin ick in die Beziehung jänzlich un absolutemang beruhigt.

Dajejen tobt der innere Feind schon Widder an de Mauern — um mit
meinen Freind Schillern zu reden, un damit De nich janz un jar an meine
klassische Bildung, die ick mir miehsam uff det Pantinenjhmnasium anjeeignet
habe, verzweifelst. Aber versteh' mir nich miß — ick meene nämlich, det
Puttkamer nu Widder Oberpräsident jeworden is. Na, de Jhring's un de
Naporra's un die andern Lieblinge mit det leere Knopploch lief ja det Wasser

Karl Möhrbradens Uuftballonfahrt.

n Hamburg, der alten Reichs-und Hanse-
stadt, hat seit geraumer Zeit das baierische
Bier gleichfalls seinen Siegeseinzug ge-
halten. In neuerer Zeit gar werden dem
alten Gambrinus Tempel in Gestalt großer
eleganter Bierhallen erbaut, wo ein heller oder brauner Trank von zuweilen
recht zweifelhafter Güte in kleinen Seideln mit zolldickem Boden für fünfzehn
Pfennig verzapft wird.

Ein großer Theil der sich noch etwas behäbig fühlenden Hamburger in
vorgerückten Jahren kann sich mit dem Trank aus Hopfen und Malz oder
deren Surrogaten nicht befreunden. Wie zu Lessing's Zeiten huldigen sie noch
immer fröhlich dem Gotte Bacchus und trinken in düstern, engen, mit altem
Tisch- und Sitzgeräth ausgestatteten, in Kellern gelegenen Weinstuben ihr
Gläschen Rothwein oder Grog.

Der urwüchsige Hamburger Humor ist daher nur noch hier zu finden.
Der Geist der Rebe macht die Herzen der Menschen dem Frohsinn geneigt.
So freuen sich die Hamburger Spießer ihres gemüthlichen, phäakenhaften
Daseins, wenngleich in der Neuzeit der Zwangsanschluß Hamburgs an den
Zoll ihnen einen WermuthStroPfen in den „Rothspohn" mischte.

Folge mir nun, lieber Leser, und versetze Dich im Geiste mit mir in
eine dieser unterirdischen, vom Zwielichte des Tages erhellte Weinstube. Die
Mittagsgäste, etwa ein Dutzend an der Zahl, sind schon vollständig ver-
sammelt. Da öffnet sich die Thür und ein kleines kugelrundes Männchen
schiebt sich herein, die Anwesenden mit dem Worte „Mahlzeit" begrüßend,
welcher Gruß ihm von allen Seiten zurückgegeben wird.

„Nu, Möhrbraden, wat fehlt Dir denn allwedder? Du humpelst ja!"
redet ihn der Weinschänker an, dem Neuangekommenen ein Glas Wein vor-
setzend.

„Jä," versetzt dieser, ein früherer Schlächtermeister, der so lange seinen
Kunden das Fett von den Rippen kratzte, bis er selber ein Ränzlein hatte
und ein kleiner Rentier wurde; „ja, datt is wedder die verdammte Klauen-
seuche."

„Aber, Herr Möhrbraden, wie kommen Sie denn zu Gicht oder
Rheumatismus?" fragt mitleidig einer der Anwesenden, dem das Hamburger
Idiom noch nicht sehr geläufig.

„Wie ich dazu kam? Das stammt noch immer her von meiner großen
Luftballonsahrt. Haben Sie denn davon noch nicht gehört?"

„Sie, als großer Sicherheitskommissär im Luftballon? Das müssen Sie
erzählen!"

„Ja, ja, Karl," stimmen die andern Gäste ein, obgleich sie die Geschichte
zum Theil schon mehrere Male gehört haben, „vertell uns mal dien Fohrt
mit den Luftballon!"

„Na, wenn ji wöölt, wenn Sie erlauben, meine Herren, dann höört
man too. Sehen Sie, früher verkehrten wir viel bei dem Weinhändler
Nikol, dem verstorbenen Oberst von unserm seligen Hamburger Bürgermilitär,
und da waren wir so eines Abends beisammen. Da kam das allgemeine
Gespräch auf den Amerikaner Coxwall, der jeden Tag mit seinem Luftballon
Stinks —"

„Sphinx, Sphinx," korrigirte ein alter Schulmeister.

„Nu ja, mit seinem Finks aufstieg. Nun hatte ich schon im Kopf einen
Kleinen sitzen und ich sage: Da steige ich auch mit auf. Da geev daat'n
grooten Halloh, das wollte keiner glauben, daß ich die Kurage hätte. Ich
hatte sie ja eigentlich auch nich, aber ich sagte doch: Es gilt ein Para!"

„Da meint mein Freund Daubenspeck, der nun auch schon tobt ist, gut,
ich halte mit und wette hundert Thaler, daß Du nicht mit machst."

„Ick nich mit?" schrei ich in meinem kleinen Dusel, „wenn ich morgen
nich im Luftballon aufsteige, dann bezahle ich ein feines Abendbrot für alle
 
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