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1070

W)u Trier der heil'ge Rock aushing
Und wirkte seine Wunder;
Freisräulein Droste-Vischering,

Die kam von Trier ganz munter;

Sie mußt' vorher an Arücken. gehn
Und plötzlich könnt' sie grade stehn.

Wohl an die fünfzig Jahre sind
Herum seit der Historie;

Roch steht bei Mann und Weib und Rind
Der Rock in voller Glorie
Und jeder Tag bringt manch ein Schock
Von pilgern zu dem heil'gen Rock.

^>. heilige Kock. -

Daß man ihn wieder ausgestellt.

Das müssen hoch wir preisen;

Lr wird auch dieser schlechten Welt
Zum Segen sich erweisen;

Ls zieht nach Trier, wer lahm und blind.
Daß bei dem Rock er Rettung find't.

Und auch ein müder Pilgersmann,

Gar bresthast und gar schwächlich.

Der rüste sich, sobald er kann.

Zur Fahrt nach Trier gemächlich;

Herr Deutschfreisinn, wie allbekannt.
Der arme Pilger ist genannt.

Lr kann nicht mehr gerade stehn.
Gekrümmt ist ihm der Rücken,

Rur wen'ge Schritte kann er gehn.
Gestützt auf seine Urücken;

Von Nitleid ist der Mensch erfüllt.
Schaut er ein solches Jammerbild.

Herr National und Liberal,

Sein Bruder, liegt am Sterben,

Die Bismarck-Suppe thät voll (Dual
Den Nagen ihm verderben;

Ach, wie er ächzt und stöhnt und weint,
Herr Freisinn auch zu sterben meint.

Viel Aerzte haben ihn traktirt
Nit höllischen Mixturen;

Lr hat gar schrecklich transspirirt;
Vergeblich all die Auren!

Umsonst die Bäder, die er nahm!
Lr blieb an beiden Beinen lahm.

Mein gutes Herz ist tief gerührt
Beim Anblick solcher Leiden;

Drum rath' dem Mann ich ungenirt.
Zur Fahrt sich zu bereiten;

Rein Doktor Runz und Doktor Bock
Hier hilft nur noch der heil'ge Rock.

Berlin, Anfang Aujust.

Lieber Jacob!

Nu heert et so langsam uff mit sachte regnen, nu wird et woll forscher
anfangen. Da kennte man wirklich jleich ans de Jacke sehen, wenn man
den janzen, langen, lieben, ausjeschlagenen Dag sowat mit ansehen muß.
Jetzt sind die Leite am Besten dran, die kaputtrije Stiebeln haben, da kann
det Wasser, wat vorne rinlooft, hinten jleich Widder abdrippen.

Wat soll man jroß ansangen in 'ne Zeit, wo et weiter nischt siebt
wie Dheierkeit un wo Alles, wat so'n paar Pimperlinge erjattern konnte,
sich uff de Strimpe jemacht hat un draußen, fern von den Majistrat, See-
luft schnappt und Jebirge erklettert. Ick bejreife eijentlich jarnich, wat de
Leite davon haben. Wo se hinkommen, fangen se an zu schimpen wie de
Rohrsperlinge un überall sagen se, det Berlin doch det scheenste Dorf is,
wat man in 'n Umkreis von zehn Meilen antreffen kann. Ick verstehe et
wirklich nich. Denn wenn ick so eenen von meine Freinde ansehe un be-
obachte, wie der so den Sommer mit Angeln zubringt un wie er alle Dage
von die stärkende Seeluft von den Wannsee dicker und fetter wird, denn
bejreife ick wirklich nich, warum de Leite so weit wegjehen. Aber Angeln
is keen kurzweilijet Verjniejen, namentlich wenn blos de Padden beißen.

Auf drn Bergen zu singen.

ie Eingeweide unsrer Erde —

Der dunkle, abgrundtiefe Kolk,

Wo nie der Sonne reines Gold
Warm und glänzend die Nacht verklärte,

Birgt ein geheimnißvolles Volk.

Die Stunde schlägt! — Zur Arbeit! In den Schacht!

Vor Deinen Füßen öffnet sich die Nacht —

Der Tag verschwindet! — Sehe ich ihn wieder?

Wer weiß! — Dein Herz, Mann, ist entschlossen,

Trägt Dich der Korb mit den Genossen
Ins schwarze Reich der Kohle nieder.

Hört Ihr die Wölbungen widerhallen
Und durch summendes Stimmengewirr,

Wagengerassel, Eisengeklirr,

Dumpfe Hammerschläge schallen?

Muth, Bergmann, schlag' zu! Ist Dein Arm nicht von Stahl —
Ist Deine Kraft nicht wie Riesen und Eichen?

Was bedeutet Dein Schweiß! — Der Fels muß weichen!

Schlage zu! schlage zu und lache der Qual!

O nein! Es ist nicht mehr zu tragen! —

Der Arm erlahmt, der Kopf wird hohl. . .

Wer hier lebt, muß dem Licht entsagen.

Fahr' wohl, o Sonnenschein, fahr' wohl! . . .

Der Frühling und sein neues Weben,

Das weite Feld, der Blumenflor,

Die frohe Ernte und der Vögel Chor —

Es waren Schatten, die entschweben.

Ein Echo klingt aus jener Zeit noch nach,

Und ruft die sanften Liebesworte wach:

Es war im Wald — sie gingen Hand in Hand . . .

O Glück, fahr' wohl, das echogleich entschwand!

Am besten is et immer noch, man angelt in 'ne Häringstonne rin, da
weeß man doch wenigstens janz sicher, det Fische drin sind un wenn de Pell-
kartoffeln nich schon längst zu den Delikatessen jeheerten, denn wäre sonne
Angelei immer noch det beste Jeschäft.

Aber wat ick sagen wollte, lieber Jacob, haste denn schon det Reiste
jeheert? Nee, aber ieber Dir aber ooch! De Siejesseile steht schief, un
det dicke Frauenzimmer, wat oben druff steht, seht aus, als ob se mal eenen

Hektoliter Kimmel zu ville jenippt hätte. Weeßte, Jacob, wie ick det Ding

Heerte, dachte ick doch jleich, ick krije eenen Klaps von de Windmille, so jing
mir die Sache in 'n Kopp rum. Det tugendhafteste Meechen von janz
Berlin, von die jeder Mensch wußte, det se keen Verhältniß hat, is in 'ne
schiefe Laje jekommen, un wat die richtijen Militärs sind, die denken doch
nu gleich, det der janze Militärklimbim in't Wackeln jerathen is. Det is
nu nich der Fall, denn mit de Mehrforderungen sind se ja jetzt ooch immer
noch nich schlecht bei de Hand. Vorleifig wollen se ja nu blos neie Lanzen
haben, aber der Appetit kommt bei 't Essen, denn mit de Lanzen fangen se

an un mit de Kanonen Heeren se uff. So is et von Alters her jewesen

un et wird woll ooch nich anders werden, bis de Pauke mal een Loch kriegt.
So sehr lange kann ja dat ieberhaupt ooch jarnich mehr dauern, denn weil

Schwerer wird plötzlich die Luft, sie versengt fast die Lungen,
Giftgeschwängerte Dämpfe dringen aus dem Gestein.

Hier und da lecken Feuerzungen —

Aus der Tiefe zuckt Flammenschein —

Rollender Donner erschüttert die Gründe....

Schlagendes Wetter!!!.

In zermalmendem Stoß
Oeffnet der Abgrund seinen Schooß —

Reißt in neugeborstene Schlünde
Seine zerschmetterten Opfer nieder,

Und auf ihre zuckenden Glieder

Thürmen sich die Riesentrümmer.

Hört Ihr, die Ihr jammernd lauscht, der Begrabenen Gewimmer?
Was der Tod hinwegnahm giebt nimmer dem Leben er wieder,
Unerbittlich vollzieht er sein furchtbares Werk.

Aber aus Leichen und Blut, aus Nacht und Verderben
Hebt sich die Hoffnung und spendet den Weinenden Trost. —
Bergmann, hebe mit Stolz Deine Stirn! Denn Dein Blut, Deine Leiden
Sind für ein neues Geschlecht unvergängliche Saat!

Dir gebührt Dank wenn die blühende Erde
Reicher sich ihren Kindern erschließt,

Daß von Dem, was auf ihr sprießt,

Ihnen gerechter Antheil werde.

Was sie dem Leben ohn' Erbarmen
Entriß — ein Blut- und Thränenzoll —

Es ist die Saat, woraus den Armen

Die Freiheit einst erblühen soll! I).

In Preußen wird der Gesang bald gänzlich abgeschafft sein, denn
böse Menschen haben keine Lieder, und den guten Menschen, die
noch Lieder haben, konfiszirt man die Liederbücher.

* *

*

Der europäische Frieden scheint jetzt wirklich gesichert zu sein, denn wozu
brauchte man wohl einen Krieg zu führen, da die Völker schon im Frieden
mehr als genug bluten müssen.
 
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