1074
Wie Herr Quitzow seine zänkische Gattin zur Ruhe bringt.
Der Kritische Tag.
Herr Müller kehrt Abends aus seiner Kneipe heim, in welcher über die
kritischen Tage Falb's lebhaft diskutirt worden ist. Er hat des Guten zu
viel gethan und sieht Häuser, Kirchthurm, Laternenpfähle wackeln, woraus er
ängstlich ausruft:
„Falb, Falb, so schlimm hätte ich mir das prophezeite Erdbeben doch
nicht gedacht!"
Welcher Unterschied ist zwischen Jerusalem und Leipzig? — In Jerusalem
wurde ein salomonisches Urthcil gefällt, in Leipzig wurde — kein salomonisches
Urtheil gefällt. Ein Korrektor.
Thrrsikes.
tie griechische Flotte in Aulis lag,
Auf Winde harrend, so manchen Tag.
— Sie sollte führen über das Meer
Zum Kampf mit Troja das Griechenheer. —
Man schmauste, spielte, lag im Gras
Und unterhielt sich über dies und das.
Thersites, bekannt als Lästermaul,
Sprach einst: „Die ganze Geschichte ist faul,
Ein Schwindel, eine Utopie!
An Troja's Eroberung glaub' ich nie,
Bis man den Weg gezeigt mir hat
Auf dem wir kommen in die Stadt.
Die Mauer ist hoch und dick und fest:
Sagt, wie sie sich überwinden läßt!"
Der kluge Odysseus erhob sich da,
Der berühmte Held aus Jthaka.
Er faßte den Thersites beim Schopf
Und sagte: „Du einfältiger Tropf!
Wie sollen wir denn wissen den Pfad,
So lang wir der Stadt nicht sind genaht?
Hält' je eine Stadt man erobert, du Thor,
Wenn man den Weg müßt' kennen zuvor?
Sobald wir eiumal bei der Mauer stehn,
Werden wir auch den Weg erspähn;
So oder so, wir kommen hinein,
Drum laß' dein dummes Fragen sein!" —
Das Volk klatscht' dem Odysseus Applaus
Und lachte den Thersites aus.
* *
*
Stehn wir vor Troja's Mauern einmal,
— Unser Troja heißt Kapital —
So finden wir auch den Weg gewiß
Und besiegen jedes Hinderniß.
So oder so, wir erreichen das Ziel:
Der Klassenstaat fällt, wie Troja fiel. j. st.
Europäischer Vürsenvericht.
Wenn Optimisten behaupten, daß die Kurse
wieder in steigender Tendenz sich befänden, so trifft
dies in Bezug auf unfern inländischen „neuen
Kurs" auf keinen Fall zu. Derselbe wird durch
die hohen Getreidepreise so gedrückt, daß er im
Werthe täglich sinkt und daß sich die Börse leert,
wo er sich irgend blicken läßt.
Staatspapiere, namentlich Schneider- und Putz-
macher-Rechnungen, erzeugen bei gequälten Ehe-
männern oft flaue Stimmung, behalten aber, bis
sie bezahlt sind, immer einen gewissen reellen Werth.
Dagegen sind Eisenbahn-Aktien tief gesunken, seit
es bekannt geworden ist, daß der Kommerzieurath
Baare den Betriebsdirektoren etwas am Zeuge
flicken kann. Wer heutzutage mit Eisenbahn-Aktien
noch gut fahren will, der setzt sich lieber in eine
Droschke, als in den Eisenbahnzug. Trotz dieser
ungünstigen Verkehrsverhältnisse haben die Bochumer
Großindustriellen einen Theil ihrer Dividende fahren
lassen müssen. Einigen von ihnen steht aber noch
ein Bank-Guthaben in Aussicht, welches sie auf
der Anklagebank ausbezahlt erhalten dürften.
Der Handel in Kredit-Aktien ist nicht viel leb-
hafter. Insbesondere haben deutsch-freisinnige und
nationalliberale Versicherungsgesellschaften, welche
ihre dem Volke vor den Wahlen gemachten frei-
heitlichen Versicherungen niemals hielten, allen
Kredit verloren. Der Wechselverkehr ist etwas
reger, unter Anderem sind Ministerwechsel in
Preußen nicht selten. Gegenüber dem Handel mit
Loosen hält man sich reservirt, weil man alle ver-
fügbaren Kapitalien bereit stellt, um damit auf die
vielversprechende afrikanische Sklavenlotterie hinein-
zufallen.
Was die Viehpreise betrifft, so leiden dieselben
unter der zu geringen Nachfrage aus weiteren
Volkskreisen. Viele arme Leute sind so raffinirt,
daß sie schlechte Kartoffeln, welche eigentlich als
Schweinefutter dienen sollten, essen und so den
Schweinsbraten geschickt umgehen. Dagegen be-
hauptet der Ochse noch immer seine feste Stellung.
Russen sind stark begehrt, obgleich sie den
Völkern gewöhnlich theuer zu stehen kamen. Der
Rubel ist nicht allein in den Balkanländern, son-
dern auch in Frankreich auf Reisen anzutreffen.
Russische Juchteu-Erzeugnisse sind in Pommern und
Sachsen stark begehrt. Rumänier sind in Zeitungs-
Redaktionen gesucht, weil Rumänien gegenwärtig
einen Thronfolgerskandal darbietet, welcher sich zur
Bekämpfung der sauren Gurke eignet.
In Serbien steigen die Aktien der Königin
Natalie, weil sie für ihre Herrschertugenden einen
Ausweis erhalten hat, welcher dem König Milan
bis jetzt noch fehlt. In Luxemburg kommen Nassauer
wieder in Aufnahme, welche seit längerer Zeit
außer Kurs gesetzt waren. Das berühmte euro-
päische Gleichgewicht wird dadurch nicht gestört.
Aus Afrika kommt die erfreuliche Nachricht, daß
bei der Wieder-Aufbauung niedergebrannter Dörfer
erste Hypotheken auf zahlreiche Häuser von Ein-
geborenen billig zu vergeben sind. Dem kleinen
Kapital wird hier Gelegenheit zu vortheilhafter
Anlage geboten, um welche sich der Hypotheken-
Jnhaber nie mehr Sorge zu machen braucht.
Srdanfeier in Dresden.
Habt Jhr's gehört? Wie könnt' es sein?
Hört man Spießbürger leiern,
In Dresden fiel's dem Stadtrath ein,
Kein Sedanfest zu feiern!
Nu üben!
Das ist nicht möglich, ist ein Witz,
Was soll nur so 'was nützen?
Da brechen in dem Sachsenland
Doch bald des Staates Stützen!
Eigottvertannebimboom!
Wie Mancher hat schon einstudirt
'ne patriot'sche Rede,
Nun ist er eben angeschmiert;
Nee, so'n Beschluß! So blöde!
Ä nee! Gott verpippch, Frau Pathe!
Wie Herr Quitzow seine zänkische Gattin zur Ruhe bringt.
Der Kritische Tag.
Herr Müller kehrt Abends aus seiner Kneipe heim, in welcher über die
kritischen Tage Falb's lebhaft diskutirt worden ist. Er hat des Guten zu
viel gethan und sieht Häuser, Kirchthurm, Laternenpfähle wackeln, woraus er
ängstlich ausruft:
„Falb, Falb, so schlimm hätte ich mir das prophezeite Erdbeben doch
nicht gedacht!"
Welcher Unterschied ist zwischen Jerusalem und Leipzig? — In Jerusalem
wurde ein salomonisches Urthcil gefällt, in Leipzig wurde — kein salomonisches
Urtheil gefällt. Ein Korrektor.
Thrrsikes.
tie griechische Flotte in Aulis lag,
Auf Winde harrend, so manchen Tag.
— Sie sollte führen über das Meer
Zum Kampf mit Troja das Griechenheer. —
Man schmauste, spielte, lag im Gras
Und unterhielt sich über dies und das.
Thersites, bekannt als Lästermaul,
Sprach einst: „Die ganze Geschichte ist faul,
Ein Schwindel, eine Utopie!
An Troja's Eroberung glaub' ich nie,
Bis man den Weg gezeigt mir hat
Auf dem wir kommen in die Stadt.
Die Mauer ist hoch und dick und fest:
Sagt, wie sie sich überwinden läßt!"
Der kluge Odysseus erhob sich da,
Der berühmte Held aus Jthaka.
Er faßte den Thersites beim Schopf
Und sagte: „Du einfältiger Tropf!
Wie sollen wir denn wissen den Pfad,
So lang wir der Stadt nicht sind genaht?
Hält' je eine Stadt man erobert, du Thor,
Wenn man den Weg müßt' kennen zuvor?
Sobald wir eiumal bei der Mauer stehn,
Werden wir auch den Weg erspähn;
So oder so, wir kommen hinein,
Drum laß' dein dummes Fragen sein!" —
Das Volk klatscht' dem Odysseus Applaus
Und lachte den Thersites aus.
* *
*
Stehn wir vor Troja's Mauern einmal,
— Unser Troja heißt Kapital —
So finden wir auch den Weg gewiß
Und besiegen jedes Hinderniß.
So oder so, wir erreichen das Ziel:
Der Klassenstaat fällt, wie Troja fiel. j. st.
Europäischer Vürsenvericht.
Wenn Optimisten behaupten, daß die Kurse
wieder in steigender Tendenz sich befänden, so trifft
dies in Bezug auf unfern inländischen „neuen
Kurs" auf keinen Fall zu. Derselbe wird durch
die hohen Getreidepreise so gedrückt, daß er im
Werthe täglich sinkt und daß sich die Börse leert,
wo er sich irgend blicken läßt.
Staatspapiere, namentlich Schneider- und Putz-
macher-Rechnungen, erzeugen bei gequälten Ehe-
männern oft flaue Stimmung, behalten aber, bis
sie bezahlt sind, immer einen gewissen reellen Werth.
Dagegen sind Eisenbahn-Aktien tief gesunken, seit
es bekannt geworden ist, daß der Kommerzieurath
Baare den Betriebsdirektoren etwas am Zeuge
flicken kann. Wer heutzutage mit Eisenbahn-Aktien
noch gut fahren will, der setzt sich lieber in eine
Droschke, als in den Eisenbahnzug. Trotz dieser
ungünstigen Verkehrsverhältnisse haben die Bochumer
Großindustriellen einen Theil ihrer Dividende fahren
lassen müssen. Einigen von ihnen steht aber noch
ein Bank-Guthaben in Aussicht, welches sie auf
der Anklagebank ausbezahlt erhalten dürften.
Der Handel in Kredit-Aktien ist nicht viel leb-
hafter. Insbesondere haben deutsch-freisinnige und
nationalliberale Versicherungsgesellschaften, welche
ihre dem Volke vor den Wahlen gemachten frei-
heitlichen Versicherungen niemals hielten, allen
Kredit verloren. Der Wechselverkehr ist etwas
reger, unter Anderem sind Ministerwechsel in
Preußen nicht selten. Gegenüber dem Handel mit
Loosen hält man sich reservirt, weil man alle ver-
fügbaren Kapitalien bereit stellt, um damit auf die
vielversprechende afrikanische Sklavenlotterie hinein-
zufallen.
Was die Viehpreise betrifft, so leiden dieselben
unter der zu geringen Nachfrage aus weiteren
Volkskreisen. Viele arme Leute sind so raffinirt,
daß sie schlechte Kartoffeln, welche eigentlich als
Schweinefutter dienen sollten, essen und so den
Schweinsbraten geschickt umgehen. Dagegen be-
hauptet der Ochse noch immer seine feste Stellung.
Russen sind stark begehrt, obgleich sie den
Völkern gewöhnlich theuer zu stehen kamen. Der
Rubel ist nicht allein in den Balkanländern, son-
dern auch in Frankreich auf Reisen anzutreffen.
Russische Juchteu-Erzeugnisse sind in Pommern und
Sachsen stark begehrt. Rumänier sind in Zeitungs-
Redaktionen gesucht, weil Rumänien gegenwärtig
einen Thronfolgerskandal darbietet, welcher sich zur
Bekämpfung der sauren Gurke eignet.
In Serbien steigen die Aktien der Königin
Natalie, weil sie für ihre Herrschertugenden einen
Ausweis erhalten hat, welcher dem König Milan
bis jetzt noch fehlt. In Luxemburg kommen Nassauer
wieder in Aufnahme, welche seit längerer Zeit
außer Kurs gesetzt waren. Das berühmte euro-
päische Gleichgewicht wird dadurch nicht gestört.
Aus Afrika kommt die erfreuliche Nachricht, daß
bei der Wieder-Aufbauung niedergebrannter Dörfer
erste Hypotheken auf zahlreiche Häuser von Ein-
geborenen billig zu vergeben sind. Dem kleinen
Kapital wird hier Gelegenheit zu vortheilhafter
Anlage geboten, um welche sich der Hypotheken-
Jnhaber nie mehr Sorge zu machen braucht.
Srdanfeier in Dresden.
Habt Jhr's gehört? Wie könnt' es sein?
Hört man Spießbürger leiern,
In Dresden fiel's dem Stadtrath ein,
Kein Sedanfest zu feiern!
Nu üben!
Das ist nicht möglich, ist ein Witz,
Was soll nur so 'was nützen?
Da brechen in dem Sachsenland
Doch bald des Staates Stützen!
Eigottvertannebimboom!
Wie Mancher hat schon einstudirt
'ne patriot'sche Rede,
Nun ist er eben angeschmiert;
Nee, so'n Beschluß! So blöde!
Ä nee! Gott verpippch, Frau Pathe!