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1106

ozialisten-Äongreß in Erfurt.

Hat in dieses Herbstes Tagen
Biet Waffenlärm die Welt burchtoßt,
Ls wurde für ein künftiges Wagen
Der Zchlachtentzeere Kraft erprobt.

Io wollen nun auch wir entfalten
Das Banner, daß es grüßend wetz",

Zo sott seht itzre Heerschau Halten
Der Mrbeit tapf're Reichs-Mrmee.

Zchon nutzen sie aus Züd und Norden,

Die für das Volk als Kämpfer ftegn,

Zie kommen von des Meeres Borden,

Wie von des Berglands rautzen Höß'n.
Doch nicht, um Proben aßzugeßen,

Wie mau den Nächsten tödten kann —

Zie brechen Batzn für neues Leben
Dem gramgeßeugten Mrßeitsmann.

Daß das Programm dem Geist entspreche,
Der aller Knechtschaft Fesseln bricht,

Daß der Gedanken Flammenbäche
Zich einen in ein Meer von Licht,

Daß dieses Licht der Leitstern werde
Für Mlles, das nach aufwärts ringt
Mus Nottz und Hammer dieser Lrde —
Das ist das Ziel, das Heul" uns winkt.

Llnd ob sich auch in Wortgefechten
Lin Wettstreit für dies Ziel ergebt —
Wenn nur dem Rechten, nur dem Lchten
Lin jedes Herz entgegenstreßt,

Dann wird das Werk aus Linem Guffe
Äor unfern Rügen bald erstetzn,

Dann werden, zu des Feinds Kerdruffe,
Wir keine Zwietracht walten seßn.

Zo seid willkommen, Waffenbrüder,

Hm Ringen um ein tzotzes Ziel!

Zum zweiten Mal setzn wir uns wieder,
Zeit die Oktober-Zwingburg siel.

Hu Hatte galt's, die Form zu wätzlen
Für unsres Bundes Festigkeit;

Heut" gilt's, zu schärfen und zu stätzlen
Die Zchwerter für den Geisterstreit.

Was uns ermannt in jenen Tagen,

Da unser Bund „Zerbrechen" war,

Was trotz Lxil und Kerkerplagen
Jusammentzielt der Freunde Zchaar,

Das sott uns Heute auch beseelen:

Die zielbewußte Linigkeit,

Dann wird das rechte Wort nicht fetzten
Mls Losung für den Kampf der Zeit. m.R.

Brodest aus Sachsen.

(Von'n ahlden Leibz'ger.)

as Jahr is doch weeß Gnebbchen nich zu lob'n
Un alle Dage wendet sich's zum Schlimmern —
Nu wollnse ecu noch obendrein von ob'n
Das bischen Dasein mit Gewald verzimmern!
Was se nur mit den Drunkenheedsgesetz,

Das jetzt das neiste Widder is, bezwecken?

Ich weeß nur eens: es is ä beeses Netz!

Da wärdmer alle balde drinne schdecken.

Wenn nur der Neichsdag uff den Leim nich hubbd!
De Folgen warn ja reene zum Erschrecken.

Had mer den lieben langen Dag geschrubbd,

Denn will mer Abends ooch 'ne Gose lecken,

Un wer das Ding nur ä glee bischen gennd,

Der weeß, der Deiwel dreibt gern seine Bossen;
Mer had sich äb'n an Ende een gebrennd
Un aus der Gose gimmd mer in de Gossen.

Denn gommd es vor, wenn's een ooch sehr verdrieß,
Daß mer an Mauern un Geriste rammeld,

Daß mer uff eemal Burzelbeeme schießd
Un daß de Menschheed sich um een versammeld.
Da drnde nachher das Gesetz in Grasd
Un mir, de Gosenbrieder, wär'n de Dummen;
Mer würde äb'n als Sausbold sordgeschaffd
Un mißde seine Dager vierzehn brummen.

Un denn die Extrabosheed hinderher!

Wer sollde so was von Gabrivi'n denken?

Es därsde denn gee Gosenvader mehr
Ooch nur ä eenz'ges Gimmelchen verschenken,

Un unsereener weeß doch, was een frommd,

Un weeß de Gawe Goddes ooch zu schätzen;

Er weeß, daß een de Gose nur begommd,

Gann mer ä Gimmelchen uff jede setzen.

Wo findet mer in solcher Noth Gehcer?

Soll unsereener zum Gondidder loofen

Un sich ä sießen, glewrigen Ligeer

Fer deires Geld schdadd seines Gimmels goofen?

Un wollde mer in de Destille gehn,

Endschdehd ä andrer Fall, der gleichfalls bidder:
Willst an der Quelle du ä Schnabs erschdehn,

So giebd's nich wen'ger als ä halwen Lidder!

Uff die un jene Ard is mer lackird,

Un wär mer nich so fromm, mer mechde fluchen!
's is weeß der Guguck schon mehr raffinird,

Wie se von hinden een zu sangeu suchen!

Ward iwwer Deidschland das Gesetz verhängd,
Denn had das Ausland balde uns bemeisterd;
Der letzde Schdammdisch is je dann zerschbrengd,
Wo mer ser Reich un Gaiser sich begeisterd.

Der Streik der Plätterinnen.

elbst Leute, die es sich zur Lebensaufgabe ge-
macht haben, Alles zu säubern und zu glätten,
was ihnen unter die Hände kommt, können durch
die Unebenheiten der sozialen Verhältnisse einmal
um ihre Geduld gebracht werden.

So war es auch den Plätterinnen des kleinen
Städtchens M. im Herzogthum 3£. gegangen. Sie
mußten Tage und halbe Nächte lang in der dampfenden
Gluth der Plättstuben ihre nervenanstrengende Arbeit
I verrichten, wurden vom Unternehmer der Zentral-
waschanstalt zu rastloser Eile gedrängt und empfingen
jenen kläglichen Lohn, der auch für die schwerste
Frauenarbeit heutzutage noch nicht als zu gering
erachtet wird. Dieser unerträglichen Sachlage gegen-
über ergriffen die Plätterinnen des Städtchens das
einzig wirksame Hilfsmittel — sie organisirten sich,
dann proklamirten sie, da ihre Forderungen ab-

gewiesen wurden, in der Zentralwaschanstalt den
Streik; die wenigen, vereinzelt arbeitenden Plätter-
innen schlossen sich demselben an, und eines schönen
Sonntags war in ganz M. kein frisch gestärkter
Hemdkragen zu haben.

Das gab natürlich großes Aufsehen und viele
Verwirrung. Wenn sämmtliche Diplomaten den
ganzen Sommer über unthätig in den Bädern weilen,
so spürt die Welt dabei nicht den geringsten Verlust;
wenn aber eine Kategorie von Arbeitern oder
Arbeiterinnen plötzlich ihre Thätigkeit einstellt, so
entstehen die größten Verlegenheiten. Es ist eben
ein Mensch nützlicher und daher weniger entbehrlich,
als der andere.

Die ganze Spießbürgerschaft schimpfte wie ein
Heer von Rohrspatzen über den „unweiblichen"
Weiberstreik. Aber die Plätterinnen, welche sonst
die Wäsche gestärkt hatten, stärkten jetzt durch Einig-
keit sich selbst. Man schrie nach Polizei, aber die
Vorsitzende des Streikkomite's erklärte, die Polizei
könne schwerlich den richtigen Hitzegrad des Plätt-
stahls ermessen, und wenn aus polizeiliches Kommando
geplättet werde, so könne demnach leicht die Wäsche
in Rauch aufgehen.

In ganz besonderer Verzweiflung über den Streik
war der Hofrath Bauer, der Vorkämpfer der Zünftler.
Es wurde nämlich der Besuch des Ministers im
Städtchen erwartet, und diese Gelegenheit wollte die
Zunft benützen, um durch eine Deputation verschiedene
in der Kompetenz der Landesverwaltung liegende
Bevorzugungen für die Innung zu erbitten. Hof-
rath Bauer sollte diese Deputation führen; er hatte
sich auch schon die schönsten Reden einstudirt —
da kam das Verhängniß! Er pflegte bei solchen
Gelegenheiten eine blendend weiße Weste zu tragen,
welche gleichsam seine zweifelsohne reinliche Ge-
sinnung versinnbildlichen sollte, — diese Weste mußte
gewaschen und geplättet werden, und letzteres wurde
verweigert, denn die Plätterinnen rührten keine Hand
für die weiße Weste des Hofraths.

Dieser rief in höchster Noth seine Haushälterin
zu Hilfe. Es wurde ein Stahl glühend gemacht
 
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