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Das neue Programm.

-Phönix gleich, der von dom Jener
Verzehren sich zu taffen strebt
And seiner Kksche dann in neuer
And schönerer Gestalt entschwebt —

Zo das.Programm: Die alte Külte
Kat der Gedanke abgestreift,

Der schwellend von Hdeenfülle
In voller Klarheit war gereift.

Dem Lhaos, das der Mrbeit Degen,

Das Freiheit, Recht und Glück uns raubt,
Kalt niederschmetternd sie entgegen
Das jäh versteinernd' Zchlangenhaupt;
Zeigt, wie der Krater einst in Trümmer
Zerfällt, der so viel Anhcil spie,

And dann im Irüglingssonnenschimmer
Die Welt ersteht der Karmonie.

W uns das große Werk gelungen?

Das alte war nicht fehlerlos

And hat doch Zieg um Zieg errungen:

Wir wurden mächtig, stark und groß.

Zn Ehren sei's von uns gehalten:

Die Knospe war's, sie quoll und schwoll
And ließ die Vlütge nun entfalten,

Die edle Frucht uns bringen soll.

Run galt's, das neue Wort zu schaffen
Der sozialistischen Idee,

Mus daß sie, kennend kein Erschlaffen,
Kraftstrotzend auf dem Kampfplatz steh'.
Kunmchr in reiner, hehrer Dchöne
Ztrahlt sie, geläutert und geklärt,

Mit Kelm und Lanze, gleich Mthene,
And mit der Megis stark beweßrt. *)

Wir Haben ernst gedacht, gesonnen,
Die Ztirn in Falten tief gelegt
And jeden Faden fein gesponnen,
Manchmal auch heftig uns erregt.
Doch Kille waren wir bcfliffen
Des einen großen Zieles nur:

Mit unserm besten Können, Wissen
Zu wirken für die Weltkuitur.

Zei uns gegrüßt, Du neue Fahne!

Zieh' uns voran im Gcisterkrieg.

Dem Zturme trotzend, dem Orkane,

Führ' glorreich uns von Zieg zu Zieg!
Kkrveiter, die ihr uns noch ferne,

Zchaart tapfer euch um dies Panier,
Traut euer Zchicksal seinem Bternek
In diesem Zeichen siegen wir. I.Lt.

*) Aegis heißt der Schild der Göttin Pallas Athene (Göttin der Klugheit und des Kampfes), an welchem daS schlangenhaarige Medusenhaupt angebracht ist, dessen Anblick
den Beschauer vor Entsetzen versteinert.

Berlin, Anfang November.

Lieber Jacob!

Nn fang' ick selbst an zu jlooben, bet die schecncn Dage von Oranien-
burg hin sind un die Zeiten anfangen, wo der Mensch hauptsächlich vor
jutet Schuhzeich zu sorjen hat, indem et een sehr eklijet Jefiehl is, wenn
Dir det Wasser vorne in de Stiebel rin un hinten jleich wieder rauslooft.
Dct kann erst der Zehnte verdragen, un de jelvechnüchen Leite kriejen Reiß-
matismus un wollne Unterjacken un de Feinen kriejen Neiraljie und Elek-
trizität. Bei den jeweehnlichcn Plunder, zu den wir ja jlicklicher Weise
ooch jeheercn, kommen de meisten Krankheiten von't Saufen, un bei de
oberen Zehndauscnd da kommt Allens von jcistige Ueberbirdung her. Den
Zauber kenne ick nu zu jenau, als det ick mir noch besonders darieber uff-
rejen sollte.

Aber et i§ Herbst un der verninftije Mensch wird nu melanklötrig. Jott,
de Dichter, die haben et wirklich scheen, die phantasircn sich so richtig von alle
möglichen schienen Sachen wat vor, von den buntjefärbten Wald, un von dct
reife Obst un von wirkliche, richtije Weintrauben — aber von so'n richtijeu
Berliner Herbst, mit seinen janzen Matsch, uu von oben un unten naß un
dicke Backen un Zahnschmerzen — da haben se doch keene Ahnung von.'

Aber schimpe nich uff den Herbst, lieber Jacob, et is ne Jahreszeit,
die jewissermaßen ooch ihr Jutet hat. Stell Dir mal den Sommer dajejen
vor. Du jehst det Abends in Deine Stammkneipe un willst eenen Steh-
seidel drinken, un wenn De rauskommst, denn is et Heller, lichter Dag.
Det kann Eenen jetzt ja nu so leichte nich Passiren, wat ick vor sehr wat
Jutet halte, indem et ^en Hauptjrund zu nächtliche Jardinenpredigten uff
'ne sehr nette Weise jänzlich illusorisch macht. Denn, lieber Jacob, soville
wirst De woll ooch wissen: Alles kannst De bestreiten un ruhig den Jejeu-
beweis abwarten, aber wenn et eenmal draußen helle is, det kannst De so
leichte Keenen abstreiten, oder er mißte jrade ieber Kreiz dämlich sind.

Doch, wat ick sagen wollte, Du mechtest natierlich jernc wat ieber de
hohe Politik erfahren, indem ick se hier aus erster Hand habe. Na, Balma-
ceda, Boulanger und Parnell sind doot, det weeßte — die Dreie kennen ja
nu drieben in de ewije Selijkeit 'n orndtlichen Skat kloppen, da passen se
janz jut zu, uu zukieken mechte ich ooch janz jerne, indem ick doch ooch zu
jerne wissen mechte, wer eijentlich von die Dreie am Besten mogeln kann.
Det Dootschießen un sich anderweitig Abmurksen, det scheint jetzt in de
Mode zu kommen, un die Kohlrieben von die jroßen Politiker sind ooch
nich ville mehr Werth wie det Haupt von eenen janz jewöhnlichen Sterb-

Wir halten hoch die Ideale.

(Lin philisterosophisches Gedicht.)

f rivolität steht auf der rothen Fahne,

Die ungenirt man überall entfaltet.

Blau spricht vom Heil'geu, wie von einem Wahne;
Das ewig Unvergängliche nennt man veraltet.
Kein gutes Ende nimmt ein solches Treiben,
Drum laßt uns ,treu den Idealen bleiben! —

In die Idee des Eigenthnms vor Allem
Müßt ihr mit ganzer Seele euch versenken,

An's eigne Eigenthum mit Wohlgefallen
Und nur mit frommer Andacht sollt, ihr denken.
Je fester Jeder sich im Eignen bettet,

Je sichrer ist dies Ideal gerettet.

Das 'Eigenthum, das ist das Fundament
Bon der'Moral, die wir zum Leitstern wählen;
Sonst wäre es ja kein Verdienst am End',

Dem lieben Nächsten nicht sein Gut zu stehlen.
Nur solchen, die nach fremdem Gut begehrlich,
Scheint dieser Tugend Ideal entbehrlich.

Zerstört man gar der Ehe Hciligthum,

Was bliebe dann noch von der strengen Tugend
Der Ehrbarkeit? Schlecht stünd's um unfern Ruhm,
Wenn wir verharrt beim Leichtsinn unsrer Jugend.
Dem Eigenthum verwandt sürd unsre Ehen,

Wie's die Sozialen selber zugestchen. —

Und auf die Ehe gründet sich der Staat;

Drum sei auch dieser ehrbar Patriarchisch.

Fern bleib' die demokratisch wilde Saat. —

Er sei rein konstitutionell-monarchisch.

Er schirmt und schützet unsre Ideale,

Reell ist's, daß man ihm den Dienst bezahle.

Auch kann das höchste von den Gütern allen
— Wie Schiller sagt — uns nur der Staat besorgen.
Er läßt des Ruhmes gold'ue Strahlen falletr
Auf jeden Unterthan. Wie Monde borgen
Ihr Licht von Sonnen, so bezieht vom Staate
Ein Jeder seines Ruhmbedarfes Rate.

Doch dieser Born nicht unerschöpflich quillet.

Der Ruhm wird abgestanden, so zu sagen.

Dann wird von Neuem unser Schatz gefüllet:

Dem alten Erbfeind wird auf's Haupt geschlagen,
Das ist das Ideal des Patriotismus. —

Pfui, internationaler Sozialismus!

Der schwatzt vom brüderlichen Völkerfrieden,
Verrathen will er unsre höchsten Güter.

Nein! Braucht dasSchwert, das euch vonGott beschicden
Und seid der Ideale treue Hüter.

Zur ew'gen Wcltordnung gehört das Kriegen,
Wenn nur nicht die Gerechten unterliegen.

Kein Opfer scheuen wir für's Vaterland,

Denn seine Ehre ist auch unsre Ehre.

Manch' Milliönchen schon im Schlund verschwand
Allein der kleinkalibrigen Gewehre.

Wir hangen nicht fürwahr am Materiellen,

Wie andere engherzige Gesellen.

Das Volk hat keine höh'rcn Interessen
Als panem et circenses; so war's immer.

Es kennt seit je nur rohes Spiel und Essen.

Doch in der letzten Zeit tvird's immer schlimmer.
Seit man die Religion dem Volk genommen,

Ist es um seinen letzten Halt gekommen.

Uns ist die Religion nicht so Bedürfniß,

Wie sie's dem Volke war und bleiben wüßte.

Lebt unsereiner mit ihr im Zerwürfniß,

So folgt noch nicht, daß er den Halt einbüßte
Des innern Lebens; denn Ersatz uns bieten
Die Ideale, die wir treulich hüten.

Ein wahres Ideal das Volk nicht kennt. —

Hat es ein solches, ist es nicht das rechte.

Was es, zum Beispiel, seine Freiheit nennt,

Ist nur das Freiheitsideal der Knechte.

Nur einfach Freiheit will es für die Seinen,

Nicht ideale Freiheit, die wir meinen.

Das Ideal ist nicht aus rohen Stoffen.

Aus Brot baut man der Freiheit keine Tempel,
Und seine Hallen stehn nur denen offen,

Die nicht auf Stirn und Händen jenen Stempel
Der niedern Arbeit haben, und Verständnis;

Rur für die stofflich niedere Erkenntniß.

Die Ideale sind wie Spinneweben
So zart gebaut und werden leicht zerrissen
Von denen, die nur zu zerstören streben,

Wenn sie die plumpe Logik wo vermissen.

Doch über Logik und Vernunft erhaben
In Wolken ist das Ideal begraben.

Denn nicht das praktisch Nüchterne und Klare,
Vor allem nicht das zeitgemäß Moderne
Liebt unser Ideal. Es sucht das Wahre
Nicht in der uns verborgnen Zukunft Ferne.

Vom Dufte der Vergangenheit umwoben
Weist es nach hinten, doch zugleich nach oben.

Dort in des Mittelalters düstern Gründen,
Verborgen tief wohl unter Schutt und Trümmern
Ist sicher noch manch' Ideal zu finden,

Das wohl verdiente, heute noch zu schimmern.

O, schürft darnach, als lvenn man euch bezahle,
Und konservirt die ew'gen Ideale. Andres.
 
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