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Aber de Weihnachtsjlockcn die bimmeln Eenen unausjcsctzt in de Ohren,
det man vor lauter Christlichkeet jarnich weeß, wo man hin soll. Jetzt schwimmt
Alles in Wohlthätigkeit, un wo De hinspuckst, da spuckst De uff so'n Wohl-
thätigkeitsbazar. Et is ja ooch de heechstc Zeit, det se mit die Jeschichten
Widder anfangcn, denn sonst hätten ja de feinen Leite so jut wie jarnischt
zu thun. Wenn erst jeder Kamerunncjer zu Weihnachten een Paar wollene
Strümpe nn jeder Eskimo eenen Sonnenschirm hat, denn wird woll die
joldene Zeit anbrechen, wo wir uns ieber Nischt mehr zu ärjern brauchen.

Aber Aerjer muß sind in der Welt, lieber Jacob, sonst is et wahr-
haftig nischt. Weeßte, wat ick lvoll wissen mechte? Ob sich in Berlin woll
Eener finden Wirde, der in die Winterkälte jetzt um die Weihnachtszeit rum
uff den Bejasbrunnen als Neptun sitzen »rechte. Ick jloobe kaum, denn
anjezogen haben se den ollen Meerjreis jrade nich zu ville. Ick habe ihn
bis jetzt blos uffu Bild jesehen, indem mir mein Weg jarnich in die Jejend
führt, weil ick da nischt zu dhnn habe. Aber uff det Bild seht er mächtig
verfressen aus. Eene Jabel hat er in de Hand, wenn er die alle Dage zu
sein Mittagbrot jebraucht, denn jloobe ick sanz jcrne, det Forckenbeck nischt
von Nothslnnd wissen will. Denn wer Happen mit die Jabel nimmt, uff
den seinen Disch da muß schon een biskcn wat stehen, wenn er mit die
Jabel ieberhaupt wat fischen will. Vielleicht läßt ihn Forckenbeck zu Weih-
nachten Rock un Hose machen, denn det is ja jarnich mitanzusehen, wie der
olle Mann von alle möglichen kleene Engels mit kältet Wasser anjespritzt
wird, da kann Eener faktisch kalte Beene kriejen, wenn er det mitanseht.
Aber det helft nu Alles nischt, wir haben den Bejasbrunnen eenmal, un
det is immer een Zeichen, det wir in Berlin Jeld haben, denn sonst wirken
wir sonne Jeschenke jarnich machen kennen. Wenn Forckenbeck een kleen
bisken schlau wäre, denn wirde er den ollen Neptun in seine andere Pote
so'n jroßet Messer jeden, wat zu die Jabel paßt, un denn wäre ooch gleich
der Uffschnitt von wejen unsere Jeldverhältnisse uff das Trefflichste illnstrirt.

Sechste, Jacob, so bin ick in meine Menschenfreindlichkeit, ick bringe
Forckenbeckcn zu Weihnachten wenijstens uff ’itc jlorrciche Idee, von die ick
hoffe, det se in weiten Kreisen Anklang sind't.

Wie et aber ooch kommen wird, Jacob, ick wünsche Dir nn alle unsere
Freinde un Leser verjniegte Feierdage, mit welche fröhliche Aussicht ick ver-
bleibe erjebenst un mit ville Jrieße Dein freier

Jotthils Nancke.

An'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Beim Eisenbahn-Neberfall.

Räuberhauptmann: Meine Herrschaften, wqllcn Sie gefälligst alle
Werthsachen, die Sie bei sich haben, an inich abliesern.

Ein Reisender tbesonders vornehm gekleidet): Hier meine Brieftasche.
Hauptmann: Wer sind Sic, wenn ich fragen darf?

Reisender: Ich bin Börsenjobber.

Hauptmann: Ah so, dann behalten Sie nur; von Kollegen nehme ich nichts.

LXZ Der Meißner Krach.

n Lachsen is es Brod ofd rar,
Tardoffeln schlechd geraden,

Drum giebts in Lachsen immer viel
Loziale Demograden.

Le sitzen in den Landdag drin
Un ooch in der Temeende.

De Bollezei gann's ändern nich,

Un wenn se Drähnen meende.

Blos eene Lchdadt am Llbeschdrand,
Rich allzuweid von Breißen,

Die hield sich von den Roden frei —
Das war das scheene Meißen.

Der Bankjeh Fischer herrschde dort,

Ü Freind von Deidschen Reiche,

Der uff de Ordnung war verbichd.

Der schbield' de erschde Teige.

De Meißner gaben ihm ihr Geld
In sichere Verwahrung,

Doch had er'sch heemlich verschlambambd,
welch' traurige Erfahrung!

In Tiddchen sitzd der Fischer jetzd.

De Meißner sein bedrogen!

Le schimfen, un se wer'n zuletzd
Den Roden nu gewogen.

Hodelspähne.

Nun kommt das schöne Weihnachtsfest!

Nun eilt mit frohem Herzen,

Und schmückt die jungen Tannen all'

Mit vielen Tausend Kerzen.

Wenn sie erstrahlen märchenschön,

Wenn sie das Dunkel scheuchten,

Dann werden, liebes deutsches Volk,

Dein Elend sie beleuchten.

* *

*

Man klagt so viel über Nahrungsmittelverfälsch-
ung und die Stützen der Gesellschaft sehen es be-
sonders ungern, wenn der Wein gefälscht wird.
Dennoch nehmen sie es sehr übel, wenn ihnen Je-
mand reinen Wein einschenkt.

* *

*

Die Abschaffung der Sklaverei wird jetzt wieder mächtig gefördert.
Einige Arbeitgeber möchten sogar die Lohnsklaverei abschaffen, indem sie
ihren Arbeitern am liebsten gar keine Löhne mehr zahlen.

* *

-ft

, Auch das dem Reiche neu gewonnene Helgoland soll nun der Werke
der Neuzeit und unserer deutschen Kultur theilhastig werden. Nur schade,
daß diese Werke meistens blos Festungswerke sind.

Man streitet zuweilen über die Dauerhaftigkeit der verschiedenen Holz-
Arten. Als Fachmann kann ich versichern, daß diejenigen Bretter am dauer-
haftesten sind, welche die Jnnungsbrüdcr vor'm Kopfe haben.

Ihr getreuer

Säge, Schreiner.

Die Immunität.

Tier Reichsbot' unverletzlich ist,

Da zieht es keine Krage,

Ruch wenn der Reichstag ward vertagt —
Doch nur auf dreißig Tage.

Damit des Ehrenamtes Pflicht
Lr ungehindert trage.

Beschützt ihn das verfassungsrecht —

Doch nur aus dreißig Tage.

Des deutschen Volks Repräsentant

Bleibt frei von Rerkerplage,

von den Klöhen und Wanzen des Vaterlands —

Doch nur aus dreißig Tage.

^eitereF und ^rnsteK.

war in der Hochsaison des Sozialisten-
l ylTf gesetzes, unter der Regierung Puttkamer's.

Ein noch sehr jugendlicher, eifriger Sozial-
demokrat wurde wegen Verbreitung des „Sozial-
demokrat," Bcbel's „Frau" und anderer literarischer
Kontrebande zu einigen Monaten verdonnert. Es
war schon das zweite Mal, daß er hineingefallen
war und er hatte nach Verbüßung seiner ersten
Gefängnißstrafe lebhaft geschildert, wie sehr es ihn
erquickte, wenn er in seiner harten Gefangenschaft
einen aufmunternden, mit Humor gewürzten Brief
eines Genossen empfing. Es ist auch psychologisch
sehr begreiflich, daß ein solcher Brief wie ein
freundlicher Sonnenstrahl in die Nacht seines
Kerkerdaseins fiel und seine gedrückte Stimmung
aufheiterte. Mehrmals ließ er mich durch ent-
lassene Sträflinge bitten, ihm zu schreiben, und
immer kam mein Brief wieder zurück, weil die

Gefnngnißverwaltung Briefe politischen Inhalts
nicht an den Adressaten ablieferte. Nun schrieb
ich ihm einen anderen Brief, in dem jede politische
Erörterung vermieden war; ich berichtete ihm aller-
hand Tagcsklatsch und ließ dabei auch folgende
Mittheilung einfließen: „Da Sie früher in einen:
Petroleumgeschäft waren, so wird Sie's interessiren,
zu erfahren, daß eine neue Methode erfunden
wurde, durch welche das Petroleum mehr Gehalt
bekommt und noch einmal so rein brennt." Die
Gefängnißzensur ließ den Brief anstandslos Jassiren,
sie wußte nicht, daß die anscheinend harmlose Stelle
eine Umschreibung der Strophe im Audorf'schen
Pctrolenmlicd war:

„Und sperrt der Bruder Staatsanwalt
Auch einmal einen ein,

Kricgt's Petroleum mehr Gehalt
Und brennt nochmal so rein"
und den Zweck hatte, den gefangenen Genossen
damit aufzurichten. Als er wieder frei war, ver-
sicherte er, daß er hell auflachen mußte, als er den
Brief bekam und das Lachen kaum verbeißen konnte,
als ihn Tags darauf der Verwalter fragte, ob er
diese Methode näher erfahren könnte, denn er
interessirte sich besonders für das Raffinement des
Petroleums. Der Spaß habe ihm während des
Restes seiner Gefangenschaft gar oft den Trübsinn
verscheucht.

Noch hübscher ist folgendes Stückchen. Bekannt-
lich mußte die Lassallefeier unter dem Sozialisten-
gesetz vor der Polizei streng geheim gehalten werden.
Nun bekam einmal in einer kleinen Fabrikstadt
Süddeutschlands die Behörde Wind von dieser
Feier und der Ortsgewaltige beorderte zwei Polizei-
diener, um beim Lokal, wo die Arbeiter gewöhnlich
verkehrten, hcrumzuschleichen und eventuell die
Feier zu überrumpeln und auszulösen. Als die
beiden Augen des Gesetzes an der steinernen Treppe
der Wirthschaft im nächtlichen Dunkel lauerten,
hörten sie aus einmal aus dem Arbeiterlokal einen

Gesang erschallen. „Dees Lied kommt mir bekannt
vor," lispelte der biedere schwäbische Polizcidiener
seinem Kollegen zu. „Hoscht reacht, dees ischt die
Wacht am Rhein," versetzte der Andere, „dui feieret
da drobe g'wiß dös Sedansfescht." Sie lauschten
noch eine kleine Weile, dann gingen sie beruhigt
von dannen, um ihre ewig dürstenden Seelen an-
znfeuchten und erstatteten andern Tags dem Orts-
gewaltigen Rapport, die Arbeiter hätten das
Scdansfest (das bekanntlich nur zwei Tage später
als der Todestag Lassalle's fällt) gefeiert und die
„Wacht am Rhein" gesungen. Sie ahnten nicht,
daß sie da oben in dem mit rothen Tüchern und
der Lassallebüste dekorirten Saal eine Lassallefeier
abhielten und jenes nach der Melodie der „Wacht
am Rhein" gesungene Lied das beliebte „Arbciter-
feldgeschrei" von H. Greulich war: „Es tönt ein
Ruf von Land zu Land." *

—>' lECradj. !<—

(gm nach Uhland.)

''TV'rt grolir Häuser sind verkracht.

-■**' Es kracht und wackelt bei Tag und Nacht,

Es wackelt an allen Enden.

Dir Nurse sinke» mit jedem Tag.

De»i Mrntirrs allen droht der Schlag!

Futsch sind Kapitalien und Nenlen.

An den Federn erkennt man den Vogel.

Der frischgeadelte Bankier Herr von Moses
hat sich eine Villa bauen lassen und fragt einen
spottsüchtigen Schriftsteller, wie er dieselbe nennen
soll und ob ihm der Name Moseshcim gefalle.

„Wissen Sie was?" sagte der Schriftsteller,
„nennen Sie sie Mau sch oleum!"
 
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