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1342

Gin neuer Salomo*

begab sich zu der Zeit, da
die Schaaren der Gläubigen
zum heiligen Rock nach Trier
wallfahrteten, um seiner
Wunderkraft theilhaftig zu
werden, daß ein un-
gläubiger Redakteur
freventlich seine Feder ins
Tintenfaß tauchte, um einen
sündhaften Artikel ans Ta-
geslicht zu fördern.

Dieser Artikel erschien
in der rothen Zeitung
des schwarzen Wahlkreises
Muckerheim und erregte
allgemeines Entsetzen. Es
wurde darin nicht nur die
Echtheit des Rockes be-
stritten, sondern sogar be-
hauptet, wenn der heilige
Rock Wunder thun könne,
dann würde er zunächst
die frommen Pilger von ihrer geistigen Blindheit heilen.

Solchen unerhörten Frevel konnte man nicht ungerochen hingehen
lassen. In Anbetracht der Erfahrung, daß sich als Mittel gegen un-
gläubige Seelen noch immer das Strafgesetz am wirksamsten erwiesen,
machte sich ein ultramontanes Dickbäuchlein auf die Strümpfe
und ging zum Amtsrichter für Strafsachen.

Der Richter hatte an diesem Tage schon mancherlei schwere Fälle
erledigt. Er hatte streitende Nachbarn versöhnt, fechtende Handwerks-
burschen bestraft, groben Unfug definirt u. s. w.

„Was wollen Sie?" fragte er den Dicken barsch.

„Ich komme wegen des heiligen Rockes," sagte dieser weihevoll.

„Ist er Ihnen gestohlen worden?" fragte der Richter.

„O nein, schlimmer! Er ist beleidigt worden," erwiderte der
Besucher eifrig, und zitirte aus der rothen Zeitung all die sündhaften
Stellen jenes schlimmen Artikels.

Der Richter meinte gleichmüthig: „Was geht uns das an?"

„Was es uns angeht?" schrie der Dicke in heiligem Zorn. „Straf-
antrag müssen wir stellen! Ins Gefängniß muß der ungläubige
Redakteur! Konfiszirt muß die Zeitung werden!"

„Halt, nicht so hitzig," entgegnete der Richter. „Sie glauben also
aufrichtig, daß der heilige Rock Wunder thun kann?"

„Freilich! er macht Kranke gesund, er bekehrt Ungläubige, tröstet
Gläubige —"

„Gut," sagte der Richter, „wenn er das Alles kann, dann kann
er sich auch gegen Beleidigungen schützen; warten wir also, bis der
heilige Rock selbst Strafantrag stellt."

Der Ankläger prallte zurück. „Aber das ist ja nicht möglich . . .!"
stotterte er.

Jetzt erhob sich der Richter mit zürnender Miene. „Fort, Un-
gläubiger!" donnerte er. „Andere wollen Sie verklagen, weil jene
nicht an Wunder glauben, und selbst bezweifeln Sie, daß der Rock
Strafantrag stellen kann? — Nein, wenn der heilige Rock will, daß
die Worte der Presse geahndet werden, dann wird er sich selbst rühren.
Unberufene dürfen ihm nicht vorgreifen."

Der dicke Ankläger war durch diese wuchtigen Vorhalte ganz nieder-
geschmettert, er, der so große Frömmigkeit zur Schau zu tragen pflegte,
stand als Ungläubiger da, und ging beschämt von dannen, wie Petrus,
als der Hahn gekräht hatte.

Die rothe Zeitung aber blieb unbehelligt, denn der heilige Rock
hat es nicht für nöthig befunden, Strafantrag gegen sie zu stellen.

Sicheres Kennzeichen. <<?=^

Zur Zlrafvoüzugs'ÄMung.

iVHn Bösewicht Heinrich Heine war.

Der sprach sich oft gar verrucht aus;
Lr wünschte uns einmal sogar
Lin nationales Zuchthaus.

Wie unser Herz auch von Wünschen voll,
Gewährung ist nicht zu ersehen;

Doch jener schöne Wunsch, er soll
Demnächst in Lrfüllung gehen.

Deutschland ist ja noch zerrissen genug
Und mit Lntwicklung beschäftigt;

Nun wird mit dem neuen Strafvollzug
Die Linheit von innen gekräftigt.

Im Zuchthaus kann der Deutsche hinfort
Die alte Zerrissenheit sühnen;

Lr dient dem Nationalgefühl dort
Auch hinter Lisengardinen.

Das Aationalgefühl steigt enorm,

Die Dichter singen und sagen.

Wie stolz als National-Uniform
Das Züchtlingsgewand wird getragen.

Ls werden zum Nationalgericht
Die Lrbsen, Bohnen und Linsen,

Und giebt es Prügel, zeigt das Gesicht
Lin patriotisches Grinsen.
 
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