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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0021

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2368 —

Große Gesichtspunkte.
Der Schnstervcitel, der dickkopfete Gispelmüller und der Uhrenmachcr
disputiren am Ecktisch über die hohe Nativnalökvnomik.
Was der Beitel für die kropfigen Hungerleider verlangt, zahlt ihm
der Müller mit der Faust auf den Tisch hin aus. Agrarier und Prole-
tarier werden nicht einig und thäten am liebsten die Angelegenheit
handgreiflich zum Austrag bringen; denn das Bier ist frisch. Der
Uhrenmacher aber denkt sich sein Theil und vertritt schleunigst die
internationale Friedensgesellschaft.
Da kommt von ungefähr der Herr Kaplan, läßt sich die schwierige
Sachlage berichten und setzt sich in Positur: „Liebe Leute", sagt er,
„ihr vergeßt über dein Streit um eure armseligen Mägen und Wochen-
sorgen ganz und gar die großen Gesichtspunkte." Und alsbald ist er
mitteir drin im übermächtigen römisch-katholischen Hauswesen und seiner
dreifach gebenedeiten Fürtrefflichkeit.
Der Beitel und der Müller gucken nur so, der Eine von unten
lind böswillig, der Andre gradwegs wie ein gestochener Bock.
Blos eben der Uhrenmacher horcht pfiffig drauf hin, und wie der
Herr Kaplan fertig ist und einen ehrenfesten Schluck nimmt, hebt er an:
„Bei solcher Bedenklichkeit fällt mir etwas ein, was vielleicht den
Nagel auf den Kopf trifft."
„Da war einmal ein Jäger; der mußte auf eine Woche verreisen
und gab seinen Waldl dem Apotheker in Kost und Logis. Selbiger aber
war ein Geizkragen; und wenn er dem armen Waldl sein Futter geben
sollte, hielt er allzeit ein Vergrößerungsglas zwischen den Brocken und
das Hundsvieh, so daß dies brave Thierlein glauben mußte, es habe die
ausreichende Ration bekommen, auch wenn's nur der zehnte Theil war.
Denn der Waldl war in Geduld und Bescheidenheit erzogen.
„Wäre da der Jäger und Herr nicht rechtzeitig wieder zurück-
gekommen und hätte nach dem Rechten geschaut, — meiner Treu, ich
glaub', der Waldl wär' an den großen Gesichtspunkten schnurstracks
eines unseligen Todes verschieden.


„Nir für ungut!" sagte der Uhrenmachcr. Hierauf stülpt er den
Schlapphnt auf, trinkt aus und schiebt durch die Thür ab. in-, o.

Schnitzel.
Wer Erfolg hat, bildet leicht sich ein,
Ein bedeutendes Talent zu sein.
Doch gern ist das Glück den Schöpsen hold,
Tas dem Genie beharrlich grollt.

Das ist ein Glück in dieser schoflen Welt,
Daß Kriegführen kostet sehr viel Geld.
Denn kosteten Kriege blos Menschenleben,
Wir würden beständig in Kriegsgefahr schweben.

Interessanter Fund.


Gnädige Frau, ich habe das Schlafzimmer ganz durchsucht, aber die
Locken waren nicht aufznfinden, wohl aber sand ich — eine Bartbinde.


Eine Schimpfirte.

Die muntern Vögel sangen
In den Wolken und im Gebüsch,
Der Mai war wieder gekommen,
Die Luft war so morgenfrisch.
Die gnädige Fran ging spazieren,
Bewegung that ihr gut,
Und neben ihr trippelte Bella,
Das Hündchen, voll argem Muth.
Sie kamen auch vorüber
An den Arbeiterhütten. Es litt
Die Gnädige dort die Luft nicht,
Drum förderte sie den Schritt.

Und als sie wieder im Freien,
Und der Odem wieder rein,
Vermißte sie die Bella,
Das Hündchen zart und fein.
Sie rief es mit süßer Stimme,
Da sah sie vom weiten, entsetzt,
Einen ruppigen Arbeiterköter,
Mit dem sich Bella ergötzt.
Die Gnädige rang die Hände
Und war einer Ohnmacht nah.
Es nützte nichtJammern, nicht Rufen,
Denn, ach, das Schlimmste geschah.

O Bella, arge Bella,
Wie hast du dich blamirt;
Wie hast du, trotz guter Erziehung
Dich und deine Herrschaft schimpfirt.


(iuäser klingen, Teller klirren.
Alles athmet Wohlbehagen,
Und dem armen Musikanten
Knurret laut der leere Magen.

Dabei muß er fiedeln, blasen
Und beim Hoch recht fröhlich schmettern,
Statt des Elends Dissonanzen
In den Saal hineinzuwettern.

Verantwortlich für die Ncdaktwn Georg Baßler in Stnttgart. — Druck und Verlag oon I. H. W. Dietz in Stuttgart.
 
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