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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0041

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III. Auf dem Schrägen.
Nun haben sie die schlichten Bahren
Im Zechenhause ausgestellt —
Ein kahler Raum, aus hohen Fenstern
Vom bleichen Regentag erhellt.
Auf abgeschrägten Holzgerüsten,
Mit weißen Linnen überdeckt,
Hat sich hier eine Schaar von Helden
Zum letzten Schlafe starrgestreckt.
Sie warfen sich dem Tod entgegen,
Dem sie ins Auge oft geschn.
Und mußten doch dem Tode weichen
Und selber elend nntergehn.
Die Brüder tief im Flammenschlunde
Verschüttet unter Nacht und Pein
Und sie nun auf dem Lattenschragen,
Die ihnen Retter wollten sein.


Es ist im Raum von Harsch und Wunden
Ein süßlich fader Blutgeruch,
Und die zerschellten Glieder färben
Noch roth das weiße Leichentuch.
In jedes Antlitz hat die Flamme
Gedrückt ihr sengend Feuermal,
Es starrt aus den entstellten Zügen
Die wilde, stumme Todesqual.

IV. Entlohnt.
Im westlichen Reviere, da hat der Schrecken Tod
Gehalten reichste Ernte in Flammcnqual und Noch.
Die gluthenrothe Fackel, die ihm ein Dämon gab,
In drei der Lüstern Schächte senkt er sie jäh hinab.
Da schwoll, der in den Stollen verdcrbeudrohend
ruht,
Der Tiefe gift'ger Odem, auf in Zerstöruugswuth.


Da liegt ein greiser Oberhäuer,
Verbrannt, zerfetzt das alte Haupt —
Nur einen Strähn des grauen Bartes
Hat ihm die Flamme nicht geraubt.
Dort Einer mit zermalmtem Brustkorb,
Nach Stünden erst erlöst vom Tod,
Und weiter, Bruder neben Bruder,
Zum letzten stummen Aufgebot.
Ein unterdrücktes Schluchzen zittert.
Ein schmerzvoll Stöhnen durch den Saal.
Hier küßt ein Weib erstarrte Hände,
Ein blutig Haupt zum letzten Mal.
Da legt ein Kind, vom Arm der Mutter,
Aufs Bahrtuch scheu ein Hcil'geubild,
Und eine blasse Heckenrose
Gab dort der Heimath Lenzgefild.
Und die sich schon zum Gehen wandten.
Mit einem letzten, langen Blick,
Sie kehren schluchzend immer wieder
An's Latten-Todteubett zurück.
Bis sie zum ew'gen Abschied mahnet
Des Grabgeläutes dumpfer Schlag —
Und weinend tragen sie ihr Elend
Hin durch den bleichen Frühlingstag.

Und die da unten sprengten in tiefster Müh und Pein,
Gebückt und kuiecud, liegend, das knirschende Gestein,
Die da in karg entlohnter, in schwerer Schaffens-
pflicht
Der Erde Reichthum hoben aus Nacht empor
zum Licht —
Die keuchend mußten frohnen um jeden Bissen Brot,
Jndeß vor ihren Hütten gekauert liegt die Noth,
Sie sanken hin, in Schwaden gemäht vom
Todesstahl,
Verzuckend und verröchelnd in namenloser Qual.
Im westlichen Reviere soll heute Zahltag sein;
Es stellt sich nur ein Häuflein von der Beleg-
schaft ein.
Doch vor dem Holzverschlage, im weißgetüuch-
ten Saal,
Da stehn vergrämte Weiber gedrängt in großer Zahl.
Die Krankheitsluft der Hütten füllt Zimmer und
Verschlag —
Auf ihren schmalen Wangen steht mancher
Hungertag.
Und wenn beim Namensaufruf der ihre wird
genannt,
Dann wanken sie zum Schalterherübervon derWand

Und nehmen für den Einen, der's selber nicht
mehr kann.
Den Blutlohn, der einLebeu gepreßtin seinenBanu.
Ein Mütterchen, das zitternd ein Kreuz beim
Aufruf schlägt.
Ein junges Weib, das schwer schon an neuem
Leben trägt —
Und rothgeweinte Augen—und starrer leerer Blick,
Und über all dem Elend und düsterem Geschick
Mit prahlendem Geklapper der Arbeitsgroschen
klingt,
Den schon die nächste Woche mit Stumpf und
Stiel verschlingt.

Epilog.
Und kaum ein Monat war ins Land gegangen,
Da saßen strenge Herren im Talare
Gewichtig in der Hauptstadt zu Gericht,
Und sprachen Urtel ob den Rädelsführern,
Die in dem letzten Lohnkampf ihrer Brüder
Lallt für das Grubenvolk ihr Wort erhoben.
„Zwei Jahre schweren Kerkers wegen Aufruhr!"
So lautete der Spruch der weisen Richter.-
Und in der Schreckensflur erheben sich
Der todten Schächte dunkle Thurmgebünde,
Wie Riesenfäuste, drohend aufgehoben
Herauf aus dem verlassnen Massengrab.
Hunold.


Verantwortlich sür die Redaktion Georg Baßler in Stuttgart. — Druck und Verlag von I. H. W. Dietz in Stuttgart.
 
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